Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → LITERATUR

SF-JOURNAL/015: Autoren... Brian W. Aldiss, Kritiker u. Theoretiker (SB)


Brian Wilson Aldiss, (geb. 1925)


Brian W. Aldiss gehört zu den populärsten SF-Autoren der Gegenwart, ist gleichzeitig einer ihrer wichtigsten Kritiker und hat sich auch als Herausgeber weltweit einen Namen gemacht, wodurch er die besten Beziehungen in der Literaturszene pflegt. In den 60er Jahren wurde er auch dadurch bekannt, daß er sich stark in der "New Wave"-Bewegung mit Stories und Artikeln in Michael Moorcocks SF-Magazin "New Worlds" engagierte.

Usch Kiausch charakterisiert ihn zu Beginn ihres Interviews für den Heyne Sammelband "Das Science Fiction Jahr 1991": "Brian W. Aldiss belebt mit seinem Witz und Charme jede Konferenz und hat bekanntermaßen sogar aus der dickleibigen Theoriengeschichte der Science Fiction ("Der Millionen-Jahre-Traum") ein lesbares, kurzweiliges Vergnügen gemacht." (aus: Wolfgang Jeschke [Hrsg.]: Das Science Fiction Jahr 1991, München 1991, S.397)


*


Persönliche Daten und Werke

Brian W. Aldiss wurde 1925 in East Derecham, Norfolk/England, geboren. Ab 1943, während des Zweiten Weltkriegs, kämpfte er als Soldat in Burma und auf Sumatra und reiste nach Kriegsende durch Südostasien. Später beschrieb er seine Erfahrungen in mehreren Romanen, die in England zu Bestsellern wurden. 1948 wurde er aus der Armee entlassen, kehrte nach England zurück und nahm zunächst eine Stelle als Buchhändler in Oxford an.

Gleichzeitig war er der Herausgeber des "Oxford Mail" und schrieb mehrere kurze Geschichten über das Leben in einem fiktiven Buchladen, die im Fachblatt "The Bookseller" veröffentlicht wurden.

1955 gewann Aldiss den 2. Preis eines vom "Observer" ausgeschriebenen Kurzgeschichtenwettbewerbs für eine Erzählung. Er entschloß sich danach, freiberuflicher Schriftsteller zu werden. Der Durchbruch gelang ihm 1958 mit seinem ersten SF-Roman "Non Stop" (auch "Starship"). Er beschreibt die Reise eines Generationenraumschiffs und ist eine Endzeitvision, der Themenbereich seiner wichtigsten Romane bis 1966. Seine Werke tragen überwiegend pessimistische Züge. Mit dem Roman "Am Vorabend der Ewigkeit" ("Hothouse") gewann er 1962 den Hugo Gernsback-Award und wurde auch in den USA beliebt.

1960 wurde Aldiss Präsident der British Science Fiction Association. 1965 war er Ehrengast beim 23. World SF-Con.

Ab Mitte der 60er Jahre setzte sich Aldiss engagiert für das SF- Magazin "New Worlds" ein (Herausgeber: Schriftsteller und Musiker Michael Moorcock). Die Zeitschrift ermöglichte es einer Reihe von Schriftstellern, mit neuen Formen des Schreibens zu experimentieren. Später wurde diese Zeit der provokativen Auseinandersetzung mit Inhalt, Stil und Sprache "New Wave"-Bewegung genannt. Die Autoren Aldiss, Ballard und Moorcock werden damit am meisten verbunden und gelten als die führenden Vertreter. Da das Magazin finanzielle Schwierigkeiten hatte, setzte sich Aldiss, der von allen die besten literarischen Beziehungen hatte, beim britischen Arts Council für "New Worlds" ein und erreichte die wohl erste und einzige Regierungssubvention für ein SF-Magazin.

Nach kurzem Rückzug schrieb er Anfang der 70er Jahre eine Trilogie, die die Probleme eines heranwachsenden Jungen zum Thema hat.

1973 verfaßte Aldiss sein für die Science Fiction bisher wichtigstes Werk. "Der Millionen-Jahre-Traum" ist eine umfassende Literaturgeschichte der Science Fiction. Sie stellt ihre Entwicklung dar und versucht, das Vorurteil, Science Fiction sei reines Weltraumabenteuer, zu korrigieren. 1986 erschien die überarbeitete und erweiterte Fassung und wurde mit dem "Hugo" ausgezeichnet.

