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BIBLIOTHEK/404: Die Bibliothek der Uni Trier - mehr als Bücher (Universität Trier)


Universität Trier - Pressemitteilung 31.08.2009

Die Bibliothek an der Universität Trier - mehr als Bücher:
Feste für das Auge - Stoff für den Verstand

Ein Rückblick auf Ausstellungen der vergangenen Jahre in der Universitätsbibliothek


Dass es die Aufgabe einer Bibliothek ist, möglichst geräuschlos ihr ureigenes Produkt anzubieten, nämlich Information, scheint selbstverständlich: Je weniger man von der Arbeit einer Bibliothek bemerkt, umso besser. Doch wären Bibliotheken nichts als Relaisstationen für den Datenfluss, sie ließen sich bald vollständig durch Glasfaserkabel ersetzen, und niemand würde sie vermissen. Bibliotheken sind immer auch mehr: sie sind soziale Räume, physisch, ja sogar emotional erlebbare Lernorte und im besten Fall auch ein Fokus kultureller Ereignisse und Energien, die Erkenntnisgewinn und ästhetische Erfahrung miteinander verbinden.

Wie zum Beispiel an jenem Tag im Oktober 2007, als die große Halle der Trierer Bibliothekszentrale plötzlich wie verwandelt war. Meterlange, leuchtend bunte Stoffbahnen hingen aus den oberen Regionen herab wie im Audienzzelt des Großmoguls und ließen das Auge weit in die Höhe wandern: zum Erlebnis der ungewohnten Farbenpracht kam ein völlig neues Raumgefühl. Allerdings war das Fest für die Augen, was viele bedauerten, keine Dauerinstallation, sondern Teil der Ausstellung "Saris - gewebte Texte aus Indien" mit Stücken aus der Kollektion von Maria Blechmann-Antweiler (Köln). "'Augenlust' und 'wahre Erkenntnis'" hieß vor Jahr und Tag eine Schau mit Blättern aus der graphischen Sammlung der Universität - nicht mehr und nicht weniger möchten die Ausstellungen der Bibliothek seit den Anfängen des Hauses bieten. Nur schienen Exponate und Ausstellungsraum selten so füreinander geschaffen wie hier.

Die neue Ausstellungshalle war das Geschenk, das die Bibliothek sich und ihren Benutzerinnen und Benutzern nach den sieben mageren Jahren einer entbehrungsreichen Rundumsanierung machte. Anfang 2006 war direkt im Eingangsbereich der Bibliothekszentrale ein offenes Areal entstanden, großzügig bemessen, lichtdurchflutet und dazu angetan, Besucherinnen und Besucher ohne Schranken und Barrieren unmittelbar in die Präsentation hineinzuziehen.

Damit ließ sich etwas machen. Fast zwanzig Ausstellungen hat die Halle, kontinuierlich bespielt, in den Jahren seit ihrer Eröffnung erlebt, als Schaukasten eigener Schätze des Hauses, als Bühne für relevante Konzepte externer Aussteller, als Ort überregionaler und internationaler Kooperationen und natürlich als Forum für relevante Themen aus dem Bereich der alma mater selbst - so etwa, wenn engagierte Trierer Hochschullehrer ihre Forschungsleidenschaften mit der Öffentlichkeit in- und außerhalb der Universität teilten.

Das war der Fall, als der Trierer Germanist Prof. Dr. Gerhard Schaub, als Dada-affiner Aussteller mit einer Mission, 2007 in seiner multimedialen Schau "Schwitters... und kein Ende" das Thema "Werk und Wirkung des Merzkünstlers" mit Stücken aus seiner eigenen Schwitters-Sammlung illustrierte, ergänzt durch wertvolle Leihgaben. Im gleichen Jahr zog sein Fachkollege Prof. Dr. Walter Röll unter dem Titel "Friedrich Bodenstedt und die Lieder des Mirza Schaffy - ein Bucherfolg" eine Summe seiner langjährigen Beschäftigung mit einem heute vergessenen literarischen und verlegerischen Phänomen des 19. Jahrhunderts und legte Editionen aus seiner Sammlung vom Billigbuch bis zum Prachtband neben Exemplare aus dem Bestand der Bibliothek.

