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FRANZÖSISCH/099: Skizzen - Das Schulbuch ungeliebt und doch ein alter Freund (SB)


Skizzen


Das Schulbuch - ungeliebt und doch ein alter Freund



Wer in der Schule mehr oder weniger freiwillig Französisch gelernt, einmal einen Kurs an der Volkhochschule oder gar dem französischen Kulturinstitut, dem "Institut Français" belegt hat, verfügt vielleicht noch über das eine oder andere Lehrbuch. Vielfach erscheinen diese höchst antiquiert, sind womöglich noch ausgestattet mit den für die 60er oder 70er Jahre charakteristischen Illustrationen - Strichzeichnungen und Schwarzweißfotographien von Schnörkeltischen, Bubikopf, wippenden kurzen Mäntelchen und Hosen mit Schlag. Nun, lassen Sie sich versichern, das neueste Buch ist nicht zwingend auch das bessere.

Im Vergleich zu modernen Schulbüchern wirken die älteren Sprachlehren übersichtlich und konzentriert, vielleicht ein wenig schlicht. Auf den ersten Blick versprechen sie wenig Unterhaltung. Das hingegen versprechen aktuelle Schulbuchfassungen um so mehr und muten dem unerfahrenen Sprachschüler ein ziemliches Maß an Verwirrung zu. In der Regel ist diesem ein modernes Buch, soviel Anregung auch immer es verheißt, ohne konzentrierte, zugewandte Anleitung ein unzugänglicher Wust. Und so verleitet dieser auch kaum dazu, sich dem Lernstoff mehr als nötig und von der Schule vorgegeben zu widmen. Mag sein, daß die konventionelle, verstaubt anmutende Sprachlehre dies ebenso wenig zu leisten vermag, dennoch läßt sie in der Regel die ruhige und neugierige Beschäftigung mit dem Lernstoff zu.

Kennt man das Buch aus früheren Zeiten hat man zudem den nicht zu unterschätzenden Vorteil, daß es einem seltsam vertraut vorkommt. Dies muß nicht das allzu bekannte Schulgähnen nach sich ziehen, nein, was gerade noch verwirrend und unerschließbar schien, zeigt sich als einfache, übersichtliche Struktur, auf die man sich gern verläßt. Denn sie führt ganz offensichtlich geplant in bestimmten Schritten, die jederzeit überschaubar und abrufbar sind, zum Lernziel, also einem zunehmenden Verständnis der französischen Sprache.

Nun, unabhängig von Schulzwängen, ist man plötzlich in der Lage, das Buch einfach von vorn bis hinten zu durchstöbern, zu lesen oder sich Lektion für Lektion einzuverleiben. Ganz nebenbei bemerkt man in der besonders verhaßten Schulgrammatik eine Unmenge von Nebeninformationen und Sprachtips, die sich, ist man danach auf der Suche, recht schwer finden lassen. Nehmen Sie zum Vergleich einmal eine ungewohnte Übungs- oder Kurzgrammatik zur Hand, schlagen Sie eine bestimmte Fragestellung nach und prüfen Sie, wie hilfreich diese ist, wenn Sie nicht im Prinzip sowieso schon wissen, wonach Sie warum suchen und was die Lösung Ihres Grammatikproblems ist. Ganz sicher besteht die Schulfassung den Test ohne Mühe.

Besitzen Sie keines Ihrer Schulbücher mehr? Nichts hindert Sie daran, Ihre Leihbücherei zu durchstöbern, das Antiquariat oder bei Bekannten nachzufragen, denn eine Neuauflage ist unwahrscheinlich. Sehen Sie zum Vergleich einmal Ihren oder fremden Kindern über die Schulter. Möglicherweise sind diese zu bedauern und bedürfen dringend Ihrer Hilfe, um dem Sprachwust und sprunghaft vielfältigen Angebot heutiger Lehrwerke zu entkommen. Fassen Sie diese als Rätsel oder Puzzle-Aufgabe auf und steuern Sie gemeinsam durchs Labyrinth.


Erstveröffentlichung am 7. Januar 2001


2. November 2007