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AKTION/1042: Urgent Action - Iran - Gewerkschafter verurteilt


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-130/2010-4, AI-Index: MDE13/027/2012, Datum: 9. Mai 2012 - we

Iran
Gewerkschafter verurteilt

Weitere Informationen zu UA-130/2010 (MDE 13/063/2010, 14. Juni 2010, MDE 13/109/2010, 10. Dezember 2010, MDE 13/013/2011, 4. Februar 2011 und MDE 13/053/2011, 3. Juni 2011)



Verurteilt:
Herr REZA SHAHABI (AUCH REZA SHAHABI ZAKARIA)
Festgenommen
Herr ZABIHOLLAH BAGHERI

Freigelassen
Herr EBRAHIM MADADI (AUCH MADDADI)

Der iranische Gewerkschafter Reza Shahabi Zakaria verbüßt aufgrund vage formulierter Anklagepunkte eine sechsjährige Haftstrafe. Sein gesundheitlicher Zustand ist sehr kritisch und es ist nicht klar, ob er die erforderliche medizinische Versorgung erhält. Von einem weiteren Gewerkschafter fehlt seit seiner Festnahme jede Spur.

Reza Shahabi (auch bekannt als Reza Shahabi Zakaria), Schatzmeister der Gewerkschaft der Busgesellschaft im Großraum Teheran (Sherkat-e Vahed), befindet sich seit Juni 2010 im Evin-Gefängnis, in der iranischen Hauptstadt Teheran. Aufgrund zahlreicher Hungerstreiks aus Protest gegen seine Haftbedingungen ist sein gesundheitlicher Zustand kritisch. Etwa seit Februar 2012 klagt er darüber, dass er in einer Hälfte seines Körpers kein Gefühl mehr habe. Die Gefängnisbehörden brachten ihn jedoch erst am 30. April in ein Krankenhaus. Es ist nicht klar, ob er eine angemessene medizinische Versorgung erhält.

Abteilung 15 des Revolutionsgerichts in Teheran hat Reza Shahabi zu fünf Jahren Haft wegen "Versammlung und Verschwörung gegen die Staatssicherheit" und zu einem Jahr wegen "Verbreiten von Propaganda gegen das System" verurteilt. Zudem muss er ein Bußgeld von 70 Millionen Rial (ca. 4.340 Euro) zahlen und darf sich fünf Jahre lang nicht als Gewerkschafter engagieren. Nach Auskunft des Rechtsanwalts von Reza Shahabi bereitet die Staatsanwaltschaft derzeit eine weitere Anklageschrift wegen "Feindschaft zu Gott" gegen seinen Mandanten vor, weil er Kontakt zu den Volksmudschaheddin (People's Mojahedin Organization of Iran - PMOI), einer im Iran verbotenen Oppositionsgruppe, unterhalten haben soll. Amnesty International geht davon aus, dass Reza Shahabi allein aufgrund seiner friedlichen Gewerkschaftsaktivitäten verurteilt wurde und betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen.

Um den 24. April 2012 herum wurde der Gewerkschafter Zabihollah Bagheri von drei BeamtInnen in Zivil festgenommen, als er gerade das Moharakeh-Stahlwerk in der zentralen Provinz Esfahan verlassen wollte. Sein derzeitiger Aufenthaltsort ist nicht bekannt. Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Busgesellschaft im Großraum Teheran, Ebrahim Madadi (auch Maddadi), wurde