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BERICHT/058: Klingende Worte in der Forschung (Freiburger Uni-Magazin)


Freiburger Uni-Magazin - 3/Juni 2007

Klingende Worte in der Forschung
Einzigartige Professur für "Literatur und Musik" in Freiburg

Von Annette Persch


Auf den ersten Blick scheinen die Künste Literatur und Musik eigenständig zueinander zu stehen. Doch bei genauerer Betrachtung fallen Gemeinsamkeiten und enge Zusammenhänge auf. Das Deutsche Seminar der Freiburger Universität präsentiert diese Zusammenhänge durch eine eigene Professur für "Literatur und Musik". Professor Dr. Günter Schnitzler hat diese Professur inne und erläutert in seinen Veranstaltungen und Publikationen, inwieweit Literatur und Musik miteinander verschmelzen und sich ergänzen können.


Die Freiburger Universität hat früh erkannt, dass die Künste Literatur und Musik nicht nur losgelöst voneinander betrachtet werden sollten. Deswegen richtete das Deutsche Seminar die Professur für "Literatur und Musik" ein, die einzigartig in Europa ist, wie Schnitzler betont. Er sieht es als eine wichtige Erkenntnis in der deutschen Literaturforschung, das Zusammenwirken von Dichtung und Musik zu analysieren. Dieses Thema zieht sich als roter Faden durch seine Publikationen und Veranstaltungen. Aktuell in diesem Sommersemester ist die detaillierte Analyse von Giuseppe Verdis musikalischer Interpretation von Friedrich Schillers Werken Gegenstand seiner Vorlesung.


Wirkungskraft der Künste

Die unterschiedliche Wirkungskraft der Künste liegt in den voneinander unterschiedlichen Zeichensystemen, wie Schnitzler erläutert. Literatur spricht durch das geschriebene Wort den Leser an, zunächst auf der visuellen, dann auf der geistigen Ebene. Musik hingegen gilt gemeinhin als das ästhetisch stärkere Medium, da sie durch ihre auditive Wirkung das Gemüt unmittelbarer anspricht. Zusammengenommen ergeben die Zeichensysteme der Literatur und Musik ein völlig neues Kunstwerk. Die Kunst mit der komplexesten Wirkungskraft ist die Oper, da in ihr drei Medien zusammenspielen: die Literatur, die Musik und das Szenische. Durch die Vertonung interpretieren die Komponisten die Dichtung und können sie so in einen neuen Zusammenhang setzen und die Intentionen des Autors sogar noch verstärken. Giuseppe Verdi entdeckte in den frühen Dramen Friedrich Schillers neue Strukturen, die er in seiner Vertonung umsetzte und hervorhob. "Verdis Opern verstärken die Kraft des Pathos, der Intensität", die Schiller in seinen Dramen der Sturm-und-Drang-Zeit vermittelte, so Schnitzler.


Goethes Sichtweise

Die Vertonung literarischer Werke trug in der Literaturgeschichte nicht nur dazu bei, dass die Intentionen der Autoren verstärkt oder neu interpretiert wurden, sondern verhalf einigen Dichtern erst zu Bekanntheit. Als bestes Beispiel dafür gilt der Dichter Eduard Mörike: Im 19. Jahrhundert, Zeit seines Schaffens, fanden seine Werke keine große Beachtung. Erst als sich die Komponisten Johannes Brahms und Hugo Wolf mit Mörikes Gedichten beschäftigten und diese vertonten, wurde der Dichter verstanden und geachtet. In den Dichterkreisen herrscht keine einhellige Meinung, ob die Vertonung literarischer Werke diese auf eine höhere Stufe in der künstlerischen Wertigkeit hebt. Johann Wolfgang von Goethe hätte, so Schnitzler, gerne mit Wolfgang Amadeus Mozart eine Oper geschrieben. Goethe sah die szenischen Elemente der Oper als ein wichtiges Mittel Kunst umzusetzen. Doch trotz dieses unerfüllten Wunsches der Zusammenarbeit mit Mozart war Goethe grundsätzlich dagegen, dass seine Gedichte vertont werden. Er befürchtete, dass die Musik seine Texte zerstören würde. Seine Sprache sollte für sich alleine stehen und wirken. Sein Dichterkollege E.T.A. Hoffmann vertrat den konträren Standpunkt: Für ihn war eine Vertonung von Literatur wünschenswert, da Musik dort einsetze, wo Dichtung aufhöre.


Internationaler Kongress "Dichtung und Musik"

Da die hiesige Universität die europaweit einzige Professur beheimatet, die den Schwerpunkt ihrer Forschung auf die Verbindung von Literatur und Musik legt, eignete sich Freiburg besonders dafür, den internationalen Kongress "Dichtung und Musik" auszurichten. Am ersten Maiwochenende erlebten die Zuhörer ein umfangreiches Programm mit renommierten Rednern, unter anderem mit Borchmeyer, Zeman und Danuser. Die Wissenschaftler erläuterten das Verhältnis der Künste Dichtung und Musik im Kunstlied und in der Oper, aber auch im Roman, der die Musik zum Gegenstand hat, und in der philosophischen Ästhetik. Von besonderem Interesse waren dabei die Folgen im einzelnen Kunstwerk, zum Beispiel in Opern Verdis oder in Mozarts "Zauberflöte", aber auch in Filmen von Max Reinhardt und Woody Allen.


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Quelle:
Freiburger Uni-Magazin Nr. 3/Juni 2007, Seite 19
Herausgeber: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg,
der Rektor, Prof. Dr. Wolfgang Jäger
Redaktion: Dr. Thomas Nesseler (verantwortlich)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2007