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REZENSION/273: Wallerstein - Das moderne Weltsystem I (Soziologie) (SB)


Immanuel Wallerstein


Das moderne Weltsystem I

Die Anfänge kapitalistischer Landwirtschaft und die europäische Weltökonomie im 16. Jahrhundert



Immanuel Wallersteins "Das moderne Weltsystem" gilt als die vielleicht wichtigste Geschichtsaufarbeitung der letzten Jahrzehnte. Im englischen Sprachraum sind die ersten drei von insgesamt vier geplanten Bänden über Entstehung und Entwicklung der kapitalistischen Weltwirtschaft 1974, 1981 und 1988 erschienen. Erst mit dem Erscheinen des dritten Bands Ende letzten Jahres liegt das Hauptwerk Wallersteins dank des Wiener Verlags Promedia vollständig in deutscher Sprache vor.

Der 1930 geborene Wallerstein ist Senior Research Fellow an der Yale University, Direktor des von ihm gegründeten "Fernand Braudel Center for the Study of Economics, Historical Systems und Civilizations" an der Binghamton University in New York und geht außerdem einer Tätigkeit an der Maison de l'Homme in Paris nach. In den letzten Jahren hat der amerikanische Soziologieprofessor außerhalb von Fachkreisen vor allem durch seine Kassandrarufe hinsichtlich des wirtschaftlichen Niedergangs der USA, zusammengefaßt in dem Buch "The Decline of American Power", zu deutsch "Absturz oder Sinkflug des Adlers", wie auch hinsichtlich des seines Erachtens systembedingten, drohenden Zusammenbruchs der kapitalistischen Weltordnung, siehe das Buch "The End of the World as We Know It -Social Science for the Twenty-First Century" ("Utopistik -Historische Alternativen des 21. Jahrhunderts"), auf sich aufmerksam gemacht. Mit fundierten Aufsätzen in so unterschiedlichen Publikationen wie der Kairoer Al-Ahram Weekly, Counterpunch, Le Monde diplomatique, der Los Angeles Times und Foreign Policy Magazine warnt Wallerstein immer wieder vor den katastrophalen Folgen, welche zwangsläufig die auf militärische Stärke setzende Politik der Regierung George W. Bush - Einmarsch in den Irak, ständige Kriegsdrohungen gegenüber den sogenannten Schurkenstaaten, latente Konfrontation mit der Volksrepublik China - für die Welt im allgemeinen und die Hegemonialposition Washingtons im besonderen nach sich ziehen werden.

Die Überzeugungskraft der Argumente Wallersteins, was die aktuelle geopolitische Lage betrifft, leitet sich aus seiner jahrelangen Beschäftigung mit der Frage, aus welchen historischen Gegebenheiten unsere heutige Welt hervorgegangen ist, ab. Diese langfristige Perspektive Wallersteins gepaart mit einem eigenständig erarbeiteten Erklärungsmodell, mit dem er alle wesentlichen Faktoren zu identifizieren und in ihrer Bedeutung zu bewerten versucht, ist es, welche seine Schriften - ob nun Artikel oder Bücher - für jeden politisch interessierten Mensch empfehlenswert machen.

Für den Marxisten Wallerstein stehen die ökonomischen Kräfte im Mittelpunkt aller Überlegungen. Ihm zufolge hat es in der rund 6000jährigen Zivilisationsgeschichte nur zwei Arten von Weltsystemen gegeben: erstens die Imperien, wie man sie von den Babyloniern, Römern, Chinesen, Inkas usw. her kennt und wo ein einheitliches politisches System über ein großes Territorium herrschte; und zweitens der Kapitalismus, der sich in erster Linie als wirtschaftliche Organisationsform über den ganzen Globus ausgebreitet hat. Wegen des inhärenten, der Logik der Profitmaximierung folgenden, expansiven Charakters des Kapitalismus glaubt Wallerstein, daß sich eine auf diese Weise organisierte Gesellschaft niemals national beschränken läßt, sondern von vornherein ein globales System impliziert. Aufgrund dieses, was die Verfügungsgewalt betrifft, qualitativen Unterschieds zu den früheren Imperien stellt nach Meinung Wallersteins der im 16. Jahrhundert entstandene, europäische Kapitalismus ein einzigartiges Phänomen dar, das er "das moderne Weltsystem" nennt.

