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SF-JOURNAL/052: Autoren... W. Voltz, nicht nur Perry Rhodan Hefte (SB)


William Voltz, (1938-1984)


Willi Voltz gehörte zur kleinen Spitzengruppe deutscher SF-Autoren. Da er jedoch vor allem im Heftbereich publizierte und seine besten Leistungen bei der von vielen nicht gut angesehenen Perry Rhodan-Serie erschienen, ist er von der SF-Kritik nie seiner Qualität entsprechend gewürdigt worden. Vermutlich erkennen viele SF-Leser erst jetzt, nach dem Tod dieses Schriftstellers, die Bedeutung, die Willi Voltz für die bundesdeutsche Science Fiction hatte.
(aus dem Nachruf von Hans-Ulrich Böttcher, erschienen im Heyne Science Fiction Magazin 10, Hg. Wolfgang Jeschke)

Dementsprechend geht auch dieses Autorenporträt nicht so sehr auf die Leistungen von William Voltz innerhalb der Perry Rhodan-Serie ein. Rhodan-Leser wissen ohnehin, was sie an ihm hatten. Vielmehr beleuchtet dieses Porträt das Schaffen von William Voltz an sich und dessen Bedeutung für die frühe deutsche Science Fiction, die er neben seinem Kollegen und Freund Walter Ernsting entscheidend mitbestimmte. Warum sich William Voltz ganz gezielt im Heftbereich engagierte und den Schwerpunkt seiner Arbeit eben nicht auf persönlichen Erfolg im Buchbereich setzte, geht unmißverständlich aus seinem Lebenslauf hervor sowie aus seiner nachdenklichen, gemäßigt-kritischen Einstellung zur bestehenden sozialen Ordnung. - Davon abgesehen fand die deutsche Science Fiction in ihren Anfangsjahren sowieso vornehmlich im Heftbereich statt, Taschenbücher und Bücher setzten sich erst später durch.


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Persönliche Daten

William Voltz wurde am 28. Januar 1938 in Offenbach geboren. Schon während seiner Schulzeit interessierte er sich für die gerade im Nachkriegsdeutschland entstehende Science Fiction-Szene. So gehörte er zu den ersten Mitgliedern des 1955 von Walter Ernsting (Clark Darlton) mitbegründeten Science Fiction-Club Deutschland (SFCD) und zu den Teilnehmern am Ersten Deutschen SF-Con, der 1956 in Bad Homburg stattfand.

Nachdem William Voltz am 1. Juni 1958 gemeinsam mit Karl Heinz Scheer und anderen die Stellaris Science Fiction Interessengemeinschaft (SSFI) gegründet hatte, eine Art Ableger des SFCD, setzte Voltz die Hauptlast seiner Tätigkeit vor allem in diese Organisation. Dazu gehören der Vorstandsposten, seine Tätigkeit als Chefredakteuer des Clubfanzines "Stellaris" und vor allem das Schreiben von Kurzgeschichten.

Und so nahm die Karriere von William Voltz, der sich erst im Jahr 1967 zum freien Schriftsteller emporgearbeitet hatte, allmählich ihren Lauf. Nebenher verdiente er sich seinen Lebensunterhalt als Werkssanitäter, Kranführer, Werkstattzeichner und Vermesser.

Erste Stories erschienen 1957 im SFCD-Fanzine "Andromeda" und in der Anthologie "Lockende Zukunft", herausgegeben von Heinz Bingenheimer (Henry Bings). Durch erfolgreiche Teilnahme an Kurzgeschichtenwettbewerben und Veröffentlichung seiner Erzählungen in "Stellaris" und "Transgalaxis", der Zeitschrift des gleichnamigen Buchclubs, machte sich Voltz mehr und mehr einen Namen.

Selbstverständlich hatte er sich auch mit Mißerfolgen zu konfrontieren: Gleich der erste Roman des jungen Autors, eine klischeegespickte Space Opera mit eroberungswütigen Extragalaktikern, wurde vom SFCD zum "Schlechtester SF-Roman des Jahres 1958" gekürt. Das Buch trägt den Titel "Sternenkämpfer" und erschien erstmals im Leihbuchverlag Wiesemann, ein Jahr darauf als überarbeitete Nachauflage bei Utopia Classics.

