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ANTIQUARIAT/046: "Storm" von Martin Lodewijk und Don Lawrence (SB)


Martin Lodewijk, Don Lawrence, John Kelly


Storm (21) "Die Genesis-Formel"

Storm - Chroniken aus der Zwischenzeit (2)



Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft: Commander Grek, Astronaut der Vereinten Interplanetarischen Nationen, gerät bei der Erforschung einer rätselhaften Erscheinung im All in einen galaktischen Wirbelsturm, von dem er auf die Erde zurückgeschleudert wird. Allerdings sind dort in der Zwischenzeit einige Jahrhunderte vergangen und vieles hat sich verändert. Unbekannte, primitive Zivilisationen beherrschen den auch von seinem Erscheinungsbild her völlig veränderten Planeten. Storm, wie er fortan genannt wird, gerät in die kriegerischen Auseinandersetzungen zweier Völker und wird ins Gefängnis geworfen. Dort befreit er ein Mädchen namens Rothaar, mit dem er gemeinsam flieht ...

... So begann Ende der 70er Jahre die Geschichte von Storm, die in ihren Anfangsjahren in Deutschland und in den Niederlanden zu den populärsten Science Fantasy-Serien gehörte. 1977 wurde die erste Folge der von dem von Szenaristen Steve Dunn erfundenen Serie in dem niederländischen Wochenmagazin "Eppo" abgedruckt. Der 1928 geborene, in Holland publizierende englische Zeichner Don Lawrence, der bis dahin mit einer ganzen Reihe von SF-Keationen publik geworden war, entwickelte Storm in der Folge mit wechselnden Autoren (unter anderem Dick Matena und Martin Lodewijk) zu seinem populärsten Werk.

Lawrence, einer der typischsten Vertreter der "gemäldeartigen Realcomics", zeichnete übrigens auch "The Trigan Empire", eine ebenfalls sehr erfolgreiche britische SF-Serie, die ab 1965 in dem Magazin "Ranger" veröffentlicht wurde. Diese Serie besticht ebenfalls durch ihre gemäldeartigen Zeichnungen, inhaltlich jedoch gilt sie bei vielen Kritikern als Sammelsurium der schlechtesten Science Fiction und erhielt aufgrund ihrer militärischen und reaktionären Elemente einen faschistoiden Ruf. Nichtsdestotrotz (oder gerade deshalb, wie viele vermuten) erfreute sich "Trigan Empire" auch bei uns großer Beliebtheit und wurde in zahlreichen Albenauflagen nachgedruckt.

In den ersten neun Bänden, dem Zyklus "Die Geschichten von Storm", erzählt Don Lawrence, zusammen mit den Autoren Dick Matena und Kevin Gosnell, von jenen Abenteuern, die Storm und Rothaar während ihrer Flucht und dem anschließenden Versuch, der Ursache jener einschneidenden Veränderungen auf der Erde auf die Spur zu kommen, erleben. Storm und Rothaar gerieten unter anderem in einen Wanderzirkus, wo Storm zum Gladiator ausgebildet wurde, um im Palast des Todes zu kämpfen. Er begegnete einem Wissenschaftler, der eine neue Menschenrasse züchtete, gelangte in eine phantastische, aus mehreren Ebenen bestehende Unterwelt und kämpfte gegen die die Erdenbewohner unterdrückenden Azurier. Der zweite, nicht minder fantastische Zyklus "Chroniken von Pandarve" beginnt mit dem zehnten Band. Die "Chroniken aus der Zwischenzeit", die ab 1998 erschienen, siedelte Autor Martin Lodewijk in Zusammenarbeit mit dem Zeichner John Kelly zwischen Band 6 und Band 7 der ursprünglichen Serie an, in der Storm und Rothaar bei einem vergeblichen Versuch, in sein eigenes Jahrhundert zurückzukehren, in die Zwischenzeit verschlagen werden, in der intelligente Dinosaurier ein Wesen namens Yggdrasil als Gott verehren.

Ab 1989 legte der Ehapa-Verlag zur Freude der deutschsprachigen Fangemeinde die Abenteuer von Storm komplett neu auf, was die Serie auch für Neuleser interessant macht.

