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BUCHTIP/1123: Bücher zur Geschichte der Ornithologie (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 6/2008

Kaiser Friedrich II. (1194-1250). Welt und Kultur des Mittelmeerraums
Von Mamoun Fansa & Karen Ermete (Hrsg.) 544 S., Hardcover, 23,5 x 28,5 cm. ISBN: 978-3-8053-3829-5. EUR 44,90.

Von der Kunst mit Vögeln zu jagen. Das Falkenbuch Friedrichs II. - Kulturgeschichte und Ornithologie
Von Mamoun Fansa & Carsten Ritzau (Hrsg.) 160 S., Hardcover, 23,5 x 28,5 cm. ISBN: 978-3-8053-3868-4. EUR 24,90. Verlag Philipp von Zabern, Mainz, 2008. Paketpreis für beide Bücher EUR 60,00.


Vor mehr als 750 Jahren hat er gelebt, eine endlos weit entfernte Zeit, schwarzes Mittelalter. Warum soll sich ein Vogelbeobachter heute mit einem fernen Kaiser befassen?

Friedrich II. von Hohenstaufen war ein italienisch-deutscher Kaiser des Hohen Mittelalters, dem aber zusätzlich zu seinem kaiserlichen Amt eine bedeutende Rolle als Aufklärer, Naturforscher, Falkner und Ornithologe zukommt. Eine Quelle direkter sachlicher Information ist sein ursprünglich sechsteiliges Buch "De arte venandi cum avibus" ("Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen"), das in mehreren Abschriften erhalten ist. Vor allem sind die beiden ersten Teile, eine Einführung in die Vogelkunde und eine in die Falknerei, in einem Zweitoriginal zugänglich und auch veröffentlicht. Diese Kopie ließ der Kaisersohn Manfred nach dem Tode des Vaters erstellen. Sie ruht heute nach einem wechselvollen Schicksal in der Apostolischen Bibliothek des Vatikans. Um den Kaiser und sein Buch dreht sich eine Ausstellung des Landesmuseums Natur und Mensch in Oldenburg (Niedersachsen). Zu dieser Ausstellung gehört die ansehnliche zweibändige Begleitpublikation, in der auch des Kaisers Buch eingehend gewürdigt wird. Wichtig und für Vogelfreunde besonders interessant sind die auf beide Bände verteilten Beiträge des Rostocker Zoologen Ragnar Kinzelbach, der sich hier zugleich als Ornithologe wie als Historiker ausweist.

Im ersten Beitrag geht Kinzelbach allgemein auf die Stellung und Leistung des Kaisers in der Geschichte der Ornithologie und auf die für die Analyse des Werkes verwendete Methodik ein. Friedrich II. ist vor allem deswegen für die Naturkunde von Bedeutung, weil er die eigene Beobachtung über die literarische Kenntnis gestellt hat. Bei Aristoteles wird gesagt, dass in der keilförmigen Flugformation bei Gänsen und Kranichen ein Vogel immer die Spitze hält. Friedrich hat beobachtet, dass der Spitzenvogel wechselt, und deutet das als durch besondere Anstrengung verursacht.

Im zweiten Band führt Kinzelbach die einzelnen identifizierten Vogelarten auf, die Kaiser Friedrich II. im Text bespricht oder in den Abbildungen am Rand hat darstellen lassen. Auf gut 130 Arten ist der Bearbeiter gekommen, die damals in Süditalien und auf Sizilien gelebt haben. Dazu kommen einige importierte Arten wie z. B. der Gelbhaubenkakadu und der Halsbandsittich. Der Kaiser hat ansonsten die Arten bevorzugt, die sich als Jagdobjekte bei der Falknerei eigneten. Darunter sind sensationelle Funde, die von den bisherigen Bearbeitern gar nicht oder falsch identifiziert worden waren: Der Dünnschnabelbrachvogel, heute fast ausgestorben, war im 13. Jahrhundert offenbar ein nicht seltener Durchzügler oder Gast im Mittelmeergebiet. Schneegans und Zwerggans sind ebenfalls dargestellt. Die Schneegans kam offenbar nicht ganz selten nach Italien. Merkwürdiger Weise wird sie als Aasfresser dargestellt, eine zeichnerische Verwechslung mit dem ebenfalls schwarz-weißen Schmutzgeier. Immerhin: Hier findet man Material für eine vergleichende historische Avifaunistik.

Die Preise, selbst die endgültigen nach Ende der Subskriptionsperiode, sind für die beiden Prachtbände "geschenkt". Die Beschaffung lohnt sich sowohl von der Form als auch vom Inhalt her für jeden, der sich für die Geschichte der Vogelkunde und frühe avifaunistische Daten interessiert und noch sechs Zentimeter Platz im Bücherregal hat. Auch wer allgemeine Informationen über die Stauferperiode und Kaiser Friedrich sucht, findet hier ein reiches Angebot.

H.-H. Bergmann


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 6/2008
55. Jahrgang, Juni 2008, S. 237
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,60 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 47,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2008