Aber William Voltz ließ sich davon nicht beirren. Weitere Kurzgeschichten erschienen, und bereits im Jahr 1960 wurde Voltz vom selben Club zum besten Fan-Autor gewählt.

Karl Heinz Scheer, seinerseits als Autor schon fester im Sattel, beobachtete den Werdegang seines jungen Freundes aufmerksam. Schließlich wurde Voltz zur Mitarbeit bei der noch nicht lange existierenden, wöchentlich erscheinenden Heftromanserie "Perry Rhodan" herangezogen, und sein erster Roman, "Das Grauen" (Heft 74/1962; überarbeitet im PR-Hardcover Nr. 10 "Thora"), schlug bei den Lesern ein wie eine Bombe. Noch heute schwärmen Fans von dieser Story. Sie schildert erstmals das Auftreten eines sogenannten Molekülverformers an Bord eines kleinen terranischen Raumschiffs auf seinem Heimflug. Die Situation ist klassisch: Ein Bordmitglied nach dem anderen wird von etwas Fremdem ausgeschaltet. Die Gefahr dabei: Mit weniger als zehn Astronauten ist der Weiterflug und somit das Überleben der restlichen Crew extrem gefährdet. Der Countdown läuft, schon bald ist die Zahl unterschritten und jeder verdächtigt jeden... Und all das wird nicht nur "grauenhaft" spannend, äußerst dramatisch, einfühlsam und auch tragisch geschildert, sondern war auch in stilistischer Hinsicht innerhalb der damaligen Heftserie eine herausragende Leistung. - Kurz und gut: William Voltz schrieb nach diesem gelungenen Einstieg auch weiterhin regelmäßig für die Serie.

Ab 1970 übernahm William Voltz mehr und mehr die Exposégestaltung der Perry Rhodan-Serie, zunächst aushilfsweise, und dann ab Heft Nr. 674 in Eigenregie. Dank seines Einsatzes wurde das kriegerische, sozialdarwinistisch bestimmte Universum, das den Heften bis dahin zugrunde lag, durch eine fortschrittlichere Weltsicht abgelöst. Diese Änderung trug selbstredend das ganze Autorenteam unterstützend mit. Bis Heft Nr. 1209 war William Voltz als Exposéredakteur tätig, und die folgenden Handlungsstränge tragen noch bis Band 1399 deutlich seine Handschrift. Da war William Voltz schon vier Jahre tot. Am 24. März 1984 starb er nach langer und schwerer Krankheit.


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Werke, Äußerungen zum Genre und zum Schreiben

Neben seiner Tätigkeit bei der Rhodan-Serie arbeitete und schrieb William Voltz für die Heftreihe Terra Astra, die Atlan-Serie, die Dragon-Serie, den Fortsetzungszyklus "Das Weltraumteam" im Perry Rhodan-Magazin, schrieb Exposés für die frühen Mythor-Bände und übernahm ab 1978 die Herausgabe und Bearbeitung der Perry Rhodan- Hardcover-Bücher, die er bis Band 19 betreute, um nur eine Auswahl seiner Arbeitsfelder zu nennen.

Darüber hinaus vernachlässigte William Voltz nie seine Hobbys, als das wären Country & Western Musik, Oldtime Jazz, Fußballspielen und vor allem natürlich das Schreiben von serienunabhängigen Kurzgeschichten und Romanen. Seine literarischen Vorbilder waren James Blish und Ray Bradbury im SF-Bereich, sowie John Steinbeck und Jack London.

Und wer den Voltz-Roman "Das Schiff des Mutanten" kennt, möchte wohl noch einen Namen hinzufügen. Nämlich B. Traven: Ähnlich düster wie die Atmosphäre auf dem "Totenschiff" (1926) beschreibt Voltz das Leben auf dem "Schiff des Mutanten" (1967).

