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MARVEL-BROKER/028: Der ultimative SPIDER-MAN 40


Brian Michael Bendis, Mark Bagley


Der ultimative SPIDER-MAN (40)



Hobgoblin! Klappe, die hunderste

Seit nunmehr über vierzig Jahren quält irgendein Goblin nicht nur unseren allzeitbeliebten Spider-Man, sondern auch die Leser, die dabei den schalen Geschmack stetiger Wiederholung kosten müssen. Der erste Goblin war noch grün, als er im Jahre 1964 sein Debüt in der US-Heftserie "The Amazing Spider-Man" Nr. 14 hatte und seitdem den Netzschwinger alias Peter Parker immer wieder heimsuchte.

Spätestens nach dem ersten Spider-Man-Film wissen auch alle neuen Spinne-Fans, daß der Vater von Peters bestem Freund Harry, nämlich Norman Osborn, hinter der Maske des Grünen Kobolds steckte. Während Norman noch ein Superschurke mit Format war, dessen anfängliche Gründe die klassische Bösewichtskarriere nicht nur prägten, sondern auch dem Leser nachvollziehbar erschienen, waren seine Nachfolger doch nur bloße Schatten dieses einst so verheißungsvollen Superschurken. Selbst Norman schwächelte zunehmend in den immer wieder neu variierenden Geschichten mit dem gleichen Grundtenor des schizophrenen Rüstungsmanagers und Firmenbesitzers. Zu guter Letzt war die Luft raus, denn psychisch gestörte Superschurken kommen bei Marvel wie auch bei DC - Arkham läßt grüßen - zuhauf vor, so daß der Grüne Kobold nach seinem Abdanken nicht wirklich vermißt wurde.

Aber der Wahnsinn nahm kein Ende, denn der nächste Grüne Kobold trat in Spideys Leben, und es war kein geringerer als sein Freund Harry Osborn. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, wird so mancher Fan gedacht haben, und doch lag noch ein gewisser Reiz beim Grünen Kobold Junior darin, daß zum einen die ursprüngliche Geschichte weiter ausgebaut wurde und es ein Wiedersehen mit alten Bekannten wie Gwen Stacy gab und zum anderen an dem fast unlösbaren Problem für Peter, seinen Freund Harry helfen zu wollen und dennoch gegen den Kobold kämpfen zu müssen.

Der dritte Grüne Kobold war der behandelnde Arzt Harrys, der Psychiater Dr. Barton Hamilton, der in seinen therapeutischen Sitzungen in Gesprächen mit Harry dessen Geheimnis erfuhr. Doch dieser neue, alte Kobold war nur ein müder Abklatsch des ersten, und auch die vierte Kobold-Generation, vertreten durch Phil Urich, brachte keinen frischen Wind in den abgestandenen Mief, den der Grüne Kobold um sich verbreitete.

Das Unheil nahm seinen weiteren Verlauf! Im Jahre 1983 tauchte dann auch noch der erste Hobgoblin auf, der zunächst in Deutschland unter dem Namen der Gnom lief, aber später den amerikanischen Namen übernahm. Auch hier gab es die diversesten Hobgoblins, die entweder nur kurz die Rolle des Superschurkens inne hatten oder aus Ablenkungsgründen vom "wahren" Schurken als Täter präpariert und präsentiert wurden, als da waren Ned Leeds, der Ehemann von Peters früherer Freundin Betty Brant, oder Flash Thompson, ein Mitschüler Peter Parkers und einer der größten Fans von Spider-Man. Auch Jason Macendale, den Fans ehemals als kostümierter Söldner Jack O'Lantern bekannt, reihte sich in die lange Liste der "Gnome" ein, doch als der wahrscheinlich wahre Hobgoblin entpuppte sich ein Kerl namens Roderick Kingsley, der eiskalt und berechnend zu Werke ging und von der Gefahr wußte, daß die Experimente, die den Grünen Kobold schufen, auch zum Wahnsinn führten. Roderick blieb innerhalb des ganz normalen Alltags-Wahnsinns und wurde schließlich von der Spinne geschnappt und enttarnt.

Im Februar 1989 trafen dann beide Protagonisten aufeinander. Der Grüne Kobold und der Hobgoblin bekämpften sich ausnahmsweise einmal untereinander, um zu klären, wer von ihnen der böseste unter den Superschurken wäre. 1993 starb dann Harry Osborn, aber leider nicht der Grüne Kobold. Denn Norman Osborn, der mittlerweile aus seinem Grab auferstanden war, drehte das alte Kobold-Karrussel weiter und immer weiter. Es bleibt niemals stehen, egal ob es der Hob-, der Grüne oder gar der Graue Goblin ist.

