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REZENSION/390: Praktisches Wörterbuch Französisch (SB)


Langenscheidt - Praktisches Wörterbuch Französisch


Französisch-Deutsch

Deutsch-Französisch


Das Praktische Wörterbuch Französisch ist ein sympathisches kleines Schwergewicht, das gerade mal noch gut in der Hand liegt. Die Redaktion hat hier - und das sollte man sich für den Gebrauch gleich klarmachen - das Hauptaugenmerk auf die Alltagssprache gelegt. Das heißt, es bezieht sich auf jene Wendungen, denen man im gewöhnlichen Umgang mit Franzosen und modernen französischen Medien begegnet sowie auf das Deutsch des täglichen Gebrauchs. Es umfaßt den französischen Grundwortschatz (diese Begriffe werden speziell hervorgehoben) sowie aktuelle Sprachentwicklungen einschließlich allgemeingebräuchlicher Begriffe aus Politik und Kultur, Medizin, Sport und Informationstechnologie. Es ist ein Wörterbuch für den täglichen Gebrauch, und man wird auf vieles, aber auch nicht alles stoßen, das man aus der Alltagssituation heraus in bisherigen Lexika nicht gefunden hat. So sind im deutschen Teil z.B. weder der Migrant, noch der Illegale zu finden; den Immigranten gibt es zwar, aber auf den clandestin kommt man nur, wenn man das französische Wort sucht. Man findet die Büttenrede auf französisch erklärt und den Bürgerrechtler; die in Debatten häufig bemühte Zivilgesellschaft läßt wohl noch auf sich warten. Als Hilfestellung beim Studium klassischer literarischer Werke oder Gedichte oder für die Übersetzung klassischer Chansons ist es weniger geeignet.

Dieses Wörterbuchkonzept ist nur allzu logisch, wenn man die Entwicklung des Sprachenunterrichts oder die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Inhalte in der Alltagskommunikation und in den Medien bedenkt. Im allgemeinen wird weniger gelesen, vor allem weniger zur Lektüre klassischer Texte angehalten. Wird gelesen, treten moderne Autoren und Medienerzeugnisse in den Vordergrund, die sich wiederum in der Regel der Umgangssprache bedienen. Auch wenn in Frankreich noch vergleichsweise viel Gewicht auf den Erhalt des klassischen Französisch und die entsprechende Literatur und Lektüre gelegt wird, erhält doch die schnelle Verständigung, der schnelle Abgleich und Austausch von Informationen entsprechend den Effizienzanforderungen der Geschäftswelt hier wie dort den Vorrang.

Dies führt direkt zum zweiten Merkmal des vorliegenden Wörterbuchs, der übersichtlichen Gestaltung, die einen schnellen und effizienten Zugriff auf das gesuchte Wort ermöglichen soll. Die Schrift ist vergleichsweise groß und gut zu lesen. Jedes Stichwort befindet sich - fettgedruckt - auf einer neuen Zeile und ist in den Wendungen und Beispielen voll ausgeschrieben. Sehr erfreulich, jedoch nicht neu, ist die zweiseitige Übersicht gleich zu Anfang, die beispielhaft an zwei Wörterbuchspalten die Darstellungsweise und die in Kennzeichnungen, Abkürzungen und Anmerkungen verborgenen Zusatzinformationen erklärt. Diese zwei Seiten sowie die in den Vorlauftexten und im Anhang befindlichen Hinweise sind - was in der Regel unterschätzt wird - ausgesprochen hilfreich und wichtig, um das Wörterbuch in seiner ganzen Informationsbreite wirklich ausschöpfen zu können. Erwähnenswert, da von wirklicher Hilfe, ist noch die größere Anzahl der aufgenommenen Idiome und Redewendungen in deutlicher Hervorhebung.

Zugegebenermaßen ist die Gestaltung des Praktischen Wörterbuchs eine Erholung. Und doch gehen mit den neueren Entwicklungen Probleme einher, die sich nicht auf den ersten Blick erschließen. Ein hervorstechendes Merkmal heutiger Wörterbücher ist die Tatsache, daß die Entscheidung darüber, welche neuen Begriffe und Wendungen in das Werk aufgenommen werden, heute eher die Maschine trifft als der Mensch. Computergestützt werden Texte auf die häufigsten Begriffe durchkämmt. So kann es sein, daß Modeworte, die zum fraglichen Zeitpunkt die Medien überfluten, Eingang in ein Standardwerk zur Alltagssprache finden und im nächsten Durchgang wieder verschwinden. Dies mag einen lebendigen und zeitgemäßen Eindruck machen und ist nicht zuletzt auch den Gewohnheiten des potentiellen Nutzers geschuldet. Ist jedoch allein die Häufigkeit des Auftretens und nicht mehr der Gehalt des Begriffs ausschlaggebend, also seine Aussage, die das Spektrum der Sprach- und damit Gedankenwelt erweitert, droht durch diese Form, die Sprachkultur abzuschöpfen, eine den aktuellen Tendenzen entsprechende Verflachung der allgemein zugänglichen Ideenwelt. Das, was bereits vorherrscht, wird auf diese Weise noch weiter in den Vordergund gebracht. Dem, was demgegenüber in Randbereiche der deutschen wie der französischen Sprache zu treten droht, blüht Unverständnis und Bedeutungslosigkeit. In die gleiche Richtung führt die Entwicklung, vermeintliche Redundanzen durch die Eliminierung von Synonymen auszuschließen. Kein Wort sagt wirklich das gleiche aus und liege es nur im Verständnis der unterschiedlichen Leser.