Travens Roman "Das Totenschiff" erzählt das Schicksal eines amerikanischen, staatenlos gewordenen Seemanns, der zuletzt auf einem alten verrosteten Kohlenschlepper anheuert, um dort den maroden Dampfkessel zu versorgen. Solcherart Schiffe wurden auch Totenschiffe genannt, weil sie eigens für den Versicherungsbetrug unterwegs waren. Nach einer Weile ließ man sie mit einem Riff kollidieren oder auf eine Sandbank laufen, und je mehr Männer dabei umkamen, desto lieber. Das erhöhte die ausstehende Versicherungssumme; außerdem entledigte man sich der vielen unliebsamen, staatenlosen Seeleute. Und es kam, was kommen mußte...

Nicht so jedoch in dem Roman von William Voltz: Mehrere Atomkriege zwischen den Jahren 2003 und 2354 haben große Teile der Welt verwüstet. Deshalb setzen die hungernden Massen Terras auf die Sternenschiffe, die die Ernten von fremden Planeten zur Erde transportieren. Doch die Hoffnung ist illusorisch. Die Schiffe sind überaltert, und die Menschen vermögen den Aufenthalt im Weltraum auf Dauer nicht zu ertragen. Jeweils ein Mutant pro Schiff sorgt dafür, daß die Besatzungsmitglieder möglichst lange überleben, dennoch ist ihre Lage katastrophal.

Die Hauptfigur dieses Romans, die mehr oder weniger freiwillig auf so einem Schiff als Lademeister anheuert, erlebt Ähnliches wie der Seemann auf Travens Totenschiff. Viel zu spät erfährt er, daß der größte Teil der zu transportierenden Nahrung unterwegs verrottet. Und das soll auch so sein; denn die Fluggesellschaften profitieren von der Not auf der Erde und auf den Sternenschiffen und unternehmen selbstverständlich nichts, um die bestehende Situation zu ändern. - Doch der neue Lademeister ergibt sich nicht kampflos seinem Schicksal...

Wie die meisten Geschichten von Voltz zeichnet sich auch dieser Roman durch ungewöhnlich starke Personendarstellungen aus. Immer wieder tauchen Figuren in beispielsweise untergeordneten Positionen auf, die dem Leser anfangs eigenartig, verschroben oder sogar brutal erscheinen, und die im Laufe der Handlung die ursprüngliche Lesereinschätzung vollständig über den Haufen werfen.

Die Lösung, die der Autor in diesem Roman anbietet, wird hier nicht verraten. Sie sei sowieso nur reine Spekulation, so äußerte sich Voltz seinerzeit selbst dazu. Mit Visionen, Heilslehren oder dem Eingreifen fremder Mächte - von realistisch denkenden Menschen oft voreilig verdammt - hatte William Voltz nie ein Problem. Im Gegenteil: "Das ermöglicht uns den jeweils nächsten Schritt ins Leben, ohne daß wir denken, es sei ja doch alles umsonst, was wir tun," schrieb er in seinen Vorbemerkungen zur Neuauflage des Romans "Das Schiff des Mutanten" im Mai 1983 (Utopia Classics, 1984 Moewig, Rastatt).


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Leseprobe

Zu der Zeit, als William Voltz dieses bemerkenswerte Vorwort verfaßte, hatte er nur noch wenige Monate zu leben. Und wie so viele Freunde der Science Fiction sind wir geneigt zu glauben, SF-Autoren und ihre Leser gehen nach dem irdischen Leben ganz woanders hin...

Hierzu eine Leseprobe aus wohl einer der schönsten Erzählungen von William Voltz. Anfang der 60er Jahre legte Moewig mit QUARANTÄNE (Terra 316) die erste Kurzgeschichtensammlung des Autors vor, bestehend aus fünf zum Teil schon in Fanzines veröffentlichten Erzählungen. Darunter auch "Der Preis":

Die Geschichte spielt auf Tarat V, einem Ammoniakplaneten mit einer Methan-Wasserstoff-Atmosphäre. Insgesamt acht Forscher arbeiten hier unter einer Stahllit-Kuppel. Nach Ablauf der vereinbarten Zeit wird das Mutterschiff zurückkehren und die Kuppel samt Mannschaft wieder aufnehmen.

