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ANTIQUARIAT/047: "Schattengänger" von Ralf Schlüter (SB)


Ralf Schlüter


Schattengänger

Band 1 "Das Dorf im dunklen Land"



Einmal kommt der Tag, da verlassen wir die Dome und ziehen wieder hinaus in die Welt. Dann, wenn unsere eigene Magie, die Technik, wieder stark genug ist, um die Dunkelheit und ihre Ausgeburten wegzubrennen. Der Mensch wird die Welt wieder beherrschen, so wie früher!

Das Antlitz der Welt hat sich verändert: Seit 300 Jahren ist die Sonne verschwunden, als Folge eines Ereignisses, das die wenigen überlebenden Menschen die "große Verwandlung" nennen. Seither heißt die Welt das "Dunkle Land" und ist nicht länger Lebensraum der Menschen, die in wenigen, weit über das Land verstreuten Festungen wohnen, welche durch einen Wall aus Licht von der Außenwelt abgeschirmt sind. Dort warten sie darauf, wieder die Herrschaft über die Welt antreten zu können.

Zwischen den "Domen", die nichts kirchliches an sich haben, sondern aussehen wie gigantische Fabrikanlagen, zieht nur der "Schattenbrenner" umher, der von den Menschen verehrt und von den Bewohnern des Dunklen Landes gehaßt und gefürchtet wird. Alle fünf bis zehn Jahre kommt er in den Dom und es ist Tradition, daß ihn bei seiner Abreise ein oder zwei Auserwählte begleiten, um von ihm die Geheimnisse des Überlebens im Dunklen Land zu lernen. Diese Wanderer, die einzigen, die den Dom je verlassen, sollen mit ihrem Wissen über das Dunkle Land die Wegbereiter für die Zukunft der Menschen sein.

Einer dieser beiden Auserwählten ist Zachain, mit dem es eine besondere Bewandtnis hat. Schon länger weiß er, daß er anders ist als die anderen und irgendwie nicht wirklich zu ihnen gehört. Im Gegensatz zu ihnen hat er den Dom immer eher als Gefängnis empfunden und nicht als Raum der Sicherheit und Geborgenheit. Und, was noch merkwürdiger ist, er kann sich an den Anblick der Sonne und an ihre Wärme erinnern, was eigentlich unmöglich ist, denn Zachain ist ein junger Mann und die Sonne ist seit über 300 Jahren verschwunden. Da er fühlt, daß auch die anderen ihm etwas verschweigen, behält er das jedoch lieber für sich.

Die Reise - eine Reise in die eigenen, Realität gewordenen Alpträume, wie manche der Dombewohner sagen - nimmt ihren Verlauf. Die beiden Neulinge erkennen schnell, worum es geht: Jeder gegen jeden ist die Devise und nur der grausamere überlebt. Im Schattenbrenner haben sie in dieser Beziehung wahrlich einen guten Lehrmeister. Für ihn sind die Bewohner des Dunklen Landes, die Nachtmahre, Halbwesen, Chiauren, Kindsfänger, Ghouren, die Schwarzen Murotten und wie sie alle heißen, kein Teil der Evolution, ihr Leben ist weniger wert als das eines Wurms und dementsprechend handelt er.

Im Verlauf der Reise erinnert Zachain sich an immer mehr Einzelheiten. Nach einigen schrecklichen Erlebnissen, die er als einziger der drei überlebt, nähert er sich einem Dorf und weiß plötzlich, daß er hier einmal lebte. Er findet das Haus, in dem er geboren wurde und aufwuchs. An der Tür empfängt man ihn mit geheimnisvollen Worten:

... hier drinnen wartet ein vergessenen Leben auf dich. Die Vergangenheit - und auch die Zukunft. Die Welt gehört nicht den Schreckenswesen. Sie sind nur Teil des Ganzen. Und das Dunkle Land ist mehr als nur oberflächlicher Schrecken ... viel mehr ..."

Über den Ursprung der "großen Verwandlung" kann der Leser genau wie Zachain nur spekulieren: Alles deutet auf eine nukleare Katastrophe hin, die damals stattgefunden haben muß. Aber es muß noch etwas anderes mit im Spiel sein, etwas, daß man nicht so leicht einordnen kann. Es gelten nicht mehr die gleichen Naturgesetze, die Wesen der Dunklen Welt lösen sich einfach auf, wenn sie vergehen, und die neuen Herren der Welt verfügen über schwer einzuschätzende, unheimliche Fähigkeiten. Auch Zachain jedoch scheint über Fähigkeiten zu verfügen, die ihn von allen anderen unterscheiden. Er ist als einziger in der Lage, die Schatten der früheren Bewohner, die überall in die Wände der Häuser gebrannt sind, wegzuwischen, und das kann man nur, wenn man selbst Teil dieser Vergangenheit ist ...


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Auf zwei Bände angelegt ist der "Schattengänger". Das düstere Abenteuer nimmt den Leser unwillkürlich gefangen, auch wenn die dichte, bedrückend unheimliche Atmosphäre und die unmenschlichen Grausamkeiten, die jeder gegen jeden austrägt, einem schnell zuviel werden können. Man muß schon etwas für apokalyptische Visionen, Horror und Schreckensphantasien übrig haben, um so richtig Gefallen an diesem Album zu finden. Dann aber ist dem Leser ein nervenkitzelndes Leseabenteuer gewiß, das ihn noch lange beschäftigen wird ...

30. August 2007

Schattengänger (1) "Das Dorf im dunklen Land" Ralf Schlüter Edition Comic Speedline des Thomas Tilsner Verlages, 1998 48 S., Softcover, farbig, Überformat 22,5 x 31,5 cm ISBN 3-910079-38-5


Band 2 trägt den Titel "Labyrinth"