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REZENSION/007: Johannes Fiebag - Die Anderen (Ufologie) (SB)


Johannes Fiebag


Die Anderen

Begegnungen mit einer außerirdischen Intelligenz



Von der ersten bis zur letzten Seite ist diesem Buch deutlich anzumerken, daß der Autor krampfhaft nach einer Marktlücke auf dem stark abgegrasten Feld der Ufologie gesucht hat. Es beginnt bereits mit dem Einband, auf dem ein maskenhaft stilisiertes Gesicht eines Außerirdischen (vermutlich von der Rasse der Greys) abgebildet ist, eine Darstellung, die sich offensichtlich an der sehr erfolgreichen Vorlage "Die Besucher" vom Bestseller-Autor Whitley Strieber orientiert. Es hat fast den Anschein, als versuche Fiebag in Striebers sicherem Fahrwasser an dessen Erfolg zu partizipieren. Allerdings kommt man nicht umhin zu bemerken, daß es ihm dabei tatsächlich gelingt, sich noch unterhalb von Striebers Niveau zu begeben, der zumindest seine Herkunft als Horror-Autor nicht verleugnet hat und in seinem Buch ein düster visionäres Bild seiner eigenen Abduction (Entführung durch Außerirdische) schildert.

Fiebag hingegen schießt weit über das Ziel hinaus, wenn er im Untertitel "Begegnungen mit einer außerirdischen Intelligenz" verspricht, im Text jedoch nichts anderes macht, als altbekannte und vielfach wiederholte Episoden zu bringen, die man vor etlichen Jahren bereits in den entsprechenden Fachmagazinen oder anderer Ufo-Literatur gefunden hat. Abgesehen vielleicht vom Fall des Jürgen Rieder (Pseudonym). Ihm widmet er mehr als zehn Seiten, in denen auf Schülerzeitungsniveau eine Begegnung mit Außerirdischen wiedergegeben wird, denen der Zeuge in Süddeutschland begegnet sein will.

Was Fiebag versucht, aber nicht im mindesten halten kann, ist die Herleitung eines übergreifenden Rahmens sowohl für unerklärte Ufo- oder Alien-Begegnungen gleichsam wie für Sagengestalten aus Mythen und Legenden. Mit den "Anderen" schafft er einen Terminus, der alles und zugleich nichts aussagt. Natürlich kann er zu jeder Begegnung der dritten oder vierten Art behaupten, daß sich wieder einmal die "Anderen" dafür ursächlich verantwortlich zeichnen, ganz so wie sie schon vor Jahrhunderten den Menschen als Feen, Kobolde und Götter begegnet sein sollen. Aber wenn er schon eine so kühne These aufstellt, sollte er wenigstens ein winzig kleines Indiz dafür bringen. Da kommt jedoch nichts, rein gar nichts. Statt fundierter Geschichtsforschung und faßbarer Thesenentwicklung versucht Fiebag, den Leser von Anfang an durch beharrliches Aneinanderfügen von Allgemeinplätzen einzuschläfern:

Wir werden sehen. Und wir werden eine Entdeckungsreise machen, die uns hinaus in die Tiefen des Universums und hinein in die Welt der Seele führen wird. Wir werden bald bemerken, daß beides auf untrennbare Weise miteinander verbunden ist und daß das, was wir als 'Wirklichkeit' betrachten, nur eine Facette ist, ein von uns wahrgenommenes 'Bild' der Welt. (S. 24/25)

Die "Entdeckungsreise" beschränkt sich leider auf die Entdeckung, daß man all die Geschichten schon einmal gelesen hat. Und mit dem Versprechen der Weite des Universums, die man eigentlich in einem selbst findet, knüpft er an vermeintliche Weisheiten an, die schon seit Jahrzehnten als Abfallprodukt esoterischer Weltanschauung immer wieder auf den Abreißzetteln werbetragender Kalenderblättchen auftauchen.

Gleichzeitig schreitet Fiebag über formallogischen Unsinn locker hinweg, denn um die "Tiefen des Universums" mit der "Welt der Seele" untrennbar zu verbinden, muß er sie zuvor bereits getrennt und als zwei verschiedene Dinge wahrgenommen und definiert haben. Aber das macht ja nichts, denn wer einen so abgehobenen Standpunkt für sich beansprucht, die Wirklichkeit als bloße "Facette" erkennen zu können, der braucht sich schließlich nicht um die Widersprüche menschlicher Sprachentwicklung zu kümmern. Indes, Fiebags Ansatz ist nicht neu. Die Vorstellung, daß sich der Mensch nur "Bilder" von der Wirklichkeit macht, ist bereits ein lauwarmer Aufguß mehrfach ausgekochter Überreste von dem, was früher einmal Philosophen wie Platon und andere mit "Idee" oder "Schatten der Wirklichkeit an einer Höhlenwand" zum philosophischen Disput bereitgestellt hatten.