In der Einleitung zum vorliegenden Band erklärt Wallerstein auf recht persönliche und deswegen nachvollziehbare Weise, wie er auf das Konzept "Weltsystem" gekommen ist. Über seine Studie der klassenbedingten Sozialkonflikte in den USA Ende der sechziger Jahre hinausgehend, wandte er sich immer mehr der Frage der gesellschaftlichen "Entwicklung" in der sogenannten Dritten Welt zu. Dabei kamen Wallerstein große Zweifel, inwieweit sich die damals herkömmlichen - und, an Live8 erkennbar, offenbar heute noch herrschenden - Entwicklungsmodelle überhaupt auf die Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas übertragen ließen. Schließlich waren die meisten Staaten Mittel- und Südamerikas formell gesehen bereits seit rund 150 Jahren und nicht erst infolge der Antikolonialbewegung der Ära nach dem Zweiten Weltkrieg unabhängig. Wallerstein erkannte, daß er sich den sich auftürmenden Fragen nur durch einen wirklich großen, konzeptionellen Wurf nähern konnte. Auf der Suche nach dem Ausgangspunkt des "Modernisierungsprozesses" stellte Wallerstein unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der USA mit ihren Anfängen bei den europäischen Entdeckungs- und Eroberungsfahrten folgendes fest:

An dieser Stelle hatte ich es offensichtlich mit einem Entwicklungsschema und mit impliziten Vorstellungen von Entwicklungsstufen zu tun. Dies warf seinerseits zwei Fragen auf: die nach den Kriterien für die determinierenden Stufen und die nach der Vergleichbarkeit von Einheiten, unabhängig von der historischen Zeit.
Wie viele Stufen hat es gegeben? Wie viele könnte es geben? Ist die Industrialisierung ein Wendepunkt oder ist sie die Folge eines politischen Wendepunkts? Welche empirische Bedeutung hätte in diesem Kontext ein Begriff wie 'Revolution' wie im Falle der Französischen Revolution oder der Russischen Revolution? War die Abfolge solcher Stufen unilinear, oder konnte eine Einheit auch 'rückwärts' gehen? Es schien, als sei ich in einen riesigen begrifflichen Sumpf geraten.
Aus diesem begrifflichen Sumpf wieder herauszukommen war sehr schwierig, weil vernünftige Meßinstrumente fehlten. Wie konnte man behaupten, Frankreich im 17. Jahrhundert sei in gewissem Sinn dem Indien des 20. Jahrhunderts äquivalent? Dem Nichtfachmann würde eine solche Feststellung absurd erscheinen. Hatte er damit so unrecht? ...
Eine Möglichkeit, die 'absurde' Idee eines Vergleichs zwischen zwei so unterschiedlichen Einheiten in den Griff zu bekommen, lag darin, die Berechtigung der Einwände zu akzeptieren und eine weitere Variable hinzuzunehmen - den Weltkontext der jeweiligen Epoche ... Dies bedeutete, daß das Frankreich des 17. Jahrhunderts und das Indien des 20. Jahrhunderts, auch wenn sie einige gemeinsame strukturelle Merkmale aufweisen sollten, in den Dimensionen des Weltkontextes doch als sehr verschieden anzusehen sind. ...
Schließlich schien noch eine Schwierigkeit zu bestehen. Wenn gegebene Gesellschaften 'Stufen' durchlaufen, das heißt, eine 'Naturgeschichte' haben, wie steht es dann mit dem Weltsystem? Wies es nicht auch 'Stufen' oder wenigstens eine 'Naturgeschichte' auf? Und wenn ja, untersuchten wir dann nicht Evolutionen innerhalb von Evolutionen? Und wenn dem so war, würde dann nicht die Theorie bei jeder Wendung kopflastiger? Schrie sie nicht gerade nach Vereinfachung?
Mir schien das so. An diesem Punkt gab ich die Idee, als Analyseeinheit entweder den souveränen Staat oder den unschärferen Begriff 'nationale Gesellschaft' zu nehmen, ganz und gar auf. Ich kam zu dem Schluß, daß beide nicht als soziale Systeme gelten können, daß man aber nur angesichts von sozialen Systemen von sozialem Wandel sprechen kann. Das einzige soziale System war in diesem Schema das Weltsystem. (S. 17f.)