Nicht so sehr Vergessenes als vielmehr seit jeher kaum Bekanntes brachte eine andere vielbesuchte Ausstellung unter dem Titel "Freimaurer - kein Geheimnis" (2007) ans Tageslicht. Realisiert in Zusammenarbeit mit der Freimaurerloge Trier, kombinierte sie Maurer-Zimelien aus dem Bestand der Bibliothek mit reichem Informationsmaterial und vor allem mit vielen handfest greifbaren, aber selten in der Öffentlichkeit gezeigten Objekten aus dem praktischen Leben der Freimaurer. Wer schon immer wissen wollte, was es mit scheinbar mysteriösen Symbolen und Gerätschaften wie Winkel, Kelle, Schurz und Stein auf sich hat, konnte sich uneingeschränkt kundig machen, und obendrein winkte ihm ein beträchtliches ästhetisches Vergnügen an der künstlerischen Gestaltung vieler dieser Stücke.

Die Freimaurer-Dokumentation war ein veritabler Augenöffner, der weit über die Region hinaus auf große Resonanz beim Publikum und in den Medien stieß. Dasselbe lässt sich von einer wohl einzigartigen Schau sagen, die zu den Ausstellungshöhepunkten 2008/09 gehörte. Man stelle sich vor: Karl V. unter der Sonne seiner kastilischen Residenz krakelt ein "Carolus" unter das Adelspatent für einen fernen polnischen Granden; Napoleon auf der Höhe seiner Macht hat bloß Zeit für einen Blitz mit "N" davor, als er einen seiner Offiziere baronisiert; im neuen Kaiserreich, wie unter seinem Nachfolger Sarkozy, muss alles ganz schnell gehen, und ein Jahr später liegt der Geadelte schon tot in Russland.

Solche Szenen, plus die historische Präsenz von Kaiserin Maria Theresia, Katharina der Großen und einem Dutzend weiterer Persönlichkeiten der europäischen Geschichte, wurden lebendig in der Ausstellung "Nobilitätsurkunden aus der Sammlung Niewodniczanski" in Gestalt prachtvoll ausgestatteter Adelsurkunden mit den persönlichen Signaturen illustrer Potentaten aus der Zeit vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Sie sind ein bisher wenig bekannter Teil der Sammlung von Dr. Dr. h.c. Thomas Niewodniczanski (Bitburg), die vor allem durch ihren unvergleichlichen Bestand an Landkarten und Autographen internationales Renommee besitzt. Einige der in Trier gezeigten Dokumente liegen inzwischen als Schenkung dauerhaft im Warschauer Schloss. Im Rahmen der Ausstellungsvorbereitung wurden die Urkunden von den Trierer Historikern Michael Anschütz und Roland Struwe im Auftrag der Bibliothek wissenschaftlich erschlossen; die Ergebnisse dieser Arbeit sind in einem von der Bibliothek herausgegebenen, farbig illustrierten Ausstellungskatalog gleichen Titels dokumentiert, der nach wie vor käuflich erworben werden kann.

Überregionale und internationale Kooperation ist eine Selbstverständlichkeit angesichts der exponierten Lage der Universität und aus der Trierer Ausstellungsplanung nicht mehr wegzudenken. "Wissenschaft, Planung, Vertreibung", eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) konzipierte Dokumentation zur Geschichte dieser Institution im Nationalsozialismus machte von Mai bis Juli 2009 in der Bibliothek Station, komplett mit historischen Audio- und Videomaterialien und einer das Thema bedrückend vergegenwärtigenden Ausstellungsarchitektur, und vermittelte einen Einblick in die enge Verflechtung von akademischer Forschung, rationaler Planung und Forschungsförderung im Dienste der nationalsozialistischen Eroberungs- und Vernichtungspolitik.