Im übrigen korrigiert Fiebag seine eigene These dahingehend, daß der Mensch sich zwar Bilder mache, aber daß diese eigentlich Projektionen einer übergeordneten Macht - eben der Anderen - seien, die sich der menschlichen Vorstellungen, Wünsche und Motive bediene. Wozu "die Anderen" dann die menschlichen Wünsche überhaupt noch benötigen und ihre Projektionen danach ausrichten, bleibt - wie so vieles bei Fiebag - verborgen.

Aber nicht nur Fiebags kaum erkennbarer theoretischer Hinterbau weist erhebliche Lücken auf, auch die Darstellung seiner Fallbeispiele läßt mehr als zu wünschen übrig. Zum Beispiel bei dem angeblichen "Fall des Jahrhunderts", also der Entführungsgeschichte Linda Cortiles (Pseudonym für Linda Napolitano) durch Außerirdische. Der Begriff "Fall" wäre bei der Beschreibung ihrer abenteuerlichen Geschichte noch sehr verharmlosend, "Absturz" wäre da schon bezeichnender. Denn Linda Napolitano hatte schon längere Zeit vor(!) ihrer eigenen Entführung durch Außerirdische regelmäßig an Sitzungen des Ufo- Forschers Budd Hopkins für "Entführungs-Betroffene" teilgenommen. Für jeden seriösen Ufo-Forscher wäre das Anlaß genug, ihre Geschichte nach weiteren Hinweisen auf Besonderheiten und Widersprüche abzuklopfen.

Tatsächlich haben sich andere die Mühe gemacht und einige krasse Ungereimtheiten aufgedeckt; nicht jedoch Johannes Fiebag. Für ihn war die Geschichte als Einstieg in sein Buch einfach zu geeignet - warum sich also noch die Mühe machen, die allgemein vorherrschende Einigkeit der Ufo-Forscher über diese Abduction- Geschichte zu hinterfragen?

Sicherlich sehr zu seinem Leidwesen hat sich der Abduction- Fall inzwischen nachweislich in weiten Bereichen als haltlos erwiesen. Beispielsweise hat sich die Behauptung, Perez de Cuellar habe Linda Napolitanos Entführung aus einem Hochhaus in Manhattan auf seiner Fahrt zu einem Hubschrauberlandeplatz beobachtet, als bloßes Phantasieprodukt herausgestellt, denn zu der angegebenen Zeit waren gar keine Hubschrauberflüge angesetzt; außerdem hätte es mit Sicherheit für erheblichen Wirbel gesorgt, wenn der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen tatsächlich mit seinem Wagen frühmorgens inmitten von New York stehengeblieben wäre, um eine Frau zu beobachten, die aus einem Hochhaus zu einem in der Nähe befindlichen Ufo schwebt und darin verschwindet. Um nur einige von vielen offensichtlichen Widersprüchen aufzuführen, die Fiebag trotz oder ohne besseres Wissen den Lesern vorenthalten hat.

Doch es geht Fiebag auch gar nicht um eine Aufklärung von bestimmten, bislang unerklärlichen Ereignissen, er zeigt mehr ein journalistisch-vampiristisches Interesse an den Fallbeispielen. Für ihn ist jede Story Nahrung, er braucht sie und preist sie marktschreierisch als "Panoptikum des Schreckens" an, da ansonsten sein zusammenhangsloses Stückwerk von Behauptungen, hinter all den vielen unerklärlichen Ereignissen steckten seit Menschheitsbeginn "die Anderen", auf das einfache Glaubensbekenntnis zu reduzieren wäre: Die Anderen gibt es, weil Fiebag an sie glaubt.

Indem er diese Wesen ursächlich an jeder beliebigen Stelle einsetzt, unterstellt er von vornherein eine geschichtsübergreifende Gemeinsamkeit, die erst noch bewiesen werden müßte. Wenn ein Autor behauptet, eine neue Theorie zum Ufo- Phänomen zu bringen, sollte der Leser eigentlich erwarten, daß er sich um eine gewisse Herleitung bemüht. Bei Fiebag jedoch werden die Anderen von Anfang an als existent eingeführt, und er setzt darauf, daß der Leser am Ende des Buches vergessen hat, daß hier ein reines Glaubensgebäude verbreitet wird.