Demnach hat laut Wallerstein das, was wir heute Globalisierung nennen, mit der Umstellung der landwirtschaftlichen Produktion im Europa des "langen" 16. Jahrhunderts - gemeint ist die Ära zwischen 1450 und 1640 - von den Erfordernissen der Subsistenzwirtschaft auf die des Marktes seinen Lauf genommen. Als Ausweg aus der Krise des Spätmittelalters entstand "eine neue Form der Surplusaneignung, eine kapitalistische Weltwirtschaft":

Sie basierte nicht mehr auf der direkten Aneignung des landwirtschaftlichen Surplus in der Form von Tributen (wie bei Weltreichen) oder feudalen Renten (wie im System des europäischen Feudalismus). Was sich nun statt dessen entwickelte, war eine auf effizientere und erweiterte Produktivität (zunächst in der Landwirtschaft, später in der Industrie) gegründete Aneignung des Surplus mittels eines Weltmarktmechanismus mit der 'artifiziellen' (das heißt: nicht marktwirtschaftlichen) Unterstützung von Staatsapparaten, von denen keiner den Weltmarkt in seiner Gesamtheit kontrollierte. (S. 46f.)

Diese epochale Veränderung der gesellschaftlichen Organisationsform setzte ungeheuere Kräfte frei und löste schwerwiegende Konflikte zwischen den diversen Interessensgruppierungen - dem Hof, hohem und niederem Adel, Kaufleuten, Handwerkern, Bauernschaft usw. - aus. Die Art und Weise, wie diese Konflikte ausgetragen und schließlich kanalisiert wurden, hat die jeweilige Gesellschaft - das parlamentarische England, das absolutistische Frankreich, das zaristische Rußland, das Spanien von Philipp II. - wesentlich geprägt. Hinzu kommt, daß sich viele dieser Konflikte auch länderübergreifend - das klassische Beispiel ist der 30jährige Krieg infolge der protestantischen Reformation - ausgetobt haben.

Im Unterschied zur herkömmlichen Lehrmeinung, wonach in Europa der Kapitalismus infolge des Sturzes eines im Standesdenken verharrenden Adels durch ein fortschrittliches Bürgertum entstanden ist, macht Wallerstein hierfür in erster Linie die Anpassung weiter Teile des landbesitzenden Feudaladels an die Bedürfnisse eines sich entwickelnden Weltmarktes für Weizen, Holz, Wolle usw. verantwortlich. In dieser Situation kam dem Staat, der die ökonomischen Rahmenbedingungen festlegt, die Schlüsselrolle zu - weshalb so erbittert um die Kontrolle dieses Apparats gekämpft wurde. Während das Heilige Römische Reich Deutscher Nation weitgehend zu Kleinstaaten zerfiel und die einst mächtigen Stadtstaaten Norditaliens an Bedeutung verloren, entwickelten sich England, Frankreich, Portugal und Spanien zu Großmächten mit nationalstaatlichem Charakter. Gerade dieser Drang nach staatlicher Einheit und kultureller Homogenität, die sich in jener Zeit fatalerweise im deutschsprachigen Raum nicht herstellen ließen, erklärt die Heftigkeit, mit der damals die Religionskriege ausgefochten wurden.

