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SF-JOURNAL/004: Akzente... SF-Magazine, frühe Publikationsform der SF (SB)


SF-Magazine, die Wiege der Science Fiction


Wieso stellen Science Fiction-Magazine eigentlich für die Entwicklung der Science Fiction-Literatur einen so wichtigen zeitlosen Faktor dar?


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Ob aus den USA oder in Europa, durch SF-Filme oder Serien, SF-Comics, Heftchenromane, Computer-Spiele oder gar noch das "altmodische" Lesen von SF-Romanen angeregt - für viele ist die Entdeckung von Science Fiction, in welcher Form auch immer, eine suchterzeugende Erfahrung. Ich kenne es von mir selbst und aus der Biographie zahlreicher Autoren: Man liest Science Fiction und sonst nichts mehr, man denkt über die letzten Abenteuer von Star Trek nach, wartet auf den nächsten Perry Rhodan-Heftroman und entdeckt wieder einen "neuen" Autoren aus der guten alten Zeit, dessen Klassiker man noch nicht gelesen hat...

Um seine Mitmenschen nicht allzusehr mit ungebrochen einseitiger Begeisterung zu nerven, sucht man sich Gleichgesinnte und findet dort Verständnis. Was sollte geeigneter sein für den Austausch von Erfahrungen und Kritik als ein Magazin? Auch für den Versuch, den reichhaltigen Markt mit seinen eigenen Ideen eventuell noch zu ergänzen, bietet sich an erster Stelle ein Magazin an.


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Die Fanbewegung - Clubfanzines

Die Science Fiction-Fanbewegung ist bis heute ungebrochen rege geblieben. Tatsache ist, daß ihr Einfluß nicht länger übersehen werden kann. Analytiker behaupten, sie sei ein bemerkenswertes soziologisches Phänomen - vielleicht deshalb, weil Leser einmal nicht nur konsumieren und bestenfalls kritisieren, sondern selbst mitten im Geschehen stecken? Die Fans stellen Amateurmagazine her, um eigene Versuche zu veröffentlichen, über Science Fiction zu schreiben und mit anderen Fans in Kontakt zu treten. Sie organisieren die sogenannten "Cons", jährliche Treffen in der ganzen Welt.

Die Fan-Clubs haben sich aus den Brief-Kolumnen der Magazine entwickelt. Wo sich auch nur die kleinste Gruppe von Fans zusammentat, wurde ein Club gegründet. Und diese veröffentlichten die "Clubfanzines", die von sehr unterschiedlicher inhaltlicher und äußerer Qualität sind. Manch später berühmt gewordener Autor wie Marion Zimmer Bradley berichtet, daß zunächst die Post und die Magazine oft ihr einziger Kontakt zu anderen Fans gewesen seien. Sie bat um Stellungnahmen zu ihren Publikationen und schätzte die Kommentare sehr.

Das für sonstige literarische Veröffentlichungen ungewöhnlich hohe Feedback der Fans auf alle Science Fiction-Publikationsformen kann zu unglaublichen Fortschritten führen. William Voltz behauptete zur Herausgabe des 1000. Perry Rhodan-Heftromans (inzwischen gibt es schon über 2000): "Wie sehr auf der Zusammenarbeit zwischen Lesern und Redaktion der Erfolg der Perry Rhodan-Serie begründet ist, wäre eine gründliche Untersuchung wert" (aus einer Leserkreisseite).

Das Zeitschriftenangebot hat bis heute eine große Spannbreite, von den typischen Fan-Magazinen nicht-kommerzieller Art bis zu den etablierten kommerziellen Magazinen, ohne die sowohl die Verbreitung als auch die Entwicklung der Science Fiction nicht denkbar gewesen wäre. Trotzdem hat keines je sehr hohe Auflagen erreicht. Das Interesse an Science Fiction lag lange bei einer allerdings engagierten Minderheit. Heute hat sich das weitgehend geändert, nicht zuletzt wegen der vielseitigen Verbreitung von Film, Fernsehen, Comic, Groschenheft-Serien, Magazinen, Computerspielen und Romanen. Für neue Fans besteht Science Fiction medienbedingt einerseits nur noch aus dunklem, metallenem Weltraum, ein "kaltes" Genre, oder andererseits aus märchenhaften Fantasy-Welten, dem ganz Anderen.


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Die Geschichte der Magazine

Die Zeit der Massenmagazine dauerte ein halbes Jahrhundert, bis sie vom Fernsehen abgelöst wurden. Von 1880 bis 1955 war die Hauptpublikationsform der Science Fiction zunächst in Großbritannien und kurz danach auch in den den Vereinigten Staaten in Händen von billig hergestellten Massenblättern. "Pulp Magazines" nannte man sie in den USA. Der Name kommt von dem schlechten Papier beziehungsweise dem Holzbrei, aus dem das Papier hergestellt wurde ("pulp", der 1884 aus Linotype und Holz als billiger Grundstoff zur Papiergewinnung erfunden wurde). Die Magazine waren großformatig und von billigem Druck, der wiederum auf neue Druckverfahren zurückzuführen war (1846 wurde die Rotationspresse erfunden). Außerdem konnte man durch schnellere Transportmittel die Zeitschriften landesweit verbreiten. So lohnte es sich, große Mengen herzustellen. Eins der bekanntesten hieß "Strand Magazine", in dem viele Stories von H.G. Wells veröffentlicht wurden.

