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REZENSION/214: Eirik Newth - Leben im Weltall (Astrobiologie) (SB)


Eirik Newth


Leben im Weltall

Was wir über Außerirdische wissen



Die Suche nach außerirdischem Leben hat sich zu einem Schwerpunkt der heutigen Astronomie entwickelt und das vorherrschende wissenschaftliche Weltbild in den letzten Jahren wesentlich beeinflußt. Fristete einst der Forschungszweig Astrobiologie, der sich mit der Möglichkeit der Lebensentwicklung außerhalb der Erde befaßt, eher ein Nischendasein bei der Erforschung des Alls, so widmet inzwischen die US-Weltraumbehörde NASA zwei von drei Hauptaufgaben der Suche nach extraterrestrischem Leben sowie nach erdähnlichen, besiedelbaren Planeten. Mit annähernd gleicher Intensität hat sich auch die Europäische Weltraumorganisation ESA dem Themenkomplex "Leben im All" zugewandt. So ist mittlerweile unter Astronomen der Glaube, daß es außerhalb der Erde zumindest primitives Leben gibt, weit verbreitet, ungeachtet dessen, daß es für diese Annahme bislang keinen Beweis gibt.

Als der britische Astronom Sir Fred Hoyle in den sechziger Jahren der Panspermie-Theorie des schwedischen Physikochemikers und Nobelpreisträgers Svante Arrhenius (1859-1927) neues Leben einhauchte und unter anderem über seine BBC-Sendeleiste die These verbreitete, daß die Erde vor Milliarden Jahren durch Lebenskeime tragende Meteoriten "geimpft" worden sein könnte - was aufgrund der günstigen Bedingungen auf der Erde die biologische Evolution ausgelöst habe -, da war dies von der Fachwelt noch als populärwissenschaftliches Phantasieprodukt abqualifiziert worden. Heute hingegen zählt Hoyles These zum wissenschaftlichen Mainstream, während auf der anderen Seite die Anhänger des sogenannten Anthropischen Prinzips in die Minderheit geraten sind. Jenes Prinzip besagt zusammengefaßt, daß die kosmischen Bedingungen, unter denen sich letztlich der moderne Mensch entwickeln konnte, einzigartig sind, und der Mensch vermutlich niemals extraterrestrisches Leben entdecken werde.

Zwischen diesen beiden Denkrichtungen wechselt der norwegische Autor Eirik Newth in dem vorliegenden Buch "Leben im Weltall - Was wir über Außerirdische wissen" willkürlich hin und her. Der Leser erhält den Eindruck, als könne sich der Autor nicht für eine Seite entscheiden, mehr noch, als sei er sich seiner Wechselfreudigkeit nicht einmal bewußt. Einerseits strotzt das auf einen jugendlichen Leserkreis zugeschnittene, inhaltlich recht überschaubare Buch vor Anmerkungen, denen zufolge außeriridsches Leben völlig anders aussehen könnte als irdisches, weil es unter fremdartigen Bedingungen entstanden sei, - "Sollten wir jemals Außerirdische treffen, könnte uns ihr Aussehen sehr überraschen" (S. 44) -, andererseits münden Newths Ausführungen fast schon schablonenhaft in die Behauptung, daß außerirdisches Leben eigentlich dem Vorbild irdischer Bioorganismen entsprechen müßte. Das drückt sich dann in Formulierungen aus wie: "Tiere, die im Meer leben, sind häufig stromlinienförmig" (S. 45), "es ist kein Zufall, dass die meisten Organismen auf der Erde klein sind" (S. 47), oder gar: "Am einfachsten ist es, sich vorzustellen, dass sich intelligentes Leben im Weltall genauso entwickelt hat wie auf der Erde" (S. 66).