Nun ist es mit Sicherheit nicht die Stoßrichtung eines Standardwerks zur Alltagssprache wie diesem, also eines Handbuchs, das einen schnellen Zugriff und Übersetzungserfolg liefern soll, sich um Sprachvielfalt im Sinne tiefgehender Inhalte zu bemühen. Dennoch hilft es dem Nutzer für die eigene Sprachbildung, diese Einschränkung zu erkennen. Die Frage nach der schnellen Entsprechung in der jeweils anderen Sprache setzt die Reduktion auf "das Wesentliche" schon voraus. Für den alltäglichen Umgang und den schnellen Abgleich, für die Anforderungen in Schule und Beruf mag dies hilfreich sein, ein effizienter Zugriff im Sinne einer präzisen Übertragung von einer in die andere Sprache in all ihren Facetten ist so jedoch nicht möglich.

Ein gutes Beispiel hierfür ist der Begriff Geist, zum Vergleich nachgeschlagen in Langenscheidts Handwörterbuch Französisch, Neubearbeitung 1964 (etwa 140.000 Stichwörter). Das Praktische Wörterbuch verfügt über 120.000 Stichwörter und Wendungen.


Übersicht
1964 - 140.000 Stichwörter
2007 - 120.000 Stichwörter
Geist
-
Geisterbanner
-beschwörer
-beschwörung
-erscheinung
-
-haft
-
-
-seher
-
-stunde
-welt
geistes-abwesen/d
-heit
Geistesarbeiter
-bildung
-blitz
-funke
-freiheit
-gabe
-gegenwart
-
-
-gestört/-krank
-
-gestörtheit/-krankheit
-
hier keine
Differenzierung
-größe
-schwach
-schwäche
-stärke
-verfassung
-verwandt
-verwandtschaft
-wissenschaften
-
-zustand
geistig
Geist
Geisterbahn
-
-
-
-
Geisterfahrer(in)
geisterhaft
Geisterhand
geistern
-
Geisterstadt
Geisterstunde
-
geistesabwesend
Geistesabwesenheit
-
-
-
-
-
-
Geistesgegenwart
geistesgegenwärtig
Geistesgeschichte
geistesgestört
Geistesgestörte(r)
-
Geisteshaltung
geisteskrank
Geisteskrankheit
-
-
-
-
-
-
-
Geisteswissenschaft
Geisteswissenschaftler(in)
Geisteszustand
geistig
30
22

Wenn auch das Praktische Wörterbuch wider Erwarten eine geringere Stichwortanzahl aufweist als das wenig größer als DIN A5-formatige Hand(taschen)wörterbuch von 1964, zeigen sich sehr wohl die Begriffsbereiche, die heute als weniger wichtig erscheinen. Der Geistesarbeiter mit -blitz, -funke, -gabe und -freiheit gerät wie auch die Geistesgröße, -stärke und -verwandtschaft in den Hintergrund, während Geistesgegenwart und -abwesenheit, Geisteshaltung und -zustand weiter gefragt sind. Natürlich kann dies in seiner Kürze lediglich einen Hinweis auf die aktuelle (Sprach)Entwicklung darstellen. Der Nachweis wäre durch eine entsprechend gründliche Untersuchung zu führen, die nicht an den gesellschaftlichen Hintergründen vorbeigeht.

