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MARVEL-BROKER/021: Die Fantastischen Vier & die Rächer - Heldenfall 1


Brian M. Bendis, Christopher Priest, Mark Ricketts, David Finch, Joe Bennett, Tony Harris


Die Fantastischen Vier & Die Rächer: Heldenfall 1



Ragnarök der Rächer

"Jack of Hearts" ist tot und reißt "Ant-Man" mit in sein Verderben. "Vision" ... in Stücke gerissen, von einer außer Kontrolle geratenen "She-Hulk", die auch "Wasp" ins Koma schickt ...

"Die Rächer" (The Avengers) durchleben zur Zeit das dunkelste Kapitel ihrer Geschichte, und ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, es wird immer schlimmer, denn jemand aus der Vergangenheit hat es auf sie abgesehen und vollzieht nun seinerseits süße Rache, bis zum bitteren Ende.

Die Vergangenheit der Rächer reicht weit zurück, bis ins Jahr '63, als sich die mächtigsten Superhelden der Erde zusammenschlossen, um vereint gegen Gefahren anzukämpfen, die sie einzeln nicht bewältigen konnten. Die Gründungsmitglieder "Iron Man" (der Eiserne), "Thor" (der Donnergott), "Wasp" (die Wespe), "Ant-Man" (der Ameisenmann) und "Hulk" (zu deutsch: Hulk) verteidigten die Welt gegen übermächtige Angreifer. Auch wenn andere Helden zu den Rächern nachrückten, während alte Mitglieder das Team nur noch als Reservisten unterstützten oder gar verließen, bestritten und besiegten sie über all die Jahre hinweg ihre Feinde. Doch nun scheint es, als ob der Ruf "Rächer sammeln!" nun ein letztes Mal erschallen wird, um ihre letzte Schlacht einzuläuten.

Die neue, vierbändige Miniserie "Heldenfall" hat das Ziel, die Rächer nachhaltig zu verändern und will deren Status quo für das neue Jahrtausend völlig neu definieren. Große Worte für ein gewagtes Unterfangen, entscheiden doch letztendlich die Fans, ob sie dieser Veränderung im Marvel-Universum überhaupt eine Chance geben, denn noch ist fraglich, ob der Inhalt dieser neuen Storyline hält, was er verspricht. Das Ende der alten Serie "Die Fantastischen Vier & Die Rächer" wurde mit der letzten Ausgabe bereits besiegelt, soll doch "Heldenfall" nun deren Vermächtnis, die Marvel-Helden-Familie zu neuem Glanz in einer glorreichen Zukunft zu verhelfen, weiterführen.

Man wird sie lieben oder hassen: Das neue Kreativteam, Brian M. Bendis und David Finch, verantwortlich für die nun folgenden gravierenden Umwälzungen bei Marvel Comics. Denn ihre Storyline mit dem US-Titel "Avengers Disassembled" erstreckt sich mittels sogenannter Tie-Ins über die Serien der anderen Helden und verändert in Folge auch deren Leben. Da der Leser zwar den Großteil der Tie-Ins in "Heldenfall" zu lesen bekommt und über den kleinen Rest auf den Redaktionsseiten der jeweiligen Bände informiert wird, sorgt bestimmt schon die Neugierde der Fans für einen weiteren "Verzehr" derjenigen Hefte, in denen die gekürzten Details ausführlich beschrieben werden. Wie man schon vom allzeit beliebten "Spider-Man" weiß, sorgt eine Vernetzung über viele Haftpunkte - also eine Storyline über viele verschiedene Helden- Serien - für die allergrößte Stabilität, sowohl beim Netz ... als auch beim Geschäft.

"Heldenfall" präsentiert dem Leser monatlich auf 100 Seiten die aktuellsten Abenteuer der "Rächer", "Captain Americas", "Iron Mans" und der "Fantastischen Vier". Seinen Abschluß findet dieses Crossover im August in der Ausgabe 4 mit einem Sonderumfang von 120 Seiten, auf denen nicht nur die 42jährige Geschichte der Rächer gefeiert wird, sondern auch eine großartige Ära ihr Ende findet, bevor im September dann der neue Phönix der Asche dieser Miniserie entsteigen soll.