Zu Beginn des neuen Jahrtausends probierten die Marvel- Verantwortlichen mit dem Mut der Verzweiflung neue Konzepte aus, um die seit Mitte der 90er Jahre ständig im Sinken begriffenen Verkaufszahlen zu stabilisieren. Dafür mußte das Flaggschiff Spider-Man fit gemacht werden, zum einen, um ihm eine moderne Erneuerung zu verpassen, und zum anderen, um die Kosten der monatlichen Flut von Spider-Man-Heften überschaubar zu halten. Deshalb wurde "Sensational Spider-Man" und "Spectacular Spider- Man" eingestellt, während "Amazing Spider-Man" und "Peter Parker, Spider-Man" neu gestartet wurden. Unter dem "Relaunch" traten alte Schurken in neuen Gewändern auf - und wer durfte auch da nicht fehlen? Der Grüne Kobold.

Da der "Relaunch" nicht gerade wie eine Bombe einschlug, sondern sich eher wie ein laues Lüftchen im Wintersturm verhielt, wollten die Marvel-Macher die Chance nutzen, die der große Spider-Man- Kinofilm mit sich bringen sollte, um den Netzschwinger neu zu kreieren, damit er den Geschmack der heutigen Generation träfe. Und da mußte man bis in die Anfänge von Spidey gehen und diese einer Generalerneuerung unterziehen.

Unter dem Namen "Ultimate Spider-Man 1" schuf vor gut fünf Jahren, im Oktober 2000, der damals noch unbekannte Autor Brian Michael Bendis in Zusammenarbeit mit "Marvels President of Publishing an New Media", Bill Jemas, das erste US-Heft und hauchte damit der neuen Ultimate-Serie das Leben ein. Bereits im Mai 2001 erschien in Deutschland die erste Ausgabe von DER ULTIMATIVE SPIDER-MAN und löste auch hier bei uns einen neuen Boom unter den alten wie auch neuen Spinne-Fans aus.

In der ersten Ausgabe, mit der Storyline "Kraft und Verantwortung", die das Ultimative Universum bei Marvel schuf, erzählte Brian M. Bendis Stan Lees klassische Geschichte um die Entstehung Spider-Mans neu, transformierte die altbekannte Geschichte und stellte sie in einen modernisierten Kontext. Es war durchaus ein gewagtes wie auch gelungenes Unterfangen, was der große Erfolg eindrucksvoll unterstrich, denn die alte Comicserie unseres klassischen Marvelhelden neu interpretiert und ohne den Ballast einer 40jährigen Geschichte, löste unter den Netzschwinger-Fans ein positives Echo aus und machte sie auch neuen Lesern zugänglich. "Ultimate Spider-Man" stellte damit auch einen möglichen Einstieg in die Comic-Welt des Wandkrabblers für all diejenigen dar, die ihren Erstkontakt mit dem Helden im großen Kinofilm "Spider-Man" hatten.

Bei all der Freude über das Ultimate Universum, das nun schon fast fünf Jahre "jung" ist, bleibt auch hier ein Wermutstropfen übrig: alle Arten von Goblins haben den Übergang überlebt. Nach dem Grünen Kobold der ersten Hefte - wer könnte es anderes sein als Norman Osborn? -, haben wir es nun in der aktuellen Ausgabe wieder einmal mit seinem Sohn Harry zu tun.

Harry, der nach einer Psychotherapie wieder zurück an seine Schule gekommen ist, hofft nun ein normales Leben führen zu können. Doch es kann der Friedlichste nicht in Ruhe leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Der üble Shaw, seinerseits Handlanger Norman Osborns, will seinen Arbeitgeber aus der Haft bei SHIELD befreien. Unklar bleibt, wie er das mit Hilfe des zu einem neuen Kobold-Monster mutierten Harry bewerkstelligen will - denn der läuft unterdessen in Manhattan Amok. Die Spinne versucht ihn aufzuhalten, und nachdem sie ihm schwer zusetzt, scheint Harry, der sich nur äußerlich zum Monster verwandelt hatte, aber innerlich der Teenager geblieben war, aufzugeben. Da er nicht ein Leben wie sein Vater führen will, bittet er die Spinne, von der er weiß, daß sie sein Freund Peter ist, ihn zu töten. Wird Peter diese einmalige Möglichkeit nutzen, sich des Hobgoblins zu entledigen?

Die Spinne hat zwar jetzt die Chance, einen Goblin aus dem Ultimate Universum zu verbannen, doch Norman-Kobold würde weiterhin erhalten bleiben. Und da Harry sein Freund ist, werden die Dinge wie bisher weitergehen, d.h. viele Kobolde werden wie in der klassischen Serie auch im Ultimativen Universum ihr Unwesen treiben, so daß auch die neu eingestiegene Leserschaft sich ihrer erfreuen kann. Und alle wahren Fans der Kobolde kommen auf ihre Kosten, gibt es sie doch jetzt sogar im Doppelpack: klassisch und ultimate.

Euer Marvel-Broker


Autor: Brian Michael Bendis
Zeichner: Mark Bagley
Der ultimative SPIDER-MAN (40)
Panini, Stuttgart, November 2005
52 Seiten, farbig, Softcover
Kleinformat, Euro 4,00