Werfen wir beispielhaft einen Blick in "Die Genesis-Formel", das 21. Album des zweiten Zyklus, sowie in den zweiten Band der "Chroniken aus der Zwischenzeit":

Der lebende Planet Pandarve ist einer tödlichen Bedrohung ausgesetzt: Aus den Tiefen des Alls rast ein planetengroßes Bauwerk herbei, das die Umlaufbahn Pandarves unweigerlich kreuzen wird. Storm und seine Freunde, die schon länger damit beschäftigt sind, dieses rätselhafte Gebilde zu untersuchen, um herauszufinden, wie sie es vernichten können, werden von ihrem Widersacher, dem Theokraten Marduk von Pandarve verfolgt. Während einer dramatischen Verfolgungsjagd durch die Tiefen des Bauwerks, das in zahlreiche unterschiedliche Lebensbereiche aufgeteilt zu sein scheint, erleben sie phantastische Abenteuer und lernen einige der Bewohner dieses "Planeten", der eine Art aus den Fugen geratener Nachbau der Erde zu sein scheint, kennen.

Am Ende kommt Storm auch auf eine Spur für die Lösung ihres Problems: Ursprünglich war das entartete Bauwerk eine Art Raumarche, die einen Teil der durch eine Naturkatastrophe heimatlos gewordenen Menschheit zu einem neuen Heimatplaneten führen sollte. Diese Arche war imstande, sich immer wieder selbst zu duplizieren, bis eine der Nachbauten einen neuen Heimatplaneten gefunden hätte. Doch ein Fehler im Computerprogramm - Storm vermutet einen Virus - verhinderte das Abspalten der neu entstandenen Raumarchen. Sie blieben zusammen und formten sich allmählich zu jenem gigantischen Bauwerk. Um die drohende Kollision mit Pandarve zu verhindern, will Storm seinen elektronischen Zwilling (den er seit Band 18, "Die Roboter von Danderzei", hat) hierher überspielen, damit dieser den Virus vernichtet ...

"Das Dallas-Paradox"

"Viele Leser wissen es wahrscheinlich noch nicht, aber es gibt eine Zeit in Storms Astronautenleben, die bisher noch nie beschrieben wurde. Und diese aufregende Periode erzählen wir nun endlich mit den 'Chroniken aus der Zwischenzeit'".

Nachdem Storm, der während eines Forschungsfluges als Astronaut in einen intergalaktischen Wirbelsturm geriet, sich um viele Jahrtausende in die Zukunft versetzt auf einer in die Barbarei zurückgefallenen Erde wiederfand und dort alle Abenteuer erlebte, die in den regulären 21 bisher erschienenen "Storm"-Alben erzählt wurden, will er mit seiner Gefährtin Rothaar eigentlich nur seinen wohlverdienten Urlaub genießen. Doch dazu kommt es auch im zweiten Band der "Chroniken aus der Zwischenzeit" nicht.

Während unser Held im ersten Album dieser Reihe durch neosowjetische Revoluzzer von der anderen Seite der Eisernen Sternenmauer daran gehindert wurde, seinen Ferienfreuden nachzugehen, sieht er sich nun ein weiteres Mal genötigt, seinen Urlaub auf Emanuel-X abzubrechen. Gemeinsam mit Rothaar und einer weiteren Begleiterin reist er durch den Hyperspace zur Erde, wo er im Jahr 1963 auf einen alten Bekannten trifft. Das Roboterwesen "Stahlin" hat sich im Körper des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy eingenistet.

Auch Storm und seine Mitstreiter haben sich - ein Effekt der Zeitkrümmung - miniaturisiert und finden sich am Ende ihrer Hyperreise im Körper eines Menschen wieder. Und dieser Mensch ist kein anderer als die berühmte Marilyn Monroe. Storm weiß, daß nicht mehr viel Zeit bleibt, denn der Filmstar wird heute nacht sterben. Es muß ihnen unbedingt vorher gelingen, in den Körper Kennedys überzuwechseln, um Stahlin zu beseitigen. Denn dieser will das Attentat auf Kennedy verhindern. Das hätte fatale Folgen: Der Lauf der Geschichte würde daraufhin so verändert werden, daß die "Stählernen Revolution" auf ihrem Vormarsch durch das Universum den Sieg davonträgt ...

Mit dieser Story gelang Autor Martin Lodewijk ein ausgesprochen witziges und bei aller Abgedrehtheit in sich logisches Zeitreise-Abenteuer. Man sollte dieses Album jedoch in Ruhe lesen, denn sonst könnten einem einige der Pointen entgehen, was zudem dem Verständnis abträglich wäre. Wer ungewöhnliche und actionreiche SF-Abenteuer liebt, kommt mit dem "Dallas-Paradox" voll auf seine Kosten. Zeichner John Kelly bemüht sich, anfangs noch etwas hölzern, im weiteren Verlauf der Geschichte zunehmend besser, seinen Stil dem des "wahren" Storm-Zeichners Don Lawrence anzugleichen.


27. August 2007