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BUCHTIP/1239: Der Falke - Taschenkalender für Vogelbeobachter 2018 (SB)



Gezielt Zeit für Vogelbeobachtungen einzuplanen oder einfach nur öfter einmal den Blick, etwa aus dem Zugfenster heraus, gen Himmel auf die Welt unserer gefiederten Mitgenossen zu richten, das rät Chefredakteur Dr. Norbert Schäffer im Vorwort des neuen Der Falke-Taschenkalenders für Vogelbeobachter 2018.

Gründe gibt es genug, diesem Rat Folge zu leisten, gibt es doch in der Vogelwelt immer noch Neues zu entdecken, längst nicht nur in puncto Artbestimmung, sondern auch, was Werkzeuggebrauch, das soziale Mit- oder Gegeneinander, die Kommunikation oder ihre für uns Menschen oft "überraschende" Intelligenz anbelangt. Zudem können Abweichungen im Verhalten und das Auftauchen von zugezogenen Vogelarten ein Indikator für klimatische oder durch Agrarindustrie ausgelöste Veränderungen in der Umwelt sein.

Wie jedes Mal bietet der Kalender 2018 für Vogelfreunde allerhand Tips, Anregungen und Unterstützung, das Gesehene zu deuten und einzuordnen. Um tatsächlich etwas besonderes zu entdecken, dafür bedarf es allerdings einen genauen Blick, das nötige Basiswissen und wohl auch ein gerüttelt Maß an Glück, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein.

So entdeckte man beispielsweise jüngst beim Kuckuck (ein Bild von ihm ziert dieses Jahr die Titelseite des Kalenders), daß er, nicht nur, wie sattsam bekannt, seine Eier in fremden Nestern unterbringt, sondern brütende Teichrohrsänger zudem mit Rufen, die denen eines Sperbers gleichen, ablenkt. Der Sperber ist einer der natürlichen Feinde vieler Wirtsvogelarten, die Kuckuckseier ausbrüten. Wie Wissenschaftler im Fachblatt Nature Ecology & Evolution veröffentlichten, verschafft sich der Kuckuck dadurch die Zeit, sein Ei ins fremde Nest zu legen und die Teichrohrsängerjungen herauszustoßen.

Offenbar ist es nicht der Mensch allein, der immer neue Wege ersinnt, es sich zu Lasten anderer leichter zu machen. Wie aber ist der Kuckuck auf eine solche Idee gekommen? Hat er sich auf einem Zweig niedergelassen und diesen Plan sozusagen über Nacht"ausgebrütet"? Und: Hat er den Ruf des Sperbers dann vielleicht sogar heimlich "im stillen Kämmerlein" geprobt, bevor er damit in die Praxis übergeht? Fragen, die einmal mehr deutlich machen, wie wenig man sogar über den Kuckuck weiß. "Eigentlich, so nehmen viele von uns an, eine der bekanntesten und am besten erforschten Vogelarten überhaupt". [...] "Genauer betrachtet bestehen aber noch immer große Kenntnislücken hinsichtlich der Biologie und Ökologie unseres Kuckucks", [S. 3] meint auch Dr. Norbert Schäffer über diesen Brutparasiten.

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Immer wieder praktisch sind die übersichtlich in Wort und Bild präsentierten Vogelbeobachtungsplätze in Deutschland, wichtige Adressen von Vogelschutzwarten, Naturschutzbehörden, Vereinen und Verbänden etc., eine Beobachtungsliste mit Platz für eigene Eintragungen, dazu die über knapp zwanzig Seiten aufgelisteten Artennamen (einschließlich der Neozoen). Hier findet man den offiziellen deutschen, englischen und französischen Trivialnamen ebenso wie die wissenschaftliche Bezeichnung der Vögel.

Ebenfalls nützlich ist zudem der aktualisierte Zugvogelkalender, in dem die Anwesenheit der wichtigsten Brutvögel, Durchzügler und Wintergäste graphisch übersichtlich aufgezeigt sind. So weiß auch der nicht so versierte Vogelbeobachter, wann welche Population wo zu erwarten ist. Wer die Falken-Kalender schon über Jahre bezieht, kann darüber hinaus ersehen, wo über einen größeren Zeitraum Veränderungen im Zugverhalten auftreten.

Seit einigen Jahren gibt es dazu auch noch einen Gesangskalender, der von Januar bis Dezember die gesangliche Aktivität der Vögel graphisch darstellt. Der Begriff "Gesang" wird laut Redakteur H.J. Fünfstück aufgrund seiner Funktion als Abgrenzung und Anlockung des Weibchens auch als "Reviergesang" bezeichnet, die Rufe zum Beispiel in Kontakt-, Zug-, Bettel- und Warnrufe unterteilt [S. 167]. Doch beschränken solch festgelegte "Schubladen" nicht die eigentlich weit größere Bandbreite an sprachlichen Möglichkeiten eines Vogels? Macht nicht der oben beschriebene Sperberruf des Kuckucks deutlich, daß sie mehr können, als reflexartig auf Außenreize oder inneren Trieben folgend Töne von sich zu geben?

Auch für Nicht-Vogelkundler liefert dieses handliche Büchlein neben der Jahresübersicht und dem Kalendarium mit Platz für Notizen noch allerhand verspielte kalendarische Details wie einen "Immerwährenden Kalender", der dem Interessierten eine Möglichkeit bietet, von 1901 bis 2036 den Wochentag eines jeden gewünschte Datums auszurechnen. Dazu gibt es einen Pentadenkalender - d.h. ein Kalender, welcher Fünf- Tage-Wochen (= Pentaden) als Haupteinheiten verwendet und sich somit nicht in 52 Wochen sondern 73 unterteilt. Wozu, das hat sich dem Rezensenten bis jetzt noch nicht erschlossen. Die obligatorische Schulferien- und Feiertagsübersicht sind auch für unsere alpinen Nachbarn Österreich und die Schweiz vorhanden.

Bleibt schlußendlich noch als großes Plus die vielen wunderbar gelungenen Vogelaufnahmen meist von heimischen Arten wie Buchfink, Rabenkrähe, Star und viele andere mehr zu erwähnen und als kleines Minus die im Vergleich zu den vorjährigen Falke-Kalendern geringere Anzahl inhaltlicher Textbeiträge über Vogelkundler, Alltagserfahrungen und Berichte aus der Welt der Ornithologen. Liefern sie doch dem Laien viele Anhaltspunkte und Anregungen, ihr Interesse zu vertiefen.

Der Falke-Taschenkalender für Vogelbeobachter 2018
AULA-Verlag Wiebelsheim 2017
256 Seiten, 7,90 EURO
ISBN 978-3-89104-813-9

24. Oktober 2017


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