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SF-JOURNAL/027: Autoren... R. Zelazny, SF mit Fantasy u. Mythologie (SB)


Roger Joseph Zelazny, (1937 - 1995)


Falls manche Leser von Zelaznys jüngeren Werken leicht enttäuscht sein sollten, dann wahrscheinlich deshalb, weil sie spüren, daß er, ein Autor von hoher Intelligenz mit feuriger, flüssiger und berauschender Phantasie unter Umständen den großen SF-Roman des späten 20. Jahrhunderts hätte schreiben können. Zelazny hat es nie getan. Statt dessen hat er uns viele Jahre einen Teil der geistreichsten Unterhaltung geliefert, die das Genre kennt.
(aus John Clute: Science Fiction - Die illustrierte Enzyklopädie, Heyne Verlag München 1996, S. 168)


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Persönliche Daten

Roger Joseph Zelazny wurde am 13. Mai 1937 in Euclid, Ohio, geboren und starb 1995.

Er studierte an der Western Reverse University, wo er 1959 seinen Bachelor machte. Anschließend wechselte er an die Columbia University. Lange Zeit studierte er neben den Fächern, in denen er einen Abschluß machte, auch Psychologie. Er legte aber keinen Wert darauf, das heißt, er hielt nicht viel von diesem Fach. 1962 beendete Zelazny sein Studium in den Fächern Englisch und Literaturwissenschaft unter dem Themenschwerpunkt elisabethanisches und jakobinisches Drama mit dem Magisterexamen. Seine Arbeit schrieb er über einen unbekannten Dramatiker des 17. Jahrhunderts. Zelazny betonte in einem Interview selbst, daß er in seiner sprachlichen und dramatischen Darstellung der Gewaltverhältnisse besonders vom elisabethanischen Theater beeinflußt war.

Nach dem Studium arbeitete er von 1962 bis 1969 als lokaler Repräsentant der Sozialversicherungsstelle in Cleveland, Ohio, und später in Baltimore in der Hauptverwaltung, genauer in der Schadensantragsabteilung dieser Anstalt. Drei Jahre verbrachte er damit, Leute über Fragen des Sozialwesens zu interviewen, was ihm laut eigener Aussage viele Kenntnisse über soziale Zusammenhänge vermittelte, die sich in seinen Romanen abbilden. Seit Beginn seiner Büroarbeit 1962 schrieb er seine Bücher nach Feierabend. Die erste veröffentlichte Geschichte war "Passion Play", die im August 1962 im Magazin "Amazing Stories" abgedruckt wurde, und zwar, nachdem Zelazny sich trotz langen Zögerns wieder entschlossen hatte, eine Geschichte einzuschicken. Nach eigenen Angaben hatte er zwischen elf und sechzehn Jahren schon mehr als hundert Geschichten geschrieben, die er alle zurückerhielt, bis er schließlich mit Abschluß der Oberschule damit aufhörte, sie einzuschicken.

1969 ließ er sich mit seiner Frau Judy und Sohn Devin als freier Schriftsteller nieder.

1972 zog Zelazny von Baltimore nach Santa Fe um - mit Pinien, Wacholderbäumen, grünen Rasenflächen und weiter Aussicht der angenehmste Ort, den er kannte.


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Werke

Zelazny - wird einhellig gesagt - gehört zu den Senkrechtstartern des Genre. Gleich zu Beginn seiner Laufbahn erhielt er viele Preise wie 1965 den Nebula Award für "Der Former" und für "Das Biest". Er steigerte seine Produktivität enorm: 1962 veröffentlichte er nur zwei Stories, 1963 schon zwölf. Der Höhepunkt seiner Karriere lag zwischen 1965 und 1968. Er tauchte als fertiger Profiautor auf und schrieb seine besten Werke mehr oder weniger im Jahr seines Debüts.

Seine Texte aus der Mitte der 60er Jahre bereicherten die Science Fiction-Literatur mit Fantasy-Bildern, Elementen der klassischen westlichen und fernöstlichen Mythologie - dichte Neuschöpfungen mythischer Vorlagen -, mit exotischen Handlungsschauplätzen und einem Rückgriff auf psychologische Themen. Durch ihre Hinwendung zu religiösen und mythologischen Fragen, die Symbolik und die psychedelisch farbige Darstellung - eine bildhaft starke und lebendige Sprache - spiegelt Zelazny den Zeitgeist der Pop- und Undergroundkultur jener Zeit wider. Er wurde in diesen Jahren regelrecht zum Modeautor und zusammen mit Delany, Ellison, Disch, Sallis, Spinrad und Wolfe in die Tradition der amerikanischen New Wave gestellt.

Nach 1968 sank Zelaznys Erfolg. Seine Romanstoffe wurden flacher beziehungsweise routinierter und standen später immer mehr im Zeichen der Fantasy. Mit dem Amberzyklus begann eine neue Phase in Zelaznys Karriere. Er war zu einem glatteren, effizienteren Autor geworden, dessen Stärke das Ausbalancieren verschiedener Erzählformen blieb.

Zelazny wünscht sich in einem Interview, daß seine Texte nur für sich betrachtet werden, unabhängig vom Autor. Sprache bedeutete für ihn, "den richtigen Ausdruck in einer Situation in dem Moment finden, in dem man ihn braucht." Seine Wortwahl wurde bestimmt "von meinen Gefühlen. Und ich überlege mir, worauf meine Figur zusteuert. Ich weiß, daß ich die Bücher, die meinen Stil geprägt haben, schon vor vielen Jahren gelesen habe." Die Idee zu den Amber-Romanen "hat sich nach dem ersten Band einfach im Kopf weitergeformt". Kompaktheit und Ökonomie im Schreibstil waren für Zelazny ästhetische Fragen, es sei "kein Vorteil, einen Roman um der Länge wegen auszuwalzen" (aus einem Interview mit Roger Zelazny von Paul Walker, in Wolfgang Jeschke, Hrsg.: Heyne Science Fiction Magazin 2, München, 1982, S. 101).