Die Reihe Praktischer Wörterbücher von Langenscheidt (Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch) übersetzt in zwei Sprachrichtungen. Die Übersetzungshilfen im französischen Teil sind nun auf französisch, die im deutschen auf deutsch. (Beispiel: auslaufen v/i (sn) 1 Schiff partir; sortir; 2 Gefäß se vider; Flüssigkeit couler 3 Vertrag etc. expirer; venir à expiration... / emballer [abale]* I v/t 1 objects ein-, verpacken 2 moteur aufheulen lassen; hochjagen 3 F (enthousiasmer) mitreißen; begeistern...). Darüber hinaus bedeutet dies, daß zu deutschen Begriffen, die nicht direkt ins Französische übertragbar sind, Übersetzungsvorschläge gemacht werden (Beispiel: Heimvorteil m SPORT avantage m de jouer sur son terrain.) sowie deutsche Erklärungen zu französischen Begriffen aufgenommen sind, die sich nicht so einfach ins Deutsche bringen lassen. Das heißt in der Folge wiederum, daß sich die hier gefundene Übertragung nicht unbedingt auf die gleiche Weise direkt zurückübersetzen läßt, weil sie der jeweiligen Sprachkultur nicht entspricht. Im Zweifelsfall funktioniert das wie eine Einbahnstraße und ist eigentlich nicht erst seit dieser Generation der Wörterbücher ein Problem, das von Sprachbegeisterten durch Einfallsreichtum bewältigt wird. Nicht, daß ausgerechnet Warmduscher und Weichei besonders intelligente Beispiele wären, doch reichen sie, um knapp das Problem aufzuzeigen und den Witz, der in der Übertragung verlorengeht. Beide erscheinen in der Übersetzung als petite nature. Diesen Begriff wiederum findet man im französischen Teil nicht, er entspräche wohl am ehesten: von schwacher Wesensart und berücksichtigt den vergleichsweise moderaten Ton der zwei deutschen, umgangssprachlichen Begriffe. Der Weichling hingegen wird als péj mou; (weibischer Mann) efféminé; (Schwächling) femmelette übersetzt, der Schwächling als péj mauviette.

Auch wenn bei erster Überlegung eine größere Übersichtlichkeit nur zu begrüßen ist, stellt sich doch ein nicht ganz so offensichtliches Problem bei einer Gestaltung, die "extra-schnelles" Nachschlagen ermöglichen soll: Der kleine pädagogische Trick, den Schüler einmal durch die unübersichtlichen Minispalten kompakter Begriffskombinationen und Bedeutungen zu schicken, oder die eigene Abenteuerreise durch die mannigfaltigen Aspekte eines Wortes liegen nicht mehr so nahe wie ehedem. Auch dem bereichernden Verweilen bei anderen als den gesuchten Begriffen droht das Ende, da das Gesuchte schnell ins Auge fällt. Gleichzeitig, und das ist das wirklich Bedauerliche, droht der Zusammenhang fortzufallen, den man sonst noch gezwungen war auf der Suche nach dem passenden Wort mitzudurcheilen, weil der Blick primär auf das Hervorgehobene stößt. Darüber hinaus geht passend zum allgemeinen Trend in der neuen Wörterbuchgeneration nicht nur ein Wort ums andere (die als "obsolet" eliminierten) verloren, sondern auch die Fähigkeit des Nutzers, einen längeren Weg zu gehen. Gemeint ist die Wortsuche über mehrere Schritte, bei der man auf Wortverbindungen, Ableitungen und weitere Zusammenhänge und Zusatzinformationen stößt, ohne sofort das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Und damit ist die Geduld und auch die Freude in Gefahr, sich mit Dingen zu befassen, die ein wenig abseits der häufig befahrenen Hauptstrecke liegen, also mit anderem als dem bereits Bekannten und Erwarteten, als dem, was unmittelbar als Leistung gefordert wird.

Fast macht es den Anschein, als trete das Wörterbuch in der falschen Sparte in einen Effizienzvergleich mit computergestützten Sprachprogrammen oder Übersetzungskleinstcomputern. Dabei hat es als Werk, das in die Hand zu nehmen und dessen Seiten in ihrer ganzen Fülle zu überblicken sind, ein kleines Reich zu bieten, das nicht nur aus den Worten, sondern auch aus seiner Handhabung besteht.

Alles in allem läßt sich festhalten, daß diese Wörterbuchgeneration mit Sicherheit den allgemeinen Bedürfnissen des heutigen Nutzers entgegenkommt und eine gute Hilfe für die französisch-deutsche Sprachalltagsbewältigung darstellen kann. Ohnehin ist dem Sprach(en)begeisterten zu empfehlen, sich nie völlig auf ein WÖRTERBUCH und sich in gar keinem Fall auf EIN Wörterbuch zu verlassen.

Anmerkungen:
péj = péjoratif, verächtlich
F = familier, umgangssprachlich
* die Lautschrift ist hier nicht richtig darstellbar

18.06.2007


Langenscheidt Praktisches Wörterbuch Französisch
rund 120.000 Stichwörter und Wendungen
Langenscheidt Verlag München, April 2007
1487 Seiten, 19.95 Euro
ISBN 978-3-468-10461-9