1979 war Aldiss Ehrengast beim 37. World SF-Con. Er arbeitet mit mehreren SF-Autoren zusammen, zum Beispiel mit Harry Harrison oder Philip José Farmer.

Mit der "Road-Show" "Science Fiction Blues" reiste er in den 90er Jahren als Autor, Regisseur und Schauspieler durch Großbritannien.


*


Brian W. Aldiss äußert sich zum Genre und zum Schreiben

Am 23. März 1990 äußert sich Aldiss in Fort Lauderdale/Florida als Ehrengast auf der 11. IAFA-Konferenz, wie er zum Schreiben gelangte. Er habe sich schon mit vier Jahren entschlossen, Schriftsteller zu werden, animiert durch eine Kindergeschichte, deren Erzählweise ihn sehr faszinierte. Des weiteren war er so sehr an Astronomie interessiert, daß er alle Bücher darüber las, bis er zur Science Fiction-Literatur greifen mußte, weil er keine neuen Astronomiebücher mehr finden konnte. Er las auch die aus den USA importierten SF- Magazine.

1954 schrieb Aldiss seine erste Kurzgeschichte, der viele weitere folgten. Die Geschichten aus den frühen 50er Jahren nimmt er als Vorbild. Er selbst findet einige dieser Kurzgeschichten besser als seine Romane.

Zur Endzeit-Stimmung in seinen Romanen sagt er: "Ich glaube, daß alle unsere Gesellschaften mit enormen Alpträumen fertig werden müssen. [...] Aber ich sehe nicht, wie man solche Dinge verarbeiten kann, wenn nicht in der Kunst." (aus: Das Science Fiction Jahr 1991, a.a.O., S.397)

Science Fiction, meint Aldiss, sei der Versuch, die Gegenwart zu verdauen.

Nur wenig hat dabei mit der Zukunft zu tun. Das meiste spiegelt die Realität von heute wider. [...] Nur wenige interessieren sich für die Zukunft. Politiker ganz bestimmt nicht. Die sind für die nächsten fünf Jahre gewählt. Unsere Sorge ist, wie wir die Miete vom nächsten Jahr zahlen sollen. Die Zukunft ist eine irgendwie verrückte Erfahrung: Kurd Laßwitz oder H.G. Wells oder so jemand hat sie erfunden. Man muß sie als Metapher gebrauchen, als Metapher ist sie nützlich."
(aus: Das Science Fiction Jahr 1991, a.a.O., S.397)


*


Leseprobe

Aldiss verbreitet Pessimismus in seinen Romanen und Kurzgeschichten aus den 50er Jahren und Anfang der 60er. Hier ein typisches kurzes Zitat - und gleichzeitig die Grundidee - aus dem Ende des Romans "Am Vorabend der Ewigkeit", für den er 1962 den "Hugo" erhielt:

Eines Tages wußte er (der Mensch, Anm. d. Red.), daß die Entwicklung nicht immer voranschreitet, sondern daß eines Tages der Zeitpunkt gekommen ist, in dem das Gegenteil geschieht. Der Verfall beginnt. Wir leben in dieser Periode. [...] Als das Sonnensystem geboren wurde, war alles Leben und alle seine Formen in einer einzigen Zelle vereinigt. Später, als es Formen genug gab, entstanden neue dadurch, daß bestehende verschwanden. [...]

Die Natur verfällt. Erneut vermischen sich die Formen (zwischen Mensch, Tier und Pflanze, Anm. d. Red.), so wie es zu Beginn der Zeiten war. Sie gehen ineinander über, lassen sich kaum noch unterscheiden.
(aus Brian W. Aldiss: Am Vorabend der Ewigkeit, München 1979, 1962 by Brian W. Aldiss, deutsche Übersetzung von Walter Ernsting, S. 153)


*


Autoren
- Persönliche Daten
- neue Akzente für die Science Fiction-Literatur
- Zur Schreibtechnik
- Stellungnahmen zur Science Fiction
in Interviews und Romanen
- Werke mit Auszeichnungen und Verfilmungen
- Leseproben

Erstveröffentlichung 1998

5. Januar 2007