Weil Wallerstein die Frage der religiösen Zugehörigkeit der der wirtschaftlichen Interessen unterordnet, ist er unter anderem von Anthony Giddens, dem intellektuellen Ziehvater Tony Blairs, kritisiert worden. Seit Max Weber vor einhundert Jahren die "protestantische Ethik" zum "Geist des Kapitalismus" erklärt hat, gilt diese Erkenntnis praktisch als unumstößlich. Davon unbeirrt präsentiert Wallerstein eine Unzahl von Fakten wie die überragende Rolle des italienischen Bankenwesens, die sein Argument, die ethisch- kulturellen oder theologischen Unterschiede zwischen Protestantismus und Katholizismus seien zu gering gewesen, als daß man ernsthaft sagen könnte, ersterer habe die Entstehung des Kapitalismus begünstigt, letzterer dagegen nicht, stichhaltig belegen. Gerade am Beispiel der nördlichen und der südlichen Niederlande - später Belgien und Holland - zeigt Wallerstein, wie allein der administrative, rein willkürliche Separatismus zur religiösen Polarisierung führte und wie aus Kapitalisten Calvinisten wurden und nicht umgekehrt. In einer Zeit, in der manche Kräfte einen Jahrhundertkonflikt zwischen der westlichen Zivilisation - ob nun säkularen oder christlich-jüdischen sei dahingestellt - und dem Islam heraufzubeschwören versuchen, kann Wallersteins Erinnerung an den Vorrang der materiellen Bedingungen vor den kulturellen nicht hoch genug eingeschätzt werden. Nicht umsonst lautet seit Watergate zum besseren Verständnis einer jeden politischen Affäre "Follow the money".

Zwei Phänomene, welche entscheidend zum Siegeszug des europäischen Kapitalismus im 16. Jahrhundert beigetragen haben, waren der rüstungstechnologische Vorsprung vor allem im maritimen Bereich und die Eroberung der westlichen Hemisphäre. Erst durch die Ausplünderung Mittel- und Südamerikas - Ausbeutung der Silber- und Goldvorkommen, Errichtung des Plantagensystems u. v. a. m. - ließen sich der weitere Vorstoß der Europäer nach Asien und der weltumspannende Gewürzhandel finanzieren. Auf seine Frage, welche "Struktur" die damalige Herrschaft der portugiesischen Marine über den asiatischen Seehandel ermöglicht habe, liefert Wallerstein folgende "einfache" Antwort:

"Es lag an der technischen Überlegenheit der Kanonenschiffe, die in den zwei vorhergehenden Jahrhunderten im Atlantischen Europa entwickelt worden waren, zu der 1501 mit den in der Schiffswand selbst vorgesehenen Kanonenluken, statt des bisherigen Aufbaus, noch eine entscheidende technische Neuerung hinzugekommen war." (S. 471)

Während sich die Europäer im 16. Jahrhundert anschickten, Amerika zu kolonisieren, war ein solches Unterfangen in Asien - wegen der gigantischen Landmasse und der Größe der einheimischen Völker - nicht möglich. Folglich richteten die Europäer nur in der westlichen Hemisphäre Kolonien, in Asien dagegen Handelsniederlassungen ein. Dazu Wallerstein:

Die Kombination daraus bedeutete, daß die beiden Amerikas im 16. Jahrhundert zur Peripherie der europäischen Weltwirtschaft wurden, während Asien weiterhin Außenarena blieb. (S. 478)

Die Unterscheidung in Zentrum, Semiperipherie, Peripherie und Außenarena spielt in der Konzeption Wallersteins vom modernen Weltsystem die überragende Rolle. Recht dezidiert erklärt er, wie sich im Laufe des 16. Jahrhunderts das wirtschaftliche Zentrum Europas von Süddeutschland, Norditalien und der iberischen Halbinsel nach Norden, in Richtung Frankreich, England und die Niederlande, verschob. Das westeuropäische Kerngebiet, in dem sich die kapitalistischen Kräfte am weitgehendsten durchsetzen konnten, zeichnete sich durch Lohnarbeit und die Herstellung gewerblicher Produkte - Grundstein der verarbeitenden Industrien - aus, während Ost- und Südeuropa hauptsächlich wegen des Fehlens starker Zentralstaaten als Lieferanten landwirtschaftlicher Güter in die Semiperipherie zurückfielen. Die Folgen dieser in Herrschafts- und Raublogik gegründeten, innereuropäischen Arbeitsteilung begleiten uns noch heute, wie der erbitterte Streit um die Finanzierung der EU- Erweiterung nur allzu deutlich zeigt.