Und nachdem bereits eine Reihe von Dokumentationen grenzübergreifend im Drei- bis Vierländereck der Großregion zustande gekommen war ("Ansichten jüdischen Lebens an Rhein, Maas und Mosel" gehörte 2006 dazu, ebenso wie 2008 ein historischer Blick auf das brandaktuelle Thema "Migration"), konnte eine der jüngsten Präsentationen in Zusammenarbeit mit Luxemburgs renommierter Ausstellungshalle für Gegenwartskunst, dem "Casino", realisiert werden: von August bis Oktober 2009 zeigte sie am Beispiel von dessen Publikationen und Ausstellungskatalogen Beispiele innovativen Buchdesigns ganz nahe am Puls zeitgenössischen Kunstschaffens.

Wollte man die lange Liste eindrucksvoller Ausstellungsbeiträge regionaler und überregionaler Initiatoren en detail fortführen, ein ganzes Heft wäre dafür notwendig. Statt dessen soll hier nur auf eine weitere Veranstaltung eingegangen werden, die gewiss zu den bewegendsten in der Geschichte der Trierer Bibliotheksausstellungen gehört.

Marianne Elikan ist die letzte noch lebende Frau aus der Region Trier, die die Judenverfolgung im "Dritten Reich" überlebt hat und davon berichten kann, durch ihr unmittelbares Zeugnis und durch Texte und Erinnerungsstücke aus der damaligen Zeit: aus der Zeit der Verfolgungen in Trier, der Deportation als Dreizehnjährige nach Theresienstadt im Jahre 1942, wo sie 33 Monate interniert war, und der Rückkehr nach Trier, knapp dem Tode entronnen, nach Kriegsende. Erst als fast Achtzigjähre vertraute sie ihre Aufzeichnungen dem Trierer Historiker PD Dr. Thomas Schnitzler an, der sie als Buch herausgab und in einer eindrucksvollen Ausstellung Dokumente aus dem Leben Marianne Elikans in den Kontext von Judenverfolgung und Holocaust zwischen Trier, Theresienstadt und Auschwitz stellte. In Zusammenarbeit mit dem Emil-Frank-Institut (Wittlich) wurde sie im März/April 2009 in der Bibliothek gezeigt, mit einer Fülle beklemmender Zeitzeugnisse, über den unmittelbaren biographischen Rahmen hinausgingen und den Weg aufzeigen, der für Abertausende von Marianne Elikans Mitgefangenen weiter in die Vernichtungslager führte. Frau Elikan hat die Ausstellung mehrfach besucht und viel dem Erlebten persönlich mitgeteilt.

Es sind niemals tote Stücke, die da in den Vitrinen der Trierer Ausstellungshalle liegen, sondern Kristallisationspunkte für Begegnungen und lebendige Erfahrungen. Das gilt ebenso auch für die Ausstellungseröffnungen, die immer wieder Interessierte aus der Universität, der Stadt Trier und der Region zusammenführen, für Vorträge, die neue Sichtweisen auf das Ausgestellte vermitteln, und für denkwürdige Begleitveranstaltungen. So mancher wird sich noch an den Abend erinnern, an dem der Rezitator Bernhard Plum parallel zur Schwitters-Schau die Ausstellungshalle in eine dadaistische Aktionszone verwandelte, und dass die Eröffnung der Sari-Ausstellung in eine Vorführung indischen Tanzes nebst allgemeiner Anprobe mündete, wird nur den verwundern, der beim Stichwort "Bibliothek" ausschließlich an Bücher denkt. Nun, Bücher gab und gibt es immer auch zu sehen, aber dass die Bücher ihren Platz im Leben haben, nicht zuletzt an diese einfache Tatsache wollen die Ausstellungen der Universitätsbibliothek immer wieder erinnern. (kg)


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Quelle:
Pressemitteilung: 31.08.2009
Universität Trier, Stabsstelle Präsident
Pressestelle Leitung: Heidi Neyses M.A.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2009