Schattenblick →INFOPOOL →BUCH → FAKTEN

MELDUNG/010: 175 Jahre Echtermeyer (idw)


Franckesche Stiftungen zu Halle - 18.02.2011

175 Jahre Echtermeyer

Zum Jubiläumsjahr einer der bedeutendsten Schulbuchausgaben deutscher Lyrik aus den Franckeschen Stiftungen zu Halle


Im Jahr 2011 feiert die Lyrikanthologie Echtermeyer ihr 175. Jubiläum. Ernst Theodor Echtermeyer (1805-1844), seit 1831 Lehrer am Königlichen Pädagogium der Franckeschen Stiftungen, hatte 1836 im Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses mit der ersten Ausgabe der Lyrikanthologie ein Schulbuch veröffentlicht, das über mehr als ein Jahrhundert hinweg deutschlandweit Generationen von Schülern prägte.

Seit über 300 Jahren sind die Franckeschen Stiftungen zu Halle ein Ort der Bücher und trotzdem ist die erfolgreiche Schulbuchproduktion an den Franckeschen Stiftungen heute fast in Vergessenheit geraten. Das gedruckte Wort stand im Mittelpunkt der Idee einer pietistischen Weltreform des Stiftungsgründers August Hermann Francke (1663-1727), die auf dem Zugang zu Bildung und damit zum Wissen der Zeit von Kindern aller Stände aufbaute. 1698 gründete er das Hallesche Waisenhaus, eine Schulstadt, die bereits im 18. Jahrhundert europaweit ausstrahlte. Nur 30 Jahre später lernten an den Deutschen und Lateinischen Schulen sowie am Königlichen Pädagogium über 2000 Kinder.

Bücher waren das geistige Zentrum des Pietismus und sie waren in einer Zeit, in der "ein jeder Bogen [Papier] noch zwey und dreyßig mal durch die Hand gehen" musste, wie das Zedler Universallexikon aus dem Jahr 1740 beschreibt, sehr teuer. Dessen ungeachtet sah das inhaltliche und organisatorische Gesamtkonzept der Schulstadt August Hermann Franckes nicht nur Bibliotheken, also den Gebrauch von Büchern vor. Von Beginn an plante er die Errichtung eines eigenen Verlags mit Buchhandlung und Druckerei. Dank des kurfürstlichen Privilegs von 1698 und der hohen Qualität der hallischen Druckerzeugnisse wurde die Verlagsbuchhandlung schnell zur tragenden Säule der Finanzierung der Schulstadt. Der Schwerpunkt des Verlagsprogramms lag neben theologischen Werken vor allem auf Schul- und Studienbüchern. Bis in das 20. Jahrhundert hinein waren die Lehrbücher der Buchhandlung des Waisenhauses Standardwerke der Schulbuchliteratur.

Bücher waren bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts überall in den Franckeschen Stiftungen zu finden und zum Teil sogar öffentlich zugänglich. Die Verlagsbuchhandlung im Waisenhaus hielt eine ansehnliche Zahl Bücher für die Schüler und Lehrer der Stiftungen sowie interessierte Hallenser bereit, da der Absatz der eigenen Produktion oftmals in Form von Büchertausch erfolgte. Die erste Bibliothek wurde im Waisenhaus selbst eingerichtet. Mit dem sich schnell verbreitenden exzellenten Ruf des Halleschen Waisenhauses gingen zahlreiche Schenkungen berühmter Zeitgenossen einher. Ergänzt durch die gezielte Anschaffungen für den Unterricht in den Schulen und den stetig wachsenden Bestand der eigenen Druckerzeugnisse wuchs der Bibliotheksbestand so schnell an, dass ein Neubau geschaffen werden musste. In den Jahren 1726-28 entstand am oberen Lindenhof der Franckeschen Stiftungen das heute älteste profane Bibliotheksgebäude Deutschlands mit der Kulissenbibliothek. Seit jener Zeit lädt sie Bücherfreunde und Forscher aus Halle und der ganzen Welt in diesen besonderen Wissenskosmos ein. Bereits Albrecht von Haller, Johann Joachim Winkelmann und Johann Wolfgang von Goethe bewunderten die thematisch erstaunlich breit gefächerte Sammlung, die in einem einmaligen Bibliotheksraum untergebracht ist.


Noch bis zum 28. März bietet das Historische Waisenhaus der Franckeschen Stiftungen mit der Ausstellung "Struwwelpeter&Dornröschen. Historische Kinderbücher aus einer Privatsammlung" einen repräsentativen Überblick über 400 Jahre deutscher Kinderbuchliteratur.

Sonderführung mit dem Sammler Werner Ziesel am 24. Februar 2011, 18 Uhr mit der einmaligen Präsentation der unikalen Erstausgabe des Echtermeyer.

Franckesche Stiftungen zu Halle
Francke-Wohnhaus, Historisches Waisenhaus, Historische Bibliothek
Öffnungszeiten Di-So 10-17 Uhr
www.francke-halle.de



Literatur:

Helmut Obst/Paul Raabe: Die Franckeschen Stiftungen zu Halle (Saale). Geschichte und Gegenwart. Halle 2000. ISBN 3-930195-35-6. (fliegenkopf verlag)

Brigitte Klosterberg: Die Bibliothek der Franckeschen Stiftungen. Fotografien von Klaus E. Göltz. Halle 2007. ISBN 978-3-931479-99-2

Julia Kreusch: Der Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses als Schulbuchverlag zwischen 1830 und 1918. Die erfolgreichen Geografie- und Geschichtslehrbücher und ihre Autoren. Hallesche Forschungen, Bd. 25, Tübingen 2008. ISBN 978-3-447-06360-9

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution1109


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Franckesche Stiftungen zu Halle, Friederike Lippold, 18.02.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2011