In dem vorliegenden Band nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Nach einem ruhigen Wortgeplänkel zwischen den Mitgliedern im Rächer- Hauptquartier geht es Schlag auf Schlag, und der Leser kommt nicht einmal zum Luftholen, so düster und dramatisch entwickelt sich die Geschichte. Binnen weniger Seiten wird den Helden die Hölle auf Erden bereitet. Die Altleser unter den Fans dürften ihre Schwierigkeiten haben, sich zu erinnern, wann es für das Leben der Rächer je so finster und ausweglos aussah wie in "Chaos", dem ersten Teil der Geschichte "Heldenfall".

Die Fans erinnern sich bestimmt an die letzte Ausgabe der alten Serie "Die Fantastischen Vier & die Rächer 8" des Autors Geoff Johns, als der Rächer Jack of Hearts, nach der Rettung von Scott Lang's (Ant-Man) Tochter, den Tod fand. Da er aus reiner Energie bestand, starb er nicht wirklich und wurde von jemandem mehr schlecht als recht wieder zusammengesetzt, nur mit dem einzigen Ziel, das man erst jetzt im vorliegenden Band "Heldenfall" erfährt: Der große Unbekannte brachte ihn im Garten des Rächer- Hauptquartiers zur Explosion, von der auch Ant-Man mit in den Tod gerissen wurde. Und für den Ameisenmann scheint es endgültig zu sein, wie eine aus dem Erdreich ragende, skelettierte Hand wohl anzeigen soll.

Wie gewonnen, so zerronnen. Und so stirbt Ant-Man letztendlich durch die Hand seines "Förderers", des Autors Brian M. Bendis, der dem Charakter des Alter Ego, Scott Lang, zuvor in der hierzulande unveröffentlichten Comic-Serie "Alias" mehr Tiefgang verlieh, indem er ihn zeitweilig mit Jessica Jones eine Verbindung eingehen ließ.

Aber zurück zur aktuellen Geschichte: Als Tony Stark (Iron Man), seinerseits Verteidigungsminister der USA, eine Rede vor den Vereinten Nationen hält, wird er gegenüber dem Vertreter aus Latveria zunehmend ausfallender und beleidigender. Schließlich bedroht er das Leben des Diplomaten und steht kurz davor, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Anscheinend ist "der Eiserne" stark alkoholisiert, was nicht verwunderlich wäre, litt doch Tony Stark lange Zeit unter seiner Alkoholsucht. Doch er schwört, keinen Tropfen getrunken zu haben, und behauptet, daß jemand Besitz von ihm ergriffen hätte.

Szenenwechsel, wieder im Garten der Rächer. Dort stürzt der Quinjet der Rächer auf den englischen Rasen, und Vision offenbart den überraschten Rächern, daß er zu dem Absturz gezwungen wurde. Darüber hinaus werde seine Körperstruktur von fremden Organismen beherscht, die seinen Mitstreitern den Tod bringen sollen. Nach diesen Worten gebiert sein Mund eine Kugel nach der anderen, aus denen wiederum ein Heer von "Ultron"-Robotern entsteht, das dem Heldenteam das letzte abverlangt.

Im Kampf gegen die Ultrons steigert sich She-Hulk zu einer rasenden Furie und zerreißt zu guter Letzt ihren Teamkollegen Vision vor den Augen der entsetzten Rächer in Stücke, möglicherweise irreparabel. Wenngleich She-Hulk in jüngster Zeit öfters die Kontrolle über sich verlor, kann man in Folge der vorangegangenen Geschehnisse fast davon ausgehen, daß sie diesmal zu ihrer Untat manipuliert wurde, vielleicht genauso wie zuvor Tony Stark bei seiner Rede. Und zu allem Übel bleibt noch offen, ob Captain America und Wasp den Wutausbruch She-Hulks überhaupt überlebt haben.