Darüber hinaus dreht und wendet er seine Thesen, wie es ihm gefällt; an eine immanente Stringenz fühlt er sich nicht im mindesten gebunden. Auf den Seiten 30 und 31 beschreibt Fiebag, daß die Passagiere einer Linienmaschine einen leuchtenden Elefanten beobachteten. Obwohl dieses Ereignis für sie unerklärlich war, hatte keiner etwas dazuerfunden, alle bezeugten, einen Elefanten gesehen zu haben, mehr nicht. (Später hatte sich herausgestellt, daß sich tatsächlich ein aufblasbarer Werbeelefant von einem Zirkus losgerissen hatte.) Daraus zieht Fiebag den Schluß,

daß Menschen, selbst wenn sie dem Unerklärlichen begegnen, in der Regel richtig beobachten und das Beobachtete entsprechend wiedergeben. Es ist einfach, dem Zeugen einer UFO-Sichtung, also der Beobachtung eines unidentifizierten fliegenden Objekts, zu unterstellen, er habe nur eine psychische Projektion seiner eigenen Vorstellung gesehen, ausgelöst durch einen natürlichen Reiz, etwa die hell leuchtende Venus.

Hier also ein nahezu uneingeschränktes Plädoyer für den Augenzeugen, der angeblich genau weiß, was er gesehen hat. Auf den Seiten 77/78 jedoch wirft er seine eigene These selbst wieder um:

Die Legende von der Jungfrauengeburt des Jesus von Nazareth und seiner Empfängnis 'durch den Heiligen Geist' ist letztlich nur die Übernahme viel älterer und allgemein verbreiteter Vorstellungen. Etliche berühmte Männer der Antike glaubten, himmlische Väter zu haben, 'Gott' selbst schlief mit Sarah, der Frau Abrahams, um mit ihr einen Sohn zu zeugen; Buddha, Krishna, Alexander der Große und sogar Mohammed entstammten der Legende nach einer solchen Verbindung.

Würde er sein Plädoyer für die uneingeschränkte Glaubwürdigkeit einer Person wirklich befolgen, müßte er dies auch den überlieferten Berichten zugestehen, und er müßte vertreten, daß die damaligen Menschen tatsächlich Verbindung zu höheren Wesen und Göttern besaßen. Aber auch an anderen Stelle bricht er mit seiner These, indem er sich von einem Personenkreis abgrenzt, der einen häufig attackierten Zweig der Ufologie repräsentiert: die "Kontaktler" oder "Channels". Ihnen schreibt er pauschal jegliche Glaubwürdigkeit ab und bezeichnet sie als verrückt und abartige Phantasten. Nach welchem Kriterium er aber zwischen diesen Personen und den Leuten, die einen Elefantenballon gesehen haben, unterscheidet, bleibt ungeklärt, und man muß den Schluß daraus ziehen, daß Fiebag genau das praktiziert, was er anderen vorwirft: Ausgrenzung bestimmter Phänomene und Personen, weil sie nicht ins eigene Konzept passen.

Ansonsten ist er sehr um Harmonie bemüht, indem er beispielweise versucht, zwei Richtungen der Ufologie unter einen Hut zu bekommen: Da gibt es die Skeptiker, die alle Schilderungen von Ufos oder Außerirdischen als psychologisches Phänomen werten und behaupten, die Erlebnisse der Zeugen seien nicht objektiv. Und da gibt es jene, man könnte sie als "Hardliner" bezeichnen, die in allem die Wirkungsweise einer real existierenden außerirdischen Zivilisation sehen, die mit Raumschiffen die Erde besucht. Fiebag mischt nun die beiden Richtungen zusammen und stellt die Behauptung auf, daß sich die real existierenden Außerirdischen der menschlichen Motive, Wünsche und Ängste bedienen und den Menschen so erscheinen, wie der Mensch sie sehen will. Deswegen seien die Anderen in der Frühzeit als Götter, im Mittelalter als Feen oder Kobolde und in der Neuzeit als außerirdische Besucher erschienen.

Doch warum sich die Anderen "bis zu einem gewissen Punkt" den menschlichen Phantasien anpassen, darüber schweigt er sich aus, müßte er spätestens an dieser Stelle zugestehen, daß das ganze Werk ein Produkt seines eingeschränkten Vorstellungsvermögens darstellt. Denn die eigentliche Idee, mit der Fiebag erst zum Ende des Buches hin aufwartet, haben wir bislang absichtlich unerwähnt gelassen, um dem Leser vor Augen zu führen, daß bereits die Voraussetzungen haltlos sind.

