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REZENSION/025: Von Rétyi - Wir sind nicht allein! (Ufologie) (SB)


Andreas von Rétyi


Wir sind nicht allein!

Signale aus dem All



Das vorliegende Buch zählt sicherlich zu den überwiegend religiös orientierten Veröffentlichungen innerhalb der Ufo-Literatur, trotz seines häufigen Bezugs auf astronomische Theorien. Ein wesentliches Merkmal dessen ist der stete Verweis auf unhinterfragte Begriffe, auf bloße Vermutungen oder bestimmte Glaubensvorstellungen. Schwarze Löcher als Sternenstraßen, archäologische Funde als Relikte Außerirdischer oder Marienerscheinungen zu Beginn dieses Jahrhunderts - all dies wird zusammengestückelt und dem Leser als Flickenteppich präsentiert.

Andreas von Rétyi, Jahrgang 1963, gehört einer jüngeren Generation von Ufo-Autoren an. Aber selbst wenn man sein Alter nicht wüßte, könnte man an dem vorliegenden Buch seine Unerfahrenheit erkennen. Man möchte die Art, wie er durch die von ihm ausgewählten Themen stolpert, als jugendlichen Leichtsinn bezeichnen, wenn er diesen wenigstens aufweisen könnte! Denn dann hätte der Leser sein Vergnügen daran, Anekdötchen erzählt zu bekommen, die zwar andere Autoren bereits ausgiebig verbreitet haben, die aber auf erfrischende Weise hätten präsentiert werden können. Doch davon ist der Autor weit entfernt, die häufige Verwendung von Ausrufezeichen, um die Wichtigkeit seiner Erkenntnisse zu unterstreichen, sind nur ein schaler Ersatz für tatsächliche Begeisterung. Nehmen wir zum Vergleich den "Klassiker" unter den Ufo-Autoren, der sich mit archäologischen Relikten befaßt hat. Die Rede ist natürlich von keinem anderen als Erich von Däniken. So willkürlich interpretativ seine Thesen auch waren, er hat es auf jeden Fall verstanden, seine Leser zu unterhalten, manchmal sogar zu fesseln, denn er hat den Waffengang mit seinen Gegnern nicht gescheut, den er mit der Veröffentlichung jedes neuen Buches erwartungsgemäß auszutragen hatte. Demgegenüber ist das vorliegende Buch eine unzusammenhängende Wiederholung von Althergebrachtem; und um jeder kommenden Auseinandersetzung aus dem Wege zu gehen, an den entscheidenden Stellen ist es auch eine Zusammenstellung von Konjunktivsätzen und Fragen, die nur scheinbar Bedeutsames zur Sprache bringen, und vor allen Dingen langwierigen Wiederholungen der Spekulationen anderer Autoren.

Wir wollen gar nicht abstreiten, daß der Autor hier möglicherweise sein persönliches Glaubensbekenntnis vermitteln möchte - schließlich hat er sein eigenes Nahtoderlebnis und den Eindruck, den dies bei ihm hinterlassen hat, geschildert -, aber es fehlt der Bezug all der vielen Thesen zu seiner grundlegenden Behauptung, daß es eine uralte Superzivilisation im Universum gibt, welche die Geschicke der Menschheit von jeher gesteuert hat. Das ist von Rétyis Glaubensbekenntnis, es unterscheidet sich gar nicht so sehr von dem christlichen Gottesverständnis, aber den Schritt über den bloßen Glauben hinaus zu einer für den Leser nachvollziehbaren Thesenherleitung bleibt er schuldig. Ob man einen Gott oder eine Superzivilisation als großen kosmischen Lenker annimmt, macht keinen nennenswerten Unterschied, da auch der christliche Gott von den Menschen nicht zu verstehen sein soll. Das dahinterstehende Prinzip der Allmacht bei beiden Vorstellungen ist gleich - und aus diesem Grund haben wir das Werk eingangs auch als religiös bezeichnet.