Die Gernsback-Ära

Je nach Art wurden die veröffentlichten Geschichten in verschiedene Themenbereiche eingeteilt: Detektiv-, Western-, Kriegs-, Piraten- oder Liebesgeschichten und Geschichten über die Zukunft. Die meisten dieser Stories ließen sich mit den Groschenromanen ("Dime Novels") vergleichen, die ab 1860 auf dem Markt waren. 1916 kam in Schweden das erste auf Science Fiction spezialisierte Magazin der Welt, "Hugin", heraus und 1926 in den USA - übrigens das einzige Genre, das sich auch über die 50er und 60er Jahre hinaus hielt.

Der Gründer einer ganzen "Magazin-Ära" in den USA (die Erstauflage erschien 1926 unter dem Namen "Amazing Stories") war Hugo Gernsback. Der aus Luxemburg stammende Ingenieur betrieb in New York einen Radio- Versandhandel. Er war auch ein Erfinder, der sich mit Radiobauteilen befaßte. Deshalb gab er selbst technische Zeitschriften für seine Kunden heraus, in denen er manchmal zur Auflockerung utopische Kurzgeschichten abdruckte. Er merkte bald, daß viele Leser sein Blatt nur aus diesem Grunde kauften und machte sich den Marktwert dieser Erzählungen zunutze, indem er "Amazing Stories" herausbrachte - 1926 das erste Science Fiction-Magazin in den USA mit den beliebtesten Autoren utopischer Erzählungen seiner Zeit. Die Themen der Kurzgeschichten dieser ersten Generation von Science Fiction-Autoren stießen später auf Überdruß oder Unverständnis in der Sekundärliteratur. Es wird davon gesprochen, daß damals zu viel mit Klischees und Pappcharakteren gearbeitet wurde, und supertechnische Apparaturen, verrückte Erfinder und schleimtriefende Monster bald der Qualität des neu erwachenden Genres schadeten. Betrachtet man jedoch die Entwicklung der Wissenschaften in jener Zeit, so spiegelt sich in den Geschichten eine durchaus verständliche, hautnahe Auseinandersetzung mit aufkommenden Problemen und Fragen. Die Einwirkungen Außerirdischer, Luftkriege, biologische Versuche, menschenfressende Pflanzen, Unterwerfung durch Riesenameisen, Angriffe von Seeungeheuern und Zeitreisen sind Themen, die aus neuen Entdeckungen von Strahlen (Röntgenstrahlen), Radiowellen und Elektrizität erwachsen.

Bald gab Gernsback auch noch weitere Magazine heraus, die aus wirtschaftlichen Gründen aber schnell wieder eingingen, zum Beispiel "Science Wonder Stories" und "Air Wonder Stories".


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Das Goldene Zeitalter (1938-1950) - John Campbell jr.

Ende der 30er Jahre begann eine neue Ära mit dem Herausgeber des SF- Magazins "Astounding Stories", John Campbell jr. Man spricht auch vom "Goldenen Zeitalter" der Science Fiction-Geschichten (1938-1950). Campbell hatte ein Gespür für neue Autoren. Sie arbeiteten eng mit ihm zusammen und waren zunächst nicht selten als engagierte Leser an ihn herangetreten. Er gab ihnen die Richtung vor, betreute, kritisierte, gab Hinweise. Autoren wie Isaak Asimov, Theodore Sturgeon, Fritz Leiber, Alfred Bester und Robert Heinlein wurden bei ihm bekannt. Viele Klassiker sind in diesen Jahren entstanden. Außerdem wechselten einige Autoren verstärkt zur Romanform über. Seit den 40er Jahren gab es in den USA Taschenbuchausgaben, die für eine breitere Leserschaft erschwinglich wurden.

Das Zweite Goldene Zeitalter (1950-1956)

Ein neuer Aufschwung für Magazine ist ab 1950 zu verzeichnen. Nun wurden nicht mehr nur Neuerscheinungen herausgegeben, sondern auch Filme und Fernsehserien machten das Genre bekannt. Neben "Amazing", "Wonder" und "Astounding" wuchs die Zahl der Magazine mit "Marvel Science Stories", "Startling Stories", "Famous Fantastic Mysteries", "Astonishing Stories", "Super Science Stories", "Fantastic Adventures", "Planet Stories", "Science Fiction" und "Future Fiction". Seit den 50er Jahren wurden auch Preise verteilt, was Einfluß auf eine Generation von Autoren hatte, die sich von den nüchternen Naturwissenschaften abwendeten und Themen aus Philosophie, Soziologie und Psychologie wählten, nicht zuletzt zugunsten eines unterhaltsamen, spielerischen Teils in ihren Geschichten und Romanen.


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Ab den 60er Jahren

wandelte sich das Gesicht der Science Fiction durch neue Publikationsformen. Heute ist das Genre zum Milliardengeschäft geworden und nicht mehr allein auf Magazine oder Taschenbuchausgaben beschränkt. Trotzdem greift man als Fan nach wie vor gerne zu den aktuellen Kurzgeschichten-Sammlungen aus dem seit über 40 Jahren bestehenden größten amerikanischen "Magazine of Fantasy and Science Fiction" oder informiert sich durch Autoren-Interviews, wissenschaftliche Beiträge und Buch- und Filmbesprechungen auch in deutschsprachigen Magazinen.


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Akzente
Hinweise auf
- Bemerkenswertes, Erfreuliches und Wissenswertes
- Höhepunkte und Tendenzen in der Entwicklung
- neue literarische Richtungen
- gesellschaftliche Einflüsse

Erstveröffentlichung 1995