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BUCHTIP/1047: China im Umbruch (ai journal)


amnesty journal 6/2007 - Das Magazin für die Menschenrechte

China im Umbruch
Oliver August macht sich auf die Suche nach einem der reichsten Männer Chinas und findet ein Land voller sozialer Widersprüche und Menschenrechtsverletzungen.

Von Maik Söhler


Oliver August, von 1999 bis 2006 China-Korrespondent der Londoner "Times", wählt eine intelligente und gefällige Art, um seine Eindrücke aus dem bevölkerungsreichsten Land der Welt wiederzugeben. Vorgeblich macht er sich auf die Suche nach Lai Changxing, einem Mann, der es vom Reisbauern zum wohl reichsten Geschäftsmann Chinas brachte, nach Jahren des Erfolgs jedoch bei der Staatsführung in Ungnade fiel und fliehen musste.

Am Ende des Buches wird August ihn finden, aber schon längst hat sich seine Erzählung verselbständigt und das öffentliche wie das alltägliche Leben in China kommen zur Sprache: "Das moderne China ist ein Zauberspiegel. Wer hineinschaut, sieht, was immer er sehen will. Und was immer man darüber berichtet - ganz falsch ist es nie. Es gibt überfüllte Arbeitslager, und vor ihren Toren genießen Stadtmenschen neue Freiheiten." Staatliche Macht gehe mit wirtschaftlicher Liberalisierung ohne größere Störungen einher, Tradition und Moderne vermischten sich bis zur Unkenntlichkeit.

Besonders die Hafenstadt Xiamen hat es August angetan. Sie ist eine der neun großen Boomtowns Chinas, die 1979 als "Versuchsfelder für weitgehende wirtschaftliche Reformen ausgewählt wurden". Bei jeder Visite braucht der Besucher einen neuen Stadtplan - "die Städte verändern sich so schnell, dass die Verlage vier bis sechs Neuauflagen im Jahr herausbringen". Xiamen wirkt wie ein Magnet auf die Bauern der näheren und weiteren Umgebung, die am wachsenden Reichtum teilzuhaben hoffen, häufig aber nur miserabel bezahlte und zum Teil menschenunwürdige Arbeit in einer Fabrik oder auf einer Baustelle finden. 24-Stunden-Schichten ohne Arbeits- und Unfallschutz gehören für viele zum Alltag, ebenso eine Ernährung, die oft nur aus verfaultem Reis besteht.

August gelingt es, die sozialen Widersprüche plastisch zu beschreiben. Hier die glänzenden Hochhäuser und Golfplätze der Metropolen, dort die im Elend lebende Bauernschaft und das städtische Subproletariat. Und noch eines zeigt er deutlich: Weder in der Sphäre der sozialistischen Politik noch in der Sphäre der turbokapitalistischen Ökonomie gilt der Einzelne etwas. Er droht in einem chaotischen Prozess der Modernisierung auf der Strecke zu bleiben.


OLIVER AUGUST
Auf der Suche nach dem roten Tycoon.
Übersetzt von Edith Beleites.
Eichborn, Frankfurt/M. 2007.
432 S., 22,90 Euro


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Quelle:
amnesty journal, Juni 2007, S. 38
Herausgeber: amnesty international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2007