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REZENSION/059: John Grisham - The Partner (Justizthriller] (SB)


John Grisham


The Partner



Der amerikanische Autor John Grisham ist weniger durch seine schriftstellerische Arbeit als mit der Inszenierung seiner Romane durch die Filmindustrie Hollywoods aufgefallen, und wer sein jüngstes Buch "The Partner" liest, weiß wieso. Hatte sich Grisham bei einem frühen Werk wie "The Chamber" noch mit längeren Reflektionen seines Helden, eines jungen Anwalts, über existenzielle Fragen zur eigenen Person den Anschein bemühten Tiefgangs gegeben und hatte er mit der Auswahl des Themas, des Todesurteils gegen einen weißen Rassisten, zumindest prinzipielle Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit einem umstrittenen Sujet bewiesen, so vermittelt "The Partner" nicht einmal den Hauch einer Erinnerung an Widersprüche persönlicher wie gesellschaftlicher Art.

Natürlich war und ist John Grisham ein Thrillerautor reinsten Wassers, nur weist dieses mittlerweile nicht mehr Geschmack auf als ein destilliertes Laborprodukt, so reißbrettartig abgezirkelt sind seine Plots und so klischeehaft gestanzt wirken seine Protagonisten. Die Geschichte um einen, wie sollte es anders sein, Anwalt, der seinen eigenen Tod inszeniert, um sich mit einer großen Summe Geldes aus dem Staub zu machen, nimmt anfangs zwar durchaus diese oder jene überraschende Wendung, hat man seinen Helden jedoch einmal als solchen erkannt, macht sich zusehends Langeweile breit.

Von dem Moment an, wo er sich in der Hand seiner diversen Verfolger befindet, die ihm arg zugesetzt haben, um an das Geld zu kommen, verwandelt sich die geplante Abrechung seiner ehemaligen Kollegen aus der Anwaltskanzlei, daher der Titel des Buches, des eigentlichen Besitzers des Geldes sowie der Bundesbehörden und der staatlichen Jurisdiktion in eine Geschichte unbezwingbarer anwaltlicher Schläue. Von nun an ist die Marschrichtung einer aus der Haft heraus vorgetragenen Selbstbehauptung nach allen Kniffen der Jurisprudenz so gradlinig, daß lediglich die Art und Weise advokatischer Winkelzüge interessieren kann, mit denen das absehbare Ende einer Erfolgsstory angepeilt wird.

John Grisham hat nicht etwa den Beruf gewechselt und ist Schriftsteller geworden, der Anwalt widmet sich lediglich der professionellen Übersteigerung leichtverdaulicher Fallgeschichten, denen in jeder Phase eine alles andere dominierende Berufserfahrung anzumerken ist. Dabei zeigt sich der vorliegende Roman mehr denn je als Entwurf eines Drehbuchs, seitenlang wirkt er wie ein Dialogskript, an dem bei absehbarer Verfilmung nicht mehr viel Arbeit zu verrichten ist. Auch die Darstellung der einzelnen Handlungsträger wird wenig Schwierigkeiten bereiten, sie entsprechen so sehr den bereits bekannten Anwälten, Richtern und Staatsanwälten aus anderen Grisham-Inszenierungen, die sich wiederum deutlich an die realen, aus Liveübertragungen amerikanischer Strafverfahren bekannten Vorbilder anlehnen, daß man sich kaum der cineastischen Imagination erwehren kann, die sich bei der Lektüre vor das innere Auge schieben.

Es ist die Penetranz einer selbstzufriedenen Kultur, in der Rechtsprechung zu einem Unterhaltungsphänomen erster Güte und die Aburteilung von Kinderschändern und Mördern zu einem Volksfest geworden ist, die jede Zeile in Grishams Romanen zu einem Angriff auf alles macht, das sich nicht in legalistischer Manier zwischen Paragraphen und Gitterstäbe zwängen lassen will, und das unter Lesen etwas anderes versteht als die Fortsetzung alltäglicher Rechthaberei. Die dramaturgisch dichtesten Momente des Buchs sind immer diejenigen, in denen den naseweisen Anwälten der gegnerischen Partei nach Strich und Faden die Leviten gelesen werden können, wobei sich alles natürlich im kühlen Jargon juristischer Profis abspielt.

Wenn Grishams Held nicht ständig irgendwelche rechtlichen Probleme zu bewältigen hat, verendet er über die Strecke weniger Zeilen an Substanzlosigkeit. Der Rechtsstreit ist sein Lebenselixier, ohne daß er nicht einmal das Profil eines gutbürgerlichen Heimwerkers erlangt. Alle Versuche, ihn durch die vage Definition eines Lebensziels unter südlicher Sonne mit Individualität zu versehen, resultiert in Beschreibungen, die einem Reiseprospekt entnommen sein könnten, und menschliche Freundschaft findet natürlich nur unter Anwälten, also in eindeutig definierten Handelsverhältnissen, statt.

Gerade weil Grishams in der englischen Ausgabe bei Doubleday erschienenes Buch "The Partner" so einseitig im Milieu justiziabler Rechthaberei angesiedelt ist und von Sympathieträgern mit midlife-crisis-generierten Aussteigerträumen bevölkert wird, bildet es ein vortreffliches Dokument zeitgenössischer Armseligkeit. Es ist ein Thriller und als solcher kein Werk der Hochliteratur, doch es hält dem Leser deutlich das eigene Interesse am gesellschaftlichen Trieb hin zu einer ausschließlich von Verordnungen und Gesetzen beherrschten Welt vor, in der man ohne Anwalt gar nichts ist und in der es für jeden noch so argen Widerspruch eine rechtliche Fassung gibt. Die "Verrechtung", so das neudeutsche Wort für den politischen Legalismus unserer Tage, des Lebens findet in Grisham seinen angemessenen Laureaten, denn selbst wenn seine Helden Dreck am Stecken haben, vor dem Gesetz findet alles sein gutes Ende, man muß nur wissen, wie man es im eigenen Sinne manipuliert. Diese Botschaft kommt gut an, verheißt sie doch Zugriff auf jenen Rest des Lebens, der noch nicht vollkommen reguliert ist und daher die Möglichkeit einer Flucht hinaus aus alledem suggeriert.


John Grisham
The Partner
Doubleday