Will man die methodische Vorgehensweise dieses Buches angemessen beschreiben, würde der Begriff Sprunghaftigkeit noch zuviel Kontinuität, und der Begriff Zusammenhangslosigkeit eine zu enge Verbindung unterstellen. Ganz nach dem Motto, daß auch Nichtssagendes sehr viel sagen kann, hier eine kleine Leseprobe:

Mehr und mehr kristallisiert sich heraus: Die Geschichte nicht-irdischer Aktivitäten um unseren Planeten erstreckt sich offenbar lückenlos von der frühen Urzeit über die Phase des Aufblühens menschlicher Hochkulturen bis in die jüngste Gegenwart. Seit kurzem beginnt sich ein deutlicheres Bild um die mysteriösen Vorgänge abzuzeichnen, welche uns nachweislich seit Jahrtausenden begleiten und bewegen. Ein Bild, das - wenn auch teils noch schemenhaft - ungeahnte Einsichten erlaubt, das bislang als unabhängig voneinander angesehene Erscheinungen in einen gemeinsamen Kontext stellt, ja sogar scheinbar Unvereinbares miteinander verbindet. Ganzheitliche Tendenzen in Wissenschaft wie auch Grenzwissenschaft lassen die Wissenschaften zunehmend grenzenlos werden, indem sie die Grenzen zur Illusion erklären, indem sie sie auflösen. Letztlich addieren sich die Erkenntnisse aus den verschiedenen Disziplinen nun zu einer einzigen atemberaubenden Einsicht: Wir stehen seit Anbeginn unserer Existenz im Banne des Geistes einer kosmischen Geheimorganisation, im Banne einer Superzivilisation, die gleichsam als rechte Hand Gottes auf mannigfaltige Weise in unsere Geschicke eingreift! (S. 18)

Was Andreas von Rétyi hier zusammenfabuliert ist nicht mehr als Wunschdenken, denn die vorgebliche Lückenlosigkeit nicht- irdischer Aktivitäten kann weder von ihm noch von irgendeinem anderen Autoren belegt werden. Jeder Historiker wird wissen, daß selbst die irdische Geschichte voller Lücken ist, und jeder Anthropologe wird bestätigen, daß die frühe Menschheitsgeschichte, basierend auf einigen wenigen Knochenstückchen, hier und da auf der Welt verstreut, mehr Fragen als Antworten bereithält. Vor diesem Hintergrund ist die obige Behauptung von Rétyis reichlich anmaßend, zumal er sie selbst auch nicht ansatzweise zu belegen vermag. Das scheint er selbst ebenfalls zu bemerken, denn geradezu verschämt nimmt sich seine Erklärung aus, daß das Bild noch etwas "schemenhaft" sei. Doch im nächsten Schritt täuscht er wieder Zuversicht vor, indem er erklärt, daß die Grenzen der Wissenschaften gleichermaßen wie der Grenzwissenschaften durch die bloße Erklärung zu einer Illusion würden. Abgesehen davon, daß eine Illusion per Definition nicht als solche zu durchschauen ist, sonst wäre sie keine, ist von Rétyis Erklärung vollkommen abgehoben, denn wer wie er behauptet, er durchschaue Illusionen muß sich wohl für ihren Erzeuger halten.

Auch seine Behauptung, daß sich die Erkenntnisse aus den Wissenschaften addieren, ist eine Unterstellung, deren Nachweis er nicht erbringt. Statt dessen langweilt er den Leser mit immer denselben Geschichten über archäologische Funde oder vermeintlich bedeutungsschwere biblische Textstellen. Auf die haben schon andere Autoren wie von Däniken lange Zeit vor ihm hingewiesen. Und selbst von Däniken war nicht der erste, sondern hat bestimmte Thesen nur populär gemacht. So wiederholt von Rétyi seitenlang die Geschichte des Propheten Ezechiel, jenem hinlänglich bekannten vermeintlichen Raumfahrer aus der Bibel, und natürlich auch das Weltraum-Abenteuer Enochs, wie es in den Apokryphen geschildert wird.

Über diese und etliche weitere, aber keineswegs plausible Anspielungen auf angeblich vorzeitliche außerirdische Aktivitäten versucht der Autor, eine Verbindung zu ziehen zu der modernen Einsteinschen Physik, der Quantentheorie und auch der Spekulation über die Existenz Schwarzer Löcher. Doch eine solche Verbindung besteht nicht einfach dadurch, daß man sie als existent erklärt. Da behauptet der Autor, daß das Hubble-Weltraumteleskop bereits 15 Urplanetensysteme entdeckt habe (S. 10) und vergißt dabei zu erwähnen, daß sie nicht wirklich entdeckt wurden, sondern daß Astronomen nur sehr stark vermuten, daß sich dort, in jenen Staub-und Gaswolken um die noch jungen Sterne, Planeten entwickeln könnten. Doch auf der vermeintlichen Entdeckung von Planeten aufbauend erwähnt der Autor eine Computersimulation, in der die Besiedlung des Kosmos durch verschiedene außerirdische Zivilisationen und ihr beanspruchtes Raumgebiet angegeben werden. Dazu ist zu sagen, daß sich viele Computersimulationen zu allen möglichen Vorstellungen realisieren lassen, aber da es für derartige Hochrechnungen von Planeten und außerirdische Zivilisationen keinerlei statistische Grundlage gibt, ist eine solche Simulation als pure Science-fiction zu werten. Leider versucht der Autor, einen anderen Eindruck zu erwecken, denn er stellt diese und weitere Spekulationen einer möglichen Menschheitszukunft als Ausblicke von Wissenschaftlern dar, die somit auf einer realen Grundlage beruhen sollen.

