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SPRACHE/963: Institut für Deutsche Sprache in Mannheim untersucht Alltagssprache 1933 bis 1945 (idw)


Institut für Deutsche Sprache - 21.02.2018

Institut für Deutsche Sprache in Mannheim untersucht Alltagssprache 1933 bis 1945. Neues Projekt


Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert für drei Jahre ein neues Projekt am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim (IDS) im Arbeitsbereich "Sprachliche Umbrüche des 20. Jahrhunderts". Unter dem Titel "Sprachliche Sozialgeschichte 1933 bis 1945" untersucht ein von Prof. Dr. Heidrun Kämper geleitetes Arbeitsteam den alltäglichen Sprachgebrauch der NS-Zeit und schließt somit eine sprachgeschichtliche Forschungslücke.

Gut untersucht sind Rhetorik und Wortschatz der Funktionsträger des NS-Staats und wie Hitler und Goebbels geredet und geschrieben haben. Wenig ist aber bisher über die Alltagssprache in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen bekannt. Es fehlt bis heute eine nach Sprecherperspektiven sozialgeschichtlich unterscheidende Gesamtdarstellung der Jahre 1933 bis 1945. Diese Gesamtdarstellung soll berücksichtigen, dass die Kommunikationsgemeinschaft dieser Jahre aus heterogenen Teil-Gemeinschaften mit unterschiedlichen Erfahrungs- und Wahrnehmungshorizonten bestand, die ein je spezifisches Selbstverständnis hatten, mit dem sie (sprachlich) agierten.

An dieser Überlegung setzt das Projekt an. Es unterscheidet die Teil-Gesellschaften NS-Apparat, integrierte Gesellschaft (also diejenigen, die Teil der sog. "Volksgemeinschaft" waren) und Ausgeschlossene (also diejenigen, die zu "Gemeinschaftsfremden" erklärt wurden: Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Sozialisten und Kommunisten usw.). Diese unterschiedlichen Akteure und ihre Weltsichten stehen im Zentrum der

Forschung. Daraus ergeben sich z.B. folgende Fragen:
• Inwieweit ist es den Nationalsozialisten gelungen, ihre Denkmuster und Sprachformeln in die breiten Schichten der Gesellschaft zu tragen?
• Haben diejenigen, deren Haltung in vollkommener Zustimmung zum Nationalsozialismus bestanden hat, das auch sprachlich reproduziert, was der NS-Apparat vorgegeben hat?
• Wie haben diejenigen, die dem Nationalsozialismus kritisch gegenüberstanden, ohne dem Widerstand anzugehören, ihre Opposition (mehr oder weniger verdeckt) ausgedrückt?
• Welche Ausdrucksmöglichkeiten finden die Ausgeschlossenen, um die gesellschaftliche kommunikative Ethik, die die Nationalsozialisten aufgekündigt haben, zu bewahren oder mit neuen Denk- und Deutungsmustern zu versehen?

Grundlage des Projekts ist eine umfassende Datenbank, die entsprechende Texte (Reden, Briefe, Tagebücher, Predigten, Flugblätter, Berichte, literarische Texte etc.) in digitalisierter Form enthält und zur Recherche nach unterschiedlichen Fragestellungen bereitsteht.

"Mit diesem Projekt wird eine seit Langem festgestellte sprachgeschichtliche Forschungslücke geschlossen", freut sich Projektleiterin Prof. Dr. Heidrun Kämper. Es besteht eine Kooperation mit der Universität Paderborn, wo "Widerstandskulturen zwischen 1933 und 1945" untersucht werden.


Das Institut für Deutsche Sprache (IDS) ist die zentrale außeruniversitäre Einrichtung zur Erforschung und Dokumentation der deutschen Sprache in ihrem gegenwärtigen Gebrauch und in ihrer neueren Geschichte. Es gehört zu den 93 Forschungs- und Serviceeinrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft.

Näheres unter:
www.ids-mannheim.de
www.facebook.com/ids.mannheim
www.leibniz-gemeinschaft.de

Weitere Informationen unter: http://www1.ids-mannheim.de/lexik/sprachlicherumbruch.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution115

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Institut für Deutsche Sprache, Dr. Annette Trabold, 21.02.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2018

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