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KALTE PLATTE/0035: Klatsch auf krossen Kräckern (SB)


Satirische Canapés und Cocktailbissen


Affiger Schlips

Der CDU-Politiker Jens Koeppen löste kürzlich im Deutschen Bundestag einen heftigen Konflikt aus, weil er die Abgeordneten Andrej Hunko (Linke) und Sven-Christian Kindler (Grüne) aufforderte, eine Krawatte zu tragen. Nur so könne laut Koeppen die Würde des Hauses angemessen gewahrt werden. Hunko und Kindler durften daraufhin nicht wie geplant als Schriftführer neben dem Bundestagspräsidenten Platz nehmen und waren darüber mehr als empört.

Echtes Affentheater? Stimmt! Denn eigentlich ist der Affe schuld. Auch wenn die meisten Menschen eben jene Verhaltensweisen, die sie aus Menschenaffenhordenzeiten herübergerettet haben, durch vermeintlich rationale Argumente zu vermenschlichen trachten. Denn diese archaischen Verhaltensmuster fühlen sich so stimmig, so rund und so richtig an, daß immer wieder auf sie zurückgegriffen wird. Zum Beispiel auf das Präsentieren eines länglichen Stoffstreifens zwischen Hals und Hüfte, namentlich das Tragen einer Krawatte, beim Bekleiden übergeordneter Positionen.

Den in regelmäßigen Abständen wiederkehrenden Krawattenstreit als verkappten Konservativismus/Moderne-Dissens abzuhandeln, würde der Sache nicht gerecht. Wurzelt doch das ritualisierte Präsentieren spezifischer Objekte durch männliche Personen, wie eben der Krawatte, aber auch des Gewehrs, in der Drohhaltung von Affen und nicht, wie oft angenommen, in der verbindlichen Vereinbahrung eines Dresscode oder einer beliebig ausgewählten Pose. Besagte Affen-Drohhaltung, nämlich das Präsentieren des Genitals, gehört bei verschiedenen Affenarten zum angeborenen männlichen Verhaltensrepertoire.

Die verhaltensgeschichtliche Brücke zwischen der Genitalpräsentation der Affen und der Krawattenpräsentation mancher Kulturvölker wird bei den nacktgehenden Naturvölkern vermutet, deren männliche Angehörige durch das Tragen mehr oder weniger verzierter Penisstulpen (z.B. die Papua) ihre Bereitschaft zur Verteidigung des Clans signalisieren.

Sollte sich angesichts dessen Krawattenzwang-Befürworter Koeppen nicht konsequenterweise für ein kurzes Begrüßungs-Brusttrommeln jedes Redners zum Erlangen der allgemeinen Aufmerksamkeit im Bundestag einsetzen? Hunko und Kindler dagegen sollten es nicht allein bei der Verweigerung krawattengestützter Drohgebärden belassen, sondern könnten beispielsweise der freundlichen Geste des Händeschüttelns (ursprünglich ritualisierte Nahrungsübergabe unter Affen) durch Verteilen von Naschwerk an ihre Gesprächspartner ganz neue Substanz verleihen.

31. Januar 2011