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SPRACHE/718: Beidbenennungen schaffen Sympathie, Maskulina Distanz (idw)


University of Gothenburg, Helena Aaberg, 04.10.2010

Beidbenennungen schaffen Sympathie, Maskulina Distanz


Im Deutschen werden Beidbenennungen verwendet, um Nähe und Sympathie gegenüber bezeichneten Personen zum Ausdruck zu bringen oder um alle Leser und Leserinnen mit einzubeziehen. Maskulina schaffen dagegen Distanz. Dies zeigt eine neue Dissertation im Fach Germanistik der Universität Göteborg.

Man stelle sich einmal vor, dass alle weiblichen Lehrer als "Lehrerinnen" tituliert werden -, oder dass alle weiblichen Ärzte als "Ärztinnen" bezeichnet werden. Genau verhält es sich ja im Deutschen: Frauen sind sprachlich feminin, Männer sprachlich maskulin. Alles, die Deutsch sprechen, stehen daher vor Problemen, wenn es gilt, eine Gruppe anzusprechen, die aus Männern und Frauen besteht.

"Dies ist ein heikles Thema, nicht nur für Sprachwissenschaftler und Sprachwissenschaftlerinnen, sondern für alle, die Deutsch sprechen. Nicht zuletzt, weil diese Thematik mit der Frage verknüpft ist, wie man Frauen in der Sprache und damit in der gesamten Diskussion über Gleichberechtigung sichtbar machen will", so der Autor der Dissertation, Magnus Pettersson, Doktorand am Institut für Sprachen und Literaturen.

Eine Möglichkeit besteht darin, ausschließlich Maskulina zu verwenden, beispielsweise "der Student" oder "der Lehrer". Die maskuline Form erhält dabei eine allgemeine, angeblich geschlechtsneutrale Bedeutung. Viele sind jedoch der Meinung, dass das Maskulinum Frauen sprachlich zur Unsichtbarkeit verdammt und somit diskriminiert. Deshalb haben Sprachwissenschaftler und Sprachwissenschaftlerinnen Doppelformen des Typs "der Lehrer und die Lehrerin" vorgeschlagen. Solche feministischen Formen werden in der deutschen Schriftsprache parallel zu maskulinen und neutralen Formen verwendet, wo man darauf verzichtet, das Geschlecht zu markieren.

Magnus Pettersson hat die Variation solcher Bezeichnungsstrategien genauer untersucht, vor allem in feministischen Magazinen wie "Emma", wo Verdoppelungen als politisch korrekt gelten und folglich intensiv genutzt werden, aber auch in anderen modernen Texttypen.

"Es zeigt sich, dass nicht einmal Feministinnen und Feministen konsequent sind. Es rutschen einzelne maskuline Formen durch, und vor allem häufig dann, wenn es sich bei den bezeichneten Personen um Personengruppen handelt, die auf die eine oder andere Weise stereotyp männlich sind, oder wenn man von ihnen bewusst Abstand nehmen will."

Auf diese Weise werden Maskulina im feministischen Zusammenhang Marker für Abstand und Reservation. Ein weiteres Ergebnis sind Verdoppelungen, die zur Ansprache bestimmter Gruppen genutzt werden, beispielsweise "Liebe Leserinnen und Leser".

"Hier spricht man Männer und Frauen explizit an, da die angesprochenen Leser und Leserinnen sich eingeschlossen fühlen sollen, unabhängig davon, ob es sich um Männer oder Frauen handelt. Dagegen kann man problemlos im gleichen Text Maskulina verwenden, wenn diese sich auf gemischte Gruppen beziehen. Das sprachliche Genus-Bewusstsein ist also in der Praxis abhängig von kommunikativen Faktoren, den Absichten der Autoren und Autorinnen und vom jeweiligen Texttyp." Die Dissertation von Magnus Petterssons ist möglicherweise die erste, die sich der Anwendung des Genus bei deutschen Personenbezeichnungen auf der Grundlage einer beschreibenden textanalytischen Perspektive nähert.

"Viele Forscherinnen und Forscher, die sich dieser Thematik widmen, tun dies mit einer klaren sprachpolitischen Ansicht. Sie wollen deutlich machen, wie es sein sollte, z. B. dass maskuline Sprachformen, die sich auf Frauen beziehen, eine Unart sind. Daran bin ich nicht interessiert. Sprachforschung verfolgt in erster Linie das Ziel, den Zustand der Dinge zu beschreiben, nicht normativ festzulegen, was richtig oder falsch ist."

Titel der Dissertation:
Geschlechtsübergreifende Personenbezeichnungen im Deutschen. Eine Referenz- und Relevanzanalyse an Texten.

Autor der Dissertation:
Magnus Pettersson

Link zur Dissertation: http://hdl.handle.net/2077/22454

Fakultätsopponent: Prof. Jürgen Schiewe, Institut für Deutsche Philologie, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Die Dissertation kann ausgeliehen werden und ist auch über den Autor verfügbar.

Weitere Informationen unter:
http://hdl.handle.net/2077/22454

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution1327


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
University of Gothenburg, Helena Aaberg, 04.10.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Oktober 2010