Fiebag sieht "unsere Wirklichkeit nur als ein Modell", in der Ufo-, Marien- oder Bigfoot-Erscheinungen, abgestürzte Raumschiffe oder außerirdische Leichen, die geborgen wurden, "'real' oder 'irreal' wie unsere gesamte Wirklichkeit" sind. Dieses Modell soll von den Außerirdischen geschaffen, ja, programmiert worden sein. Er vergleicht deren Technologie mit der Funktionsweise eines Computers und meint:

Vielleicht hat man so etwas wie eine automatische Station in unserem Sonnensystem installiert, eine Art 'Transmitter', der als Relais zwischen jener fremden Intelligenz und uns dienen könnte. (...) Die Station hätte lediglich die Aufgabe, als Mittler zwischen 'ihrer' und 'unserer' Welt zu dienen, so wie der Datenhandschuh es dem User ermöglicht, in der virtuellen Realität des Cyberspace- Universums aktiv zu werden. (S. 314)
Im Cyberspace ist grundsätzlich alles möglich: Man kann gehen, wohin man will, man kann konstruieren, was man will. Im Cyberspace wird man zum Weltenschöpfer. (S. 299)

An dieser Beschreibung erkennt man den Laien, der die Cyberspace- Technologie mystifiziert und ihr eine Qualität zuspricht, über die Fachleute nur schmunzeln können. Der Cyberspace-User kann nicht gehen, wohin er will, er bewegt sich ausschließlich auf festen Bahnen, die vom Programmierer der Software vorgegeben wurden. Und selbst das ist noch eine übertriebene Beschreibung, denn der User folgt einer schier endlosen Kette von Ja/Nein- Abfragen, welche, in ein abgestuftes Muster elektronischer Bild- Impulse umgesetzt, ihn am Ende zu bestimmten Interpretationen von Raum und Bewegung anregen; von "Weltenschöpfer" kann nicht die Rede sein.

Genauso wie Fiebag die Cyberspace-Technologie für seine Belange zurechtbiegt, genauso konstruiert sind auch die Behauptungen, die Station der Außerirdischen, mit der sie unsere Wirklichkeit projizierten, solle im Asteroidengürtel zu lokalisieren sein. Dafür gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt, aber natürlich erscheint der Asteroidengürtel attraktiv, weil er so schön unübersichtlich ist und man noch allerlei Geheimnisse in ihn hineininterpretieren kann.

Sein Harmonisierungsversuch zwischen dem psychologischen Erklärungsansatz, Ufos seien nur Projektionen der eigenen Vorstellungen, und dem "Hardliner"-Ansatz, er handele sich um existente Wesen von anderen Sternen, ist gescheitert. Aus seiner Synthese, Außerirdische würden Projektionen auf die Erde strahlen und sich dabei der menschlichen Vorstellungen bedienen, ist weniger entstanden, als was die beiden Ausgangspunkte zu bieten hatten.

Bleibt noch zu erwähnen, daß Fiebag ans Ende seines Buches ein zehnseitiges Interview anfügt, das der Gynäkologe Dr. Vladimir Delavre mit der amerikanischen Psychologin Dr. Rima Laibow zum "Abduction"-Phänomen geführt hat. Genauso zusammenhangslos wie seine vorherigen Behauptungen wird auch dieses Gespräch einfach an den Text drangeklatscht; es fehlt jeglicher Kommentar dazu, eine Überleitung oder wenigstens eine Begründung, warum der Autor es für wichtig gehalten hat, dieses Interview zu veröffentlichen. Mit der Theorie der "Anderen" hat das Gespräch jedenfalls nichts zu tun, im Gegenteil, hier wird ein vollkommen anderer Standpunkt zum Abduction-Phänomen vertreten.

Somit hat das Buch zum Schluß wenigstens noch etwas Gutes: Der Leser wird noch einmal mit der Nase darauf gestoßen, daß er es mit einer schlecht recherchierten Fragmentsammlung zu tun hat, wie man sie allenthalben aus der Ufo-Literatur schon kennt.

Johannes Fiebag
Die Anderen
Begegnungen mit einer außerirdischen Intelligenz
Herbig Verlag, München 1993
356 Seiten, DM 44,-
ISBN 3-7766-1771-3