Die Frage, welche der oben genannten zwei Auffassungen über die Singularität des Menschen respektive die kosmische Vielfalt des Lebens der Autor vertritt, ist deshalb relevant, weil seine Aussagen ansonsten beliebig bleiben, ganz nach dem Motto: Die Außerirdischen könnten ähnlich aussehen wie Menschen, aber vielleicht sind sie ja auch völlig anders. Wobei hier nicht die Unsicherheit als solche ein Manko wäre, sondern umgekehrt die Selbstsicherheit, mit der sich Newth Erkenntnisse aus Biologie und Astronomie herauspickt, zur unumstößlichen Wahrheit betoniert und auf außerirdisches Leben projiziert. So behauptet der Autor zutiefst überzeugt:

Da die Naturgesetze im gesamten Universum die gleichen sind, kann es für Probleme, auf die Organismen gemeinhin stoßen, 'Standardlösungen' geben. Entdeckungsreisende auf einem fremden Planeten sollten nicht überrascht sein, wenn sie Organismen finden, die irdischen Pflanzen ähneln. Flache, dünne Blätter sind eine schlaue Lösung, um viel Sonnenlicht zu sammeln (Menschen imitieren dies beim Bau von Sonnenkollektoren). Ein kräftiger Stängel erlaubt es Pflanzen, größer zu werden als die Nachbarpflanzen und mehr von den lebensspendenden Strahlen aufzufangen. (S. 46)

Mit solchen Absolutismen, bei denen die von Menschen aufgestellten Naturgesetze zum universell gültigen Prinzip erhoben werden, ist Newth selbstverständlich nicht alleine. Seinen Erläuterungen würde sich vermutlich die Mehrheit der Astronomen anschließen - genauso wie Wissenschaftler vor fünfhundert Jahren von der absoluten Gültigkeit ihres damaligen Weltbilds ausgegangen waren und man gleiches wiederum für deren Zunftmitglieder vor eintausend Jahren sagen kann (wobei es damals zumeist den Priestern und Mönchen überlassen blieb, das 'richtige' Weltbild zu verbreiten).

Es gibt in dieser Angelegenheit jedoch einen entscheidenden, nicht nur von Newth vernachlässigten Aspekt, nämlich daß das Weltbild und somit die angenommenen Gesetzmäßigkeiten, nach denen sich die Natur angeblich richtet, vor 500 und wiederum vor 1000 Jahren gänzlich anders aussahen als heute. Für die Menschen im Jahre 2500, so dürfte man berechtigterweise spekulieren, wäre das heutige Weltbild womöglich so rückständig wie für uns die hellenistische Vorstellung, derzufolge die Planeten auf Kristallschalen befestigt sind, oder wie das präkopernikanische Weltbild mit der Erde als Mittelpunkt des Universums. Mutet es nicht vermessen an, davon auszugehen, daß ausgerechnet das jetzige Weltbild der letzte Stand der Erkenntnis sei? Und wäre nicht derjenige eher auf der Kanzel zu suchen, der von allgültigen Naturgesetzen predigt?

Im übrigen ist Newth nicht auf dem aktuellen Stand der Physik, wenn er behauptet, die Naturgesetze seien im gesamten Universum die gleichen. Wissenschaftler haben festgestellt, daß sich die Naturkonstante alpha (in die mehrere physikalische Maßstäbe einfließen) im Laufe der Entstehungsgeschichte des Weltalls leicht verändert hat. Da nun seit Albert Einstein Raum und Zeit eine Einheit bilden (Raumzeit), würde sich ein Physiker davor hüten, die Naturgesetze als universell gültig zu deklarieren. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß es irgendwo (oder "irgendwann") im Universum Regionen gibt, in denen nicht die gleichen physikalischen Bedingungen herrschen wie auf der Erde. Diese Möglichkeit läßt sich die Physik durchaus offen.

Der Hanser-Verlag bewirbt das Buch auf dem Einband mit der Behauptung, daß die von dem Autor gegebenen Antworten "spannender sind als jede noch so abenteuerliche UFO-Geschichte". Wir wollen hier gar nicht die Frage erörtern, warum der Verlag ein augenscheinlich wissenschaftlich orientiertes Buch ausgerechnet damit aufzuwerten versucht, daß es spannender als Ufo-Lektüre sei (was, nebenbei gesagt, in diesem Fall eine sehr gewagte Behauptung ist), doch muß man sich fragen, inwiefern das Buch überhaupt wissenschaftlichen Ansprüchen genügt.

