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REZENSION/148: Abu-Jamal - Das Imperium kennt kein Gesetz (Politik) (SB)


Mumia Abu-Jamal


Das Imperium kennt kein Gesetz

Texte gegen Globalisierung und Krieg



Wer kennt den afroamerikanischen Aktivisten Mumia Abu-Jamal nicht? Inzwischen gilt der wegen Mordes seit 21 Jahren im Todesstrakt einsitzende, einstige Black Panther und heutige Journalist als lebende Ikone der Linken. Nirgendwo auf der Welt gibt es eine Anti- Globalisierungsdemonstration, ohne daß dort das eine oder andere "Free Mumia"-Transparent zu sehen ist. Inzwischen setzen sich nicht nur US-Bürgerrechtsorganisationen und amnesty international (ai), sondern auch namhafte Persönlichkeiten hierzulande wie Fettes Brot, Moritz Bleibtreu, Walter Jens, Nicolette Krebitz, Manfred Krug, Oskar Lafontaine, Hans-Christian Ströbele, Konstantin Wecker und Roger Willemsen für eine Aufhebung des Todesurteils und ein Revisionsverfahren, in dem neue entlastende Beweise zugelassen werden sollen, ein. Der 1954 als Wesley Cook geborene Mumia Abu-Jamal ist im Dezember 1981 wegen angeblichen Mordes an den Polizisten Daniel Faulkner zum Tode verurteilt worden. Der als "cop killer" verurteilte Abu-Jamal hat von Anfang an jede Beteiligung an dem Faulkner-Mord abgestritten. Und obwohl ein Geständnis des eigentlichen Täters inzwischen vorliegt, weigert sich der US-Bundesstaat Pennsylvania, den zum weltweit berühmtesten politischen Gefangenen der USA aufgestiegenen Journalisten freizulassen, und strebt weiterhin hartnäckig dessen Hinrichtung an.

Dem, der sich jedoch nicht einfach mit Mumia als Aushängeschild der Friedensbewegung und der Globalisierungsgegner zufrieden geben will, kann man dessen jüngstes, beim Bremer Atlantik Verlag erschienenes Buch "Das Imperium kennt kein Gesetz" empfehlen. Die vorliegende Essay-Sammlung - es handelt sich um diejenigen Artikel Abu-Jamals, welche zwischen Ende 2000 und Ende 2002 bei der Berliner Tageszeitung junge Welt in der Übersetzung von Jürgen Heiser erschienen sind - bietet dem Leser einen extrem kurzweiligen, gleichzeitig aber geschichtlich fundierten Streifzug durch die beiden ersten Schreckensjahre neokonservativer Herrschaft in Washington unter dem republikanischen Präsidentensproß George Bush jun.

Die Bereicherung für einen jeden Mitteleuropäer, die gesellschaftlichen Geschehnisse in den USA aus der Perspektive eines politisch-involvierten, inhaftierten Afroamerikaners sehen zu können, zeigt sich gleich in den beiden ersten Essays "Die wirkliche Verfassungskrise" und "Demokratische Tyrannei", welche Abu-Jamal auf dem Höhepunkt des Streits über den Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahl im November 2000 schrieb. Dem Leser wird unter Verweis auf verschiedene Episoden in der US-Geschichte gezeigt, daß die damaligen Vorfälle - die Manipulationen im Drogenmafia-Staat Florida und die vollkommene Mißachtung des demokratischen Willens der Wähler durch den Obersten Gerichtshof -, wiewohl sie für die weiße Mehrheit sicherlich überraschend und bestürzend waren, für die Schwarzen Amerikas keine wirkliche Ausnahmeerscheinung bildeten.

Für Abu-Jamal ist es kein Zufall, daß in den USA die Gefängnisse den Armen, vor allem den schwarzen Großstadtbewohnern, vorbehalten sind oder daß der Todestrakt ein Reservat für Afroamerikaner ist:

In den Jahren der Nixon-Regierung, also zwischen 1969 und 1974, ließ sich die Nation auf das 'Law & Order'-Gerede ein, das bis heute andauert. Darin liegt der Ursprung des Gefängnis-Industrie- Komplexes, und einer von Nixons Top-Beratern, der Leiter seines Stabes, H. R. Haldeman, offenbarte durch seine Tagebuchnotizen über Diskussionen mit seinem Boß, welches Denken hinter all den schönen offiziellen Worten steckt:
'[Präsident Nixon] betonte, daß wir der Tatsache ins Auge sehen müssen, daß das Hauptproblem wirklich die Schwarzen sind. Die Lösung liegt darin, ein System zu ersinnen, das dieser Tatsache Rechnung trägt, ohne daß es den Anschein hat.

In seinen Essays, die Titel wie "Die vergessene CIA-Aktivitäten", "Das FBI und der 'innere Feind'", "Ein imperialer Friedensplan", "Der neue Kolonialismus" und "Krieg ohne Ende. Amen" tragen, entlarvt Abu- Jamal die von Washington herausgegebene Parole, wonach sich die Welt durch die Flugzeuganschläge des 11. Septembers 2001 "verändert" hätte, als geschichtsklitterndes Blendwerk, den "globalen Antiterrorkrieg" der Bush-Männer als von Marschflugkörpern und Raketen gestützten Raubritterkapitalismus. Durch den ständigen Bezug der aktuellen Ereignisse zu so gewichtigen, aber auch spannenden Aspekten der Außen -und Innenpolitik der Supermacht USA wie der McCarthy-Ära, dem Vietnam-Krieg, der Bürgerrechtsbewegung, dem Iran- Contra-Skandal, dem Golfkrieg 1991, dem Vormarsch der Konservativen in den neunziger Jahren u. v. m. zeigt Abu-Jamal eine von der Weltdoppelhauptstadt Washington und New York ausgehende Kontinuität auf, welche bei ungehinderter Fortsetzung für die ganze Menschheit - ein paar Schwerreiche natürlich ausgenommen - nur großes Unheil bedeuten kann. Gleichzeitig behandelt Abu-Jamal seinen Stoff - die Herrschaft des Menschen über den Menschen - mit einer solch bissigen Ironie und einem solch trockenen und rabenschwarzen Humor, daß jeder, der nicht selbst in einer Todeszelle sitzt und sein Leben in relativer Freiheit verbringt, dem Autor großen Respekt zollen müßte. Für alle, die die heraufziehende Pax Americana des Imperators George W. besser verstehen wollen, ist das Buch Abu-Jamals sicherlich lohnenswert - und zudem höchst unterhaltsam.

- 25. Februar 2003


Mumia Abu-Jamal
Das Imperium kennt kein Gesetz
Texte gegen Globalisierung und Krieg
Atlantik Verlag - Bremen 2003
239 Seiten, 12,80 Euro
ISBN 3-926529-59-8.