Auf Tarat V allerdings kommt es zu einem unerwarteten Zwischenfall: Ein Mannschaftsmitglied hat außerhalb der Kuppel einen Arbeitsunfall und steckt in einem Felsspalt fest, kann jedoch gerettet werden. In diesem Loch sei ihm "Etwas Lebendes" begegnet, so berichtet der verunglückte Alberto Laretto später, was vom Standpunkt des Biologen Faron aus betrachtet auf Tarat V unmöglich ist. Nach kurzer Zeit erkrankt Alberto sehr schwer. Sein Körper beginnt, sich zu verwandeln, und der Arzt Malvin steht hilflos daneben:

Die Erforschung neuentdeckter Planeten birgt immer ein Risiko in sich", sinnierte Malvin. "Ich habe mir schon überlegt, ob die Menschen nicht für jede Welt, von der sie Besitz ergreifen, einen bestimmten Preis bezahlen müssen. Vielleicht sind wir diesmal an der Reihe.
(S. 398)

Um der Sache auf den Grund zu gehen machen sich zwei Männer des Kuppelteams auf den Weg, um das Loch nochmals zu untersuchen:

Hier draußen wirkte der riesige Jaspers wie ein Zwerg, und die Kuppel sah zerbrechlich aus. Ein Methansturm war im Anzug und seine Vorläufer, staubähnliche Wolken und Dunstschleier von Ammoniakschnee, umspülte die Schutzanzüge der beiden Männer. Auf diesem Planeten würde es niemals Leben im menschlichen Sinne geben, um dieser aufgebrachten Natur ein Stück Erkenntnis abzuringen, das ihnen auf dem weiteren Weg zu den Sternen behilflich sein konnte.

Cap Dureau stemmte sich gegen den beginnenden Orkan, ein winziger Mensch inmitten eines Mahlstroms.

War es wichtig zu wissen, welche Naturereignisse sich auf Tara V ereigneten? Was war überhaupt wichtig? War die Erde wichtig, oder er, Cap Dureau, der in einem über zwei Zentner schweren Anzug durch diese Wüste von Ammoniakschnee tappte?

Kleine Forschungsteams lebten in den Stahllit-Kuppeln, die den jeweiligen Verhältnissen angepaßt waren, nahmen Messungen vor, besorgten Analysen, brachten Gesteins- und Pflanzenproben mit und setzten sich mit mehr oder weniger intelligenten Lebewesen auseinander.

Und der Mensch strebte immer weiter voran.

Kolonien zerbrachen, Menschen starben, wurden getötet, kämpften, bauten wieder auf, zäh und unverdrossen. Mittelpunkt war die Erde, von ihr liefen gleich unsichtbaren Fäden die Verbindungen zu allen Stützpunkten. Manchmal riß einer dieser Fäden ab, für kurze Zeit oder für immer. Doch die Zahl der neu entstehenden Verbindungen überwog die der zerstörten bei weitem.

Was war überhaupt wichtig?

(S. 402/403)

Die Untersuchung der Unglücksstelle bringt schließlich nichts Neues. Der Spalt, in den der Italiener gestürzt war, erweist sich als leer. - Und innerhalb der Kuppel erliegt bereits der nächste der unheilvollen Krankheit. Unmut und Angst ergreift die Männer:

"Das heißt, daß wir alle daran erkranken können?" fragte er (Dureau) langsam.

"Mit einiger Sicherheit wird dieser Fall eintreten", erklärte Malvin beinahe sachlich. "Ich kann mir denken, daß keiner von uns immun sein könnte."

"Das ist das Ende", murmelte der Kuppelführer.

"Es ist erst der Anfang, wenn es uns nicht gelingt, einen Ausweg zu finden", knurrte Malvin. "Der Preis, den wir für diesen Planeten bezahlen müssen, ist sehr hoch - zu hoch."
(S. 407, aus: 25 Jahre Heyne Science Fiction & Fantasy 1960-1985, Jubliäumsband, Das Lesebuch, Hg. Wolfgang Jeschke, Heyne München 1985. S. 390-414)

Tatsächlich erwischt es am Ende alle. Keiner bleibt verschont. Aber wie hoch ist der Preis wirklich? Und was hat es mit den merkwürdigen Zeichen auf sich, welche die Todkranken, die die Kuppel schließlich freiwillig verlassen, den Zurückbleibenden zu geben versuchen? Das Winken in die Außenkamera und schließlich das Davonhüpfen in komisch anmutenden Sätzen...


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Erstveröffentlichung 2002

9. Januar 2007