Überhaupt gelingt es Wallerstein immer wieder, die damaligen Verhältnisse dermaßen schlüssig zu erklären, daß sich die Parallelen zu heute aufdrängen beziehungsweise die Herkunft zahlreicher noch heute fortwährender Entwicklungen ersichtlich werden. Ein Beispiel für ersteres stellt folgendes von Wallerstein verwendetes Zitat Fernand Braudels zum Thema Banditentum dar - ein Zitat, das sich mit einiger Phantasie auf die instabilen Verhältnisse im Königreich Saudi- Arabien und in großen Teilen der arabischen Welt, wo heute bestimmte "islamistische" Kreise unter dem Banner des Milliardärssohns Osama Bin Laden anstreben, mit Waffengewalt die alten korrupten Regime zu stürzen, übertragen ließe:

"Hinter den Seeräubern (la course maritime) standen die Städte, die Stadtstaaten. Hinter der Straßenräuberei (la course terrestre) stand die anhaltende Unterstützung der Grundherren, die den Abenteurern Rückhalt boten. Die Briganten hatten oft an ihrer Spitze oder wenigstens zu ihrer Unterstützung einen wirklichen Grundherrn...
Doch vereinfachen wir nicht zu sehr. Sehr häufig kam es vor, daß Adlige sich das Brigantentum zunutze machten, doch ebenso oft war dies gegen andere ... gerichtet. Denn das Banditentum ist nicht nur mit der Krise eines bestimmten Teils des Adels verknüpft. Es ist eine hauptsächlich von Bauern getragene Massenbewegung." (S. 228)

Wallerstein belegt seine überzeugende Analyse und Erklärung der Entstehung des Kapitalismus mit sehr vielen Zitaten aus den Werken anderer namhafter Historiker, Soziologen und Ökonomen wie Andre Gunder Frank, Eric Hobsbawm, Christopher Hill, John Maynard Keynes, Karl Marx, Karl Polanyi, Joseph Schumpeter, Paul Sweezy, A. J. P. Taylor, Hugh Trevor-Roper und Max Weber. Läßt man sich die wirklich umfassenden Fußnoten zu jedem Kapitel nicht entgehen - Nachschlagen in regelmäßigen Abständen empfiehlt sich - lernt man zahlreiche Geistesgrößen näher kennen und kann sich gleichzeitig einen Überblick zum Stand der aktuellen Debatte über die historischen Ursprünge der modernen Welt verschaffen.

Wenn es etwas am vorliegenden Buch zu kritisieren gibt, dann einzig und allein gelegentliche Passagen wie die folgende, in denen sich eine gewisse Distanziertheit des Akademikers Wallerstein zur rauhen Wirklichkeit einschleicht:

Wie England 'exportierte' auch Frankreich seine Bevölkerung: im 16. und 17. Jahrhundert nach Spanien (um die vertriebenen Morisken zu ersetzen), später nach Amerika, zudem kamen viele Menschen bei der Verfolgung der Protestanten ums Leben. Am Ende des 18. Jahrhunderts war das Gleichgewicht wiederhergestellt. (S. 371)

Dessen ungeachtet ist es das Verdienst Immanuel Wallersteins, mit dem ersten Band seines "modernen Weltsystems" eine gigantische Fülle, wie er es selbst einräumt, komplexen, empirischen Materials aufgearbeitet und jedem aufgeschlossenen Leser zugänglich gemacht zu haben. Wer sich für Geschichte und Politik interessiert und mehr über die gesellschaftlichen - und dabei hauptsächlich wirtschaftlichen - Kräfte erfahren möchte, welche zum Beispiel hinter den Seeräubereskapaden eines Sir Francis Drake standen, kommt mit der vorliegenden Lektüre voll auf seine Kosten.

22. Juli 2005


Immanuel Wallerstein
Das moderne Weltsystem I
Die Anfänge kapitalistischer Landwirtschaft und
die europäische Weltökonomie im 16. Jahrhundert
Aus dem Englischen von Angelika Schweikhart
Originaltitel: "The Modern World-System: Capitalist Agriculture and
the Origins of the European World-Economy in the Sixteenth Century"
Promedia Verlag, Wien 2004
595 Seiten
ISBN 3-85371-142-2