In den 80er Jahren etablierten sich wenige neue Autoren. Die Verleger setzen zu dieser Zeit auf große Namen und waren bereit, hohe Honorare für einen Roman zu zahlen. So konnte auch Zelazny der Verlockung nicht widerstehen, den bisher fünfbändigen Amber-Zyklus in "moderner" Version und breit angelegt weiterzuschreiben, was ihn bis zur Unkenntlichkeit verflachte, die Handlung gleichförmig und verwirrend machte.

Hier einige berühmte Titel:
* Straße der Verdammnis
* Fluch der Unsterblichkeit
* Herr des Lichts
* Amber-Zyklus
* Die Türen seines Gesichts
* Jack aus den Schatten


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Leseprobe

Die folgenden beiden Textstellen sind zur Demonstration der Entwicklung Zelaznys von SF zur Fantasy gewählt. Ein beliebtes Bild von Zelazny ist die Straße.

Im Kurzroman "Die Straße der Verdammnis" ist sie - dem klassischen Science Fiction entsprechend - die mörderische Route quer durch den amerikanischen Kontinent von Kalifornien zur Ostküste, nach der atomaren Katastrophe ein Tummelplatz monströser Mutationen, vernichtender Stürme und tödlicher Strahlung. Hell Tanner, der gefährliche Gewalttäter und letzte Überlebende der ausgerotteten kalifornischen Motorradbanden, hat noch eine zweifelhafte Überlebenschance erhalten. Er soll eine Ladung mit lebenswichtigem Serum von Kalifornien zur Ostküste des nordamerikanischen Kontinents transportieren. Hier der Beginn der Fahrt. Sein Panzerplattenwagen hat keine Fenster, nur Bildschirme, die ihm den Ausblick in alle Richtungen gestatten, auch nach oben und unten. Er sitzt in einer strahlungssicheren Zelle im vorderen Teil des Fahrzeugs, gespickt mit Waffen, von Granatwerfern bis zu Raketen und Flammenwerfern. Der Sonnenuntergang:

Sie kurvten zwischen Ruinen und Schutthaufen: Stein, Betontrümmer, Metall, Fragmente von Maschinerien. [...] Es schüttete wie aus Kübeln. Der Regen rauschte und verwandelte das Land in eine Wasserwüste aus braunen Gießbächen und windgepeitschten Lachen. Der Himmel klang wie eine Artillerieschlacht. Ein Felsbrocken von der Größe eines Grabsteins kam einen Hang herunter und kollerte ihm in den Weg, und er umfuhr das Hindernis. Rote Lichter zuckten von Nord nach Süd über den Himmel. In ihrem flüchtigen Schein sah er viele schwarze Streifen in westöstlicher Richtung ziehen. Es war kein ermutigendes Schauspiel. Der Sturm konnte tagelang anhalten. [...] Drei weitere Hagelschläge aus einem Gemisch von Eis und Steinbrocken fielen über ihn her, bevor die Himmel sich spalteten und ein leuchtendes, violett gesäumtes Blau freigaben. Die dunklen Vorhänge wallten zurück, und das unaufhörliche Brüllen und Donnern ließ nach. Im Norden blieb ein lavendelfarbenes Glühen, und hinter ihm sank eine grüne Sonne zum Horizont.
(aus Roger Zelazny: Straße der Verdammnis, 1969 by Zelazny, 1977 Heyne Verlag München, deutsche Übersetzung von Walter Brumm, S. 21)


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Im Roman-Zyklus "Die Prinzen von Amber" hat sich Corwins Gegenspieler mit den Mächten der Finsternis eingelassen. Die Schwarze Straße soll Amber vernichten, sie zieht alles an und vernichtet alles, was sich an Lebendigem auf ihr bewegt. Das sind Corwins erste Erfahrungen. Nur durch Aufbieten all seines Wissens über Amber kann er sie überqueren:

Wir erreichten das schwarze Territorium, und mir war, als wären wir plötzlich in eine Wochenschau aus dem Zweiten Weltkrieg geraten. Vage, doch ganz in der Nähe, düster, deprimierend, bedrückend. Selbst das Quietschen des Wagens und der Hufschlag klangen irgendwie gedämpft, schienen plötzlich aus der Ferne zu kommen. [...] Wir durchquerten mehrere Nebelfelder. Obwohl sie geruchlos waren, vermochten wir kaum darin zu atmen. Als wir uns dem ersten Hügel näherten, begann ich mit der Verschiebung, die uns durch die Schatten bringen sollte. [...] Durch alles schien ein plötzliches Zucken zu gehen, und die Risse waren nicht nur bloße Bruchstellen im Boden. [...] Lücken erschienen in der ganzen Szene: hier ein grüner Stamm, dort ein Wasserflirren, die Ecke eines blauen Himmels, absolute Schwärze, ein weißes Nichts, die halbe Front eines Backsteinhauses, Gesichter hinter einem Fenster, Feuer, ein Stück sternenheller Himmel...
(aus Roger Zelazny: Die Prinzen von Amber - Die Gewehre von Avalon, Zweiter Roman, 1972 by Zelazny, 1977 Heyne Verlag, München, deutsche Übersetzung von Thomas Schlück, S. 383f)


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Autoren
- Persönliche Daten
- neue Akzente für die Science Fiction-Literatur
- Zur Schreibtechnik
- Stellungnahmen zur Science Fiction
in Interviews und Romanen
- Werke mit Auszeichnungen und Verfilmungen
- Leseproben

Erstveröffentlichung 1997

10. Januar 2007