Schwächen hat es nicht nur im Bereich der Physik, sondern auch der Biologie, und die sollten sowohl in einem Buch für Erwachsene als auch für Jugendliche vermieden werden. Wenn Newth unter Bezug auf das DNA-Doppelhelixmodell der Nobelpreisträger Crick und Watson behauptet, daß man "dank ihrer Entdeckung" jetzt nachvollziehen könne, "wie Leben entsteht, nicht nur auf der Erde, sondern auch anderswo im Universum" (S. 12), dann ist das eine unsaubere Formulierung. Der entscheidende Schritt vom Unbelebten zum Belebten kann von der Wissenschaft eben nicht erklärt werden, trotz des informationellen Gen-Modells, in dem alle Lebewesen letztlich auf einen Kode aus vier, bzw. fünf Buchstaben reduziert werden. Selbst die zahllosen labortechnischen Versuche, Schöpfer zu spielen, die eher an Alchemie erinnern als an die Genetik, haben nicht den erhofften Erfolg gezeigt. So viele Forscher hatten sich kurz vor dem Durchbruch gewähnt, aus chemischen Grundbausteinen (Aminosäuren) im Kern sich selbst replizierendes Leben initiieren zu können. Aber an dieser Schwelle - wenn es denn eine ist - steht die Wissenschaft schon seit einem halben Jahrhundert und kommt nicht voran.

Über dieses Bemühen bügelt der Autor grob hinweg, wenn er die Entstehung des Lebens als "nachvollziehbar" bezeichnet. Nun könnte man an dieser Stelle den Einwand erheben, daß das Buch "Leben im Weltall" keineswegs als tiefschürfende wissenschaftliche Abhandlung konzipiert sei und die Meßlatte nicht so hoch gehängt werden dürfe. Dem wäre durchaus beizupflichten, wenn der Autor nicht bei einem so spekulativen Thema wie Leben im All den Anspruch erheben würde, seine Konzepte und Theorien seien von wissenschaftlicher Unanfechtbarkeit.

Von der Gestaltung der häufig nur wenige Seiten umfassenden 18 Kapitel her weist Eirik Newths Buch eher Magazincharakter auf, vergleichbar mit "P.M." oder der früheren Orbis-Heftreihe "Phantastische Phänomene". Da nimmt dann schon mal die Zeichnung eines grünen Männchens eine ganze Seite ein, lediglich von zwei Textkästen ergänzt, oder es blicken den Leser unter der Kapitelüberschrift "Wie könnten Außerirdische aussehen?" vom Textrand her glupschäugige Alien-Illustrationen an. Das Kapitel "Sind Außerirdische schlauer als wir?" wird sogar mit einer doppelseitigen Illustration über ein tentakelbewehrtes, einäugiges, insektoides Pelzwesen eingeleitet, wobei in einem kleinen Textblock über die Möglichkeit der Bildung eines "Gehirnhaufens" auf einem "fernen Fantasieplaneten" spekuliert wird.

Nun ist an sich nichts gegen Illustrationen zur Vertiefung des Textverständnisses einzuwenden. Wenn sich aber das Verhältnis zwischen Inhalt und Illustration umkehrt, dann drängt sich die Frage auf, was mit dem Buch eigentlich bezweckt werden soll. Als populärwissenschaftliches Produkt steht es in Konkurrenz zu anderen Werken, die ihre inhaltlichen Aussagen nicht mit allgemeiner Buntheit, unruhiger Seitenaufteilung und Großlettern bei den Kapitelüberschriften aufzuwerten versuchen.

Wer sein Buch mit "was wir über Außerirdische wissen" betitelt, läßt damit bereits religiös wirkende Ambitionen erkennen. Denn es gibt kein "Wissen" über Außerirdische, es sei denn, man meint damit Phantasien, Spekulationen oder Weltanschauungen. Das ist ja gerade das Dilemma der Astrobiologen, daß sie notwendigerweise darauf angewiesen sind, mit Analogien zu arbeiten, die nirgendwo anders als im irdischen Erkenntnishorizont angesiedelt sein können. In dem 76 Seiten umfassenden Buch versucht der Autor denn auch, etwas a priori Unbekanntes mit Adaptionen aus dem Bekannten zu beschreiben. Dabei kann Newth zumindest zugutegehalten werden, daß er diesen Widerspruch nicht mit komplizierten Theorien verschleiert, sondern statt dessen bei einer einfachen Sprache und einer leicht lesbaren Form bleibt.


Eirik Newth
Leben im Weltall
Was wir über Außerirdische wissen
Carl Hanser Verlag, München, Wien 2004
ISBN 3-466-20449-0