Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → FAKTEN

SPRACHE/466: "Türkische Powergirls" - Lebenswelt und Sprache (idw)


Institut für Deutsche Sprache - 19.04.2007

Die "türkischen Powergirls" - Lebenswelt und Sprache

Studie am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim


Einen umfassenden Einblick in die Lebenswelt, die soziale Orientierung und das Ausdrucksverhalten junger Migrantinnen in Mannheim bietet eine von Inken Keim am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim (IDS) vorgelegte Fallstudie. Die "türkischen Powergirls", wie sie sich selbst nennen, widerlegen alle Stereotypen über junge Türkinnen in Deutschland.

"Ich denke die Türken hier in Deutschland sind weder wie die Türken in der Türkei noch wie die Deutschen in Deutschland. Des is, glaube ich, eh irgendetwas neues, was ganz anderes", so die Selbsteinschätzung einer jungen Migrantin. Einen umfassenden Einblick in die Lebenswelt, die soziale Orientierung und das Ausdrucksverhalten junger Migrantinnen in Mannheim bietet eine von Inken Keim am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim (IDS) vorgelegte Fallstudie. Die "türkischen Powergirls", wie sie sich selbst nennen, widerlegen alle Stereotypen über junge Türkinnen in Deutschland. Sie sind Kinder ehemaliger "Gastarbeiter", teilweise haben die Mütter keinen Schulabschluss, sie sind in einem typischen Migrantenwohngebiet in Mannheim aufgewachsen und haben trotz sehr schwieriger Lebensumstände höhere Schul- und Hochschulabschlüsse erreicht. Ihr Leitbild ist es, "frei zu leben", sie geben sich frech, flippig und modern. Sie wehren sich gegen stereotype Ausgrenzungen, die sie von deutscher und türkischer Seite erfahren. Sie verstehen sich weder als "Deutsch" noch "Türkisch", sondern haben ein neues eigenständiges Selbstbild und einen eigenen Kommunikationsstil entwickelt. Die Studie beschreibt diesen Stil, den derb-drastischen Umgangston, den schnellen Wechsel zwischen Deutsch und Türkisch und rhetorisch äußerst effektive deutsch-türkische Mischungen. Die Powergirls bezeichnen diese Mischungen als "ihre Sprache" und verwenden sie als Symbol für ihr Selbstverständnis jenseits ethnischer Kategorien. Außerdem sprechen die Powergirls dialektales Türkisch, regionales und ethnolektales Deutsch und vor allem auch Standarddeutsch. "Man muss eine Vertrautheit aufbauen und über einen langen Zeitraum (im aktuellen Fall vier Jahre) am Alltag dieser Mädchen teilnehmen", so Inken Keim, "damit man durch Audio- und Videodokumentationen natürlicher Gespräche und durch Interviews die Komplexität ihrer Lebenswelt erfassen und beschreiben kann."

Die Studie macht deutlich, mit welchen Problemen die Mädchen auf ihrem Weg aus der Welt der Migrantengemeinschaft in die Welt der deutschen Bildungsinstitutionen zu kämpfen haben, welche Lösungen sie dabei entwickeln und mithilfe welcher Vorbilder ihnen der soziale und berufliche Erfolg gelingt.

Außer für soziolinguistisch und ethnographisch interessierte Linguistinnen und Linguisten ist die Studie auch interessant für alle, die in Politik, Bildung und Erziehung mit Migrantenkindern und -jugendlichen befasst sind, und für alle, die mehr über junge Migrantinnen jenseits der Klischees erfahren möchten.

Das Institut für Deutsche Sprache (IDS) ist die zentrale außeruniversitäre Einrichtung zur Erforschung und Dokumentation der deutschen Sprache in ihrem gegenwärtigen Gebrauch und in ihrer neueren Geschichte http://www.ids-mannheim.de. Das IDS ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören 83 außeruniversitäre Forschungsinstitute und Serviceeinrichtungen für die Forschung.

Näheres unter: http://www.leibniz-gemeinschaft.de

Keim, Inken (2007):
Die "türkischen Powergirls".
Lebenswelt und kommunikativer Stil einer
Migrantinnengruppe in Mannheim.
498 S. - Tübingen: Narr, 2007.
(Studien zur deutschen Sprache 39)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution115


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Institut für Deutsche Sprache, Dr. Annette Trabold, 19.04.2007
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. April 2007