Der Leser gewinnt ohnehin den Eindruck, daß es von Rétyi mehr darum ging, seine Belesenheit unter Beweis zu stellen, als die unzähligen Zitate in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Beispielsweise zitiert er den Physiker Edison mit den Worten, "... ich behaupte, daß es möglich ist, einen Apparat zu konstruieren, der so empfindlich reagiert, daß er - falls es Persönlichkeiten in einer anderen Existenz oder Sphäre gibt, die mit uns in Verbindung zu treten wünschen - ihnen zumindest diese Möglichkeit einräumt ..." (S. 125), und springt dann von diesem Zitat auf eine weitere Anekdote, derzufolge Edison mit einem deutschen Traummedium Kontakt aufgenommen habe.

Doch der Autor führt weder aus, was er mit diesem speziellen Zitat aussagen will, noch stellt er es in irgendeinem erkennbaren Zusammenhang mit dem, was er vorher und nachher geschrieben hat. Auf diese Weise setzen sich große Teile des Buchs zusammen, und fast immer sind es die extremsten Spekulationen von Wissenschaftlern, die von Rétyi aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herausgelöst und neu zusammengestellt hat. Der Bezug zum Buchtitel "Wir sind nicht allein!" verliert sich allerdings schon nach den ersten Seiten und wird zwischenzeitlich nur hier und da einmal aufgegriffen. Ansonsten findet man all das wieder, was in der esoterisch angehauchten Ufo-Literatur bereits geschrieben wurde, und seine mehr astronomisch oder physikalisch orientierten Ausführungen haben nicht einmal die Qualität eines Capra oder Zukov. Selbst der Sachbuchautor Johannes von Buttlar hat es besser verstanden, seine zusammengetragenen Geschichten über Ufos, absonderliche Phänomene oder die Suche nach der Unsterblichkeit leserfreundlicher zu präsentieren. Von Rétyi ist es tatsächlich gelungen, dieses Niveau zu unterschreiten.

Das vorliegende Buch ist ein typisches Schreibtischprodukt; dieser Eindruck wird selbst dadurch nicht getrübt, daß der Autor seine Reise in die Vereinigten Staaten zum militärischen Testgebiet Area 51 verarbeitet hat. Alles das, was er beispielsweise über die Behauptungen eines gewissen Robert Lazar, der in dem besagten Testgebiet fliegende Untertassen gesehen haben will, wiedergibt, hätte er auch schreiben können, wenn er hier in Deutschland in ein, zwei einschlägigen Bücher oder Magazine über dieses Thema recherchiert hätte.

Beim Abfassen des Klappentexts müßte dem Lektor eigentlich Schamesröte ins Gesicht gestiegen sein: "Durch dieses Buch geraten althergebrachte Weltkonzepte ins Wanken", war dort großspurig zu lesen. Ins Wanken gerät unserer Meinung nach nur derjenige, der das Buch im Stehen zu lesen versucht und dabei einzuschlafen droht. Die Anwesenheit Außerirdischer auf der Erde wird keineswegs belegt, oftmals hat sich der Autor sogar in Nebengeschichten verlaufen, die gar nichts mit dieser These zu tun haben. Ob sich aber das vorliegende Buch dennoch in die Hände so manches Weihnachtseinkäufers verlaufen wird, kann nicht ausgeschlossen werden, wird doch der Markt derzeit von einer Ufo- und Esoterikwelle überschwemmt.

Andreas von Rétyi
Wir sind nicht allein!
Signale aus dem All
Ullstein, Frankfurt M./Berlin 1995
304 Seiten, DM 17,90
ISBN 3-548-35529-3