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BUCHTIP/1198: Von Kämpfen, Siegen und Niederlagen einer Disziplin - Germanistik in Jena (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 08.04.2010

Von Kämpfen, Siegen und Niederlagen einer Disziplin

Germanisten der Friedrich-Schiller-Universität legen ein neues Buch zur Geschichte ihres Faches in Jena vor


Jena (08.04.10) Im Jubiläumsjahr der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben Germanisten und Volkskundler eine Exkursion in die Geschichte ihrer Fächer unternommen. Den wissenschaftlichen Ertrag der Ringvorlesung aus dem Jahr 2008 haben sie nun in einem Buch vorgelegt. Der Titel "... und was hat es für Kämpfe gegeben." greift ein Zitat Joachim Müllers auf, der damit 1971 in einem Brief an die politischen Auseinandersetzungen der 1960er Jahre erinnerte. Müller selbst als Professor für Neuere deutsche Literatur stand im Brennpunkt kontroverser Debatten, bei denen es vorderhand um fachliche Probleme ging, hinter den Kulissen jedoch um politische Einflussnahme und Indoktrination.

Die Kämpfe der DDR-Zeit stehen jedoch am Ende des Buches, das als Band 29 in der Reihe Jenaer Germanistische Forschungen erschienen ist. Die Autoren des von Angelika Pöthe und Reinhard Hahn herausgegebenen Bandes stellen die Geschichte der Jenaer Germanistik anhand ausgewählter Vertreter des Faches chronologisch vor. Am Anfang stehen Karl Leonhard Reinhold und Christian Gottfried Schütz, die im 18. und 19. Jahrhundert lehrten, also zu einer Zeit, als erste germanistische Studien betrieben wurden, das Fach als solches jedoch noch längst nicht etabliert war. In den Fokus rücken weiterhin bedeutende Gelehrte der Frühzeit der Jenaer Germanistik wie Eduard Sievers, Hermann Hettner und der Philosoph Kuno Fischer, dem die Jenaer Germanistik starke Impulse zu verdanken hat. Der unter dem Dach des 1881 gegründeten Deutschen Seminars lehrende Volkskundler Hans Naumann wird vorgestellt, ebenso der Indogermanist Walter Porzig, dessen Affinität zur NS-Ideologie einen Schatten auf die vermeintlich politikfreie Wissenschaft wirft.

Die Autoren scheuen sich nicht, interne Kämpfe zu schildern, wie sie sich insbesondere um Albert Leitzmann entsponnen haben, dessen fachliche Kompetenzen immer wieder angezweifelt wurden. Dabei wird deutlich, wie persönliche Animositäten zum wiederholten Male das fachliche Urteil eingetrübt haben. Im Ergebnis führte es dazu, dass Leitzmann mit einer zweijährigen Unterbrechung von 1890 bis 1950 in Jena arbeitete und lehrte.

Im letzten Kapitel des Buches geben Pöthe und Hahn einen Überblick über die Germanistik in Jena zwischen 1945 und 1989. In diesen Jahren zwischen Kriegsende und politischem Umbruch gab es zahlreiche anerkannte Vertreter des Faches wie Helmut Brandt oder Heinz Mettke, die sich in Lehre und Forschung Meriten erwarben, zugleich aber mit parteipolitisch motivierter Gängelei zu kämpfen hatten. Die mangelhafte materielle Ausstattung und die permanenten Versuche, die Wissenschaft in den Dienst der marxistisch-leninistischen Weltanschauung zu stellen, markieren die Rahmenbedingungen der Jenaer Germanistik bis zum Umbruch 1989/90.

Die zehn Kapitel des neuen Buches, zu denen neben Germanisten und Volkskundlern ein Historiker seinen Beitrag geleistet hat, bieten einen fundierten Überblick über die Geschichte des Faches in Jena. Die Qualität der einzelnen Beiträge schwankt ein wenig, wodurch deutlich wird, dass es sich ursprünglich um eine öffentliche Vorlesung handelte.

Bibliografische Angaben:
Reinhard Hahn/Angelika Pöthe (Hg.), "...und was hat es für Kämpfe gegeben.", Studien zur Geschichte der Germanistik an der Universität Jena, Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2010, 320 Seiten, Preis 39 Euro, ISBN 978-3-8253-5648-4

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Stephan Laudien, 08.04.2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2010