Wie vor den Kopf gestoßen, fragt sich der mitfiebernde Leser am Ende dieser ersten Erzählung: Welcher alte Widersacher der Rächer mag hinter all diesen Machenschaften stecken? Welcher fiese Finsterling, vielleicht aus tiefster Vergangenheit, hat dazu überhaupt die Möglichkeit und auch die Macht?

Jetzt beginnen sich die anderen Geschichten des Heftes mit der Haupterzählung "Heldenfall" zu verweben, wie das Kapitel "Jimmys Art" aus "Captain America & The Falcon", das in Ausgabe 3 seinen Abschluß finden wird und vor dem eigentlichen Ereignis spielt. Doch im Zuge dieser Geschichte soll es zu Entwicklungen kommen, deren Bedeutung und Tragweite sich erst zu einem späteren Zeitpunkt zeigen werden.

Das Tie-In "Die Singularität" hingegen spielt direkt nach dem Kontrollverlust Tony Starks bei seiner Rede vor den Vereinten Nationen. Tatsächlich scheint irgend jemand von ihm Besitz zu ergreifen, und nun gerät auch der Eiserne immer mehr außer Kontrolle und eliminiert den Vorstand seiner eigenen Firma. Jetzt fangen die Probleme erst richtig an.

Ein untrügliches Zeichen von Kontrollverlust mit anschließendem Wechsel zur finsteren Seite äußert sich bei Marvel immer darin, daß der zum Wahnsinn neigende Bösewicht meist zuerst den Vorstand oder den Aufsichtsrat der eigenen Firma unter die Erde bringt, weil er dem Firmeneigentümer sein Geld und seinen Einfluß nehmen will. So geschehen in den Marvel-Filmen "Spider-Man 1", als der Grüne Kobold seinen gesamten Vorstand in die Luft sprengte, oder bei den "Fantastic Four", als Dr. Doom seinen Aufsichtsratvorsitzenden ein großes Loch durch die Brust laserte. Das Böse greift also amerikanische "heilige Kühe" an, jene tragenden Säulen der Gesellschaft, die "anständigen" Führungskräfte, die für das Wohl eines Unternehmens zuständig sind, was letztendlich doch bloß wieder bedeutet, daß sie für ihr persönliches Wohlergehen sorgen.

Die Fantastischen Vier als Hauptprotagonisten einer dreiteiligen Story greifen erst in der nächsten Ausgabe im Rahmen ihres eigenen Tie-Ins in die Miniserie "Heldenfall" ein. Der Haupthandlungsbogen entwickelt sich innerhalb der Rächer, doch da sie zur Zeit so ziemlich außer Gefecht gesetzt sind, müssen nun die anderen Superhelden in die Bresche springen und sich um die Verteidigung New Yorks gegen mutmaßliche Bedrohungen kümmern. In der letzten und vierten Ausgabe fließen dann die meisten Fäden um die FV mit denen der Rächer und Iron Mans wieder zusammen, doch auch in den anderen Serien werden die Auswirkungen zu spüren sein.

Der erste Akt zum "Heldenfall" eröffnet also den Reigen dieser Erzählung und macht dem Titel bisher alle Ehre. Kein Mitglied der Rächer ist mehr seines Lebens sicher, und der Rotstift der Autoren hängt wie ein Damoklosschwert über dem ganzen Geschehen. Doch die Himmelskörper im Marvel-Universum folgen ihren eigenen Bahnen, und was heute mühselig von den kreativen Autoren dieser Branche aufgebaut wird, kann schon morgen von nachrückenden Schreiberlingen mit einem einzigen Federstrich zunichtegemacht werden. Mit anderen Worten: Schon viele Helden und auch Schurken sind so manchesmal gestorben, um dann doch in irgendeinem Paralleluniversum wieder aufzutauchen. Das ist ja auch das Schöne bei Marvel: Sie kommen wieder.

Euer Marvel-Broker


Die Fantastischen Vier & Die Rächer: Heldenfall 1
Autoren: Brian M. Bendis, Christopher Priest, Mark Ricketts
Zeichner: David Finch, Joe Bennett, Tony Harris
Panini, Stuttgart, Mai 2005
100 Seiten, farbig, Softcover-Album, Kleinformat, 6,- Euro