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FILMKRITIK/001: Der König von Narnia * Fantasy-Abenteuer (SB)


Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia


(Chronicles of Narnia: The Lion, the Witch & the Wardrobe)

Fantasy-Abenteuer nach dem Roman von C. S. Lewis



Schon seit ein paar Wochen hatte ich mich darauf gefreut, im Kino den ersten Teil der "Chroniken von Narnia", "Der König von Narnia", zu sehen. Wie viele andere Leute auch bin ich mit diesem Kindermärchen aufgewachsen und ging mit entsprechend hohen Erwartungen in die Vorstellung.

Leider war zumindest dieser erste Teil der von Andrew Adams verfilmten Trilogie in mehreren Punkten enttäuschend. Da bereits in einigen Artikeln, Kritiken und Making Of Ausschnitten darauf herumgeritten wurde, wie fantastisch die Special Effects seien, fange ich bei diesem Punkt an. Besonders der Löwe Aslan, aber auch die animierten Biber mögen recht perfekt ausgearbeitet sein, doch es fehlt ihnen an Persönlichkeit. Gerade für einen Kinderfilm finde ich es wichtig, daß darin echte Identitäten geschaffen werden, Bezugspersonen, welche die Kinder liebhaben oder verabscheuen können und solche, mit denen sie mitleiden, wenn ihnen etwas Schreckliches passiert. Weder Aslan noch die Biber bieten eine solche Identifikationsfläche, dafür sind sie einfach zu glatt. Dasselbe gilt für den Fuchs und die Wölfe. Die Mimik dieser Tiere ist vorhersehbar, wiederholt sich zu oft und vermag daher nicht zu fesseln. Hinzu kommt, daß in den Gesprächssituationen, wo die Gesichter der Tiere länger zu sehen sein sollten, zu hektische Schnitte einen ausgiebigen Blickkontakt verhindern. Ständig wird die Perspektive gewechselt und ich bekam den Eindruck, daß die computergenerierten Gesichter einem nachhaltigen Blickkontakt nicht standhalten könnten. Es gibt bei diesen glatten, animierten Gesichtern nichts zum Festhalten, sie zerfließen eher bei genauem Hinsehen.

Obwohl die computergenerierten Figuren in anderen Filmen von Andrew Adamson wie z.B. in Shrek und Shrek2 gut funktionieren, finde ich nicht, daß man diese Werke des Regisseurs mit seinem Neuesten in dieser Hinsicht vergleichen kann. Ich komme darauf, weil in mehreren Artikeln die Eignung des Andrew Adamson als Regisseur für "Der König von Narnia" an diesen vorangegangenen Produktionen festgemacht wurde, besonders, was die animierten Figuren betrifft. Bei Shrek kommt es im wesentlichen auf die witzigen Dialoge und die mitreißenden sozialen Interaktionen zwischen den Charakteren an, welche wirklich gut gelungen sind. Daß die computergenerierten Figuren nicht total natürlich oder echt wirken, stört dabei nicht und scheint auch nicht zwingend beabsichtigt zu sein.

Narnia hingegen hat einen eher düsteren und getragenen Hintergrund. Hier wurde daran gearbeitet, die Fabelwesen und Tiere möglichst echt wirken zu lassen, besonders bei Aslan. Meiner persönlichen Meinung nach wäre dem Film besser mit mehr Kostümen, Masken und sogar Puppen gedient gewesen. Ich weiß nicht, wie Kinder heute sehen, aber mir fehlten einfach prägnante Gesichtszüge, Unregelmäßigkeiten, Anhaltspunkte für einen Charakter hinter der Fassade.

Eine Geschichte wie die von Narnia braucht gute Geschichtenerzähler und keine krampfhaft witzigen "Ehepaardialoge" zwischen zwei Bibern oder leere Phrasen von einem Königslöwen, die als tiefgängige Dialoge mit den Kindern hingestellt werden.

Einzig die Identifikation mit Tumnus, dem Faun, gelingt zu Anfang ganz gut. Ihm nimmt man die Freundschaft zu der kleinen Lucy und seine Reue nach ihrer mißglückten Entführung ab. Auch die Eishexe Jadis hat einen ganz guten Start im Film. Als sie Edmund auf ihre Seite zieht, ihn mit Süßigkeiten gefügig macht, fühlte ich mich einen Moment lang an die ursprüngliche Geschichte erinnert und dachte: "Ja, genau so war es." Leider wirkt die Hexe im Laufe des Films immer menschlicher bis hin zu der Szene, in der sie Aslan erdolcht und sie schon fast lächerlich erscheint. Das ganze Ritual mit dem Dolch, den in Trance tanzenden Zwergen und Minotauren gleicht einem schlecht gestellten Dokumentarfilm über Opferbräuche irgendwelcher Naturvölker. Die Hexe selbst strahlt keine Macht aus, sie flößt keine Furcht ein, wechselt weder Stimme noch Auftreten in besonderer Weise. Und das, obwohl sie laut der Schauspielerin Tilda Swinton doch das personifizierte Böse darstellen soll. Sie macht eher den Eindruck einer zickigen, infantilen und ständig eingeschnappten Frau, der ihr Thron unter dem Hintern wegschmilzt. Keinesfalls wirkt sie wie jemand, der in der Lage ist, einen hundertjährigen Winter auszulösen, geschweige denn ein ganzes Land so lange zu beherrschen.

Schließlich hat der Film insgesamt ein Tempo, in dem viel zu schnell von Winter zu Frühling gewechselt wird. Die Macht des Winters ist gebrochen, ehe man sie richtig wahrgenommen hat, alles wird gut, bevor es überhaupt wirklich schlimm wurde. Das ergibt alles in allem keine überzeugende Vorstellung, gerade bei einem Kinderfilm könnten die Ansprüche gerne etwas höher geschraubt werden.


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Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia
(Chronicles of Narnia: The Lion, the Witch & the Wardrobe)
Fantasy-Abenteuer nach dem Roman von C. S. Lewis
USA Dezember 2005
Regie: Andrew Adamson
Darsteller: Tilda Swinton, James McAvoy



Erstveröffentlichung am 18. September 2006


15. November 2007