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SPRACHE/680: Texte vom Rande der islamischen Welt (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 14.12.2009

Texte vom Rande der islamischen Welt

Islamwissenschaftler der Universität Jena erforscht arabische Handschriften aus China


Jena (14.12.09) Bücher in arabischer Sprache werden nicht nur in den Kernländern der islamischen Welt verfasst und gelesen. "Die islamische Kultur und die von ihr geheiligte Sprache - das Arabische - sind bis weit nach Zentralasien verbreitet, etwa in China", weiß PD Dr. Florian Sobieroj von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Allerdings: Die lange islamische Tradition in China fristet bis heute eher ein Schattendasein. "Die Islamwissenschaft konzentriert sich vorwiegend auf Arabien, Persien und die Türkei, und in der Sinologie wiederum spielt die islamische Kultur nur eine geringe Rolle", macht Dr. Sobieroj deutlich. Der Islamwissenschaftler ist einer von nur wenigen Forschern in Deutschland, die sich Handschriften aus dieser "Peripherie der islamischen Welt" widmen. In einem aktuellen Forschungsprojekt untersucht Sobieroj gemeinsam mit chinesischen Kollegen islamische Handschriften aus dem Nordwesten Chinas.

Neben den muslimischen Uiguren, die eine dem Türkischen verwandte eigene Sprache sprechen, leben in China weit über 10 Millionen Hui-Chinesen. "Sie sind chinesisch-sprachige Muslime, die vorwiegend in der Provinz Gansu leben", so Sobieroj. Zum kulturellen Erbe der Hui-Minorität, die sich auch in anderen Regionen Chinas wie etwa in "Yunnan" im Südwesten sowie in zahlreichen Großstädten des Vielvölkerstaates niedergelassen haben, zählen ihre islamischen Bibliotheken mit Handschriften und gedruckten Büchern. "Doch große Teile dieses kulturellen Erbes sind den Verwüstungen während der ,Großen proletarischen Kulturrevolution' von 1966 bis 1976 zum Opfer gefallen", bedauert der Jenaer Islamwissenschaftler. Dennoch bestehe bis heute eine islamische Manuskriptkultur. "Es gibt zahlreiche Handschriften in den Islamsprachen Arabisch und Persisch im Besitz von Privatpersonen", ist sich Sobieroj sicher. Vor allem Imamen - den sogenannten Ahongs - und Scheichen der Sufi-Orden sei es häufig gelungen, ihre bibliophilen Schätze vor den Roten Garden in Sicherheit zu bringen.

Dr. Sobieroj will nun einige der verborgenen Schätze im Reich der Mitte heben. Gemeinsam mit Kollegen des Instituts für Hui- und Islamstudien der Ningxia Akademie für Sozialwissenschaften möchte er bisher unbekannte Schriften der noch vorhandenen Handschriftenbestände sichten und katalogisieren. Während eines vorbereitenden Forschungsaufenthalts im Sommer 2009 konnte Sobieroj bereits einige Sammlungen inspizieren, so zum Beispiel in einigen Sufi-Klöstern bei Linxia in der Provinz Gansu sowie in Yinchuan, der Hauptstadt der "autonomen Region" Ningxia. Während seiner Reise hat der Islamwissenschaftler rund 50 Texte in Augenschein genommen und fotografiert, die er derzeit im Jenaer Institut auswertet.

Dabei hat der Forscher der Uni Jena bereits erste interessante Erkenntnisse gewonnen. So unterscheide sich die arabische Schrift der chinesischen Muslime deutlich von der in den arabischen Kernländern verwendeten. "Einzelne Dukten weisen Einflüsse der chinesischen Schriftzeichen auf", berichtet Sobieroj. Die Enden einiger Buchstaben, die insgesamt ein rundes und fließenderes Aussehen haben, verjüngen sich in der Finalstellung: Die "Füße" sind dick, die "Gelenke" schmal. Auch inhaltlich seien die Texte aufschlussreich. "Einige der Schriften, die in China verfasst wurden, transportieren das Gedankengut einer besonderen islamischen Mystik, die eine enge Verbindung mit der neo-konfuzianischen Philosophie belegt." Bemerkenswert sei schließlich noch, dass die Sufiorden die Kulturrevolution überlebt haben.

Im kommenden Sommer plant Dr. Sobieroj einen weiteren Aufenthalt in China. Dann möchte er mit den chinesischen Kollegen zusammen eine repräsentative Gruppe von islamischen Handschriften aus einem Sufi-Kloster im südlichen Ningxia erforschen und beschreiben.

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Dr. Ute Schönfelder, 14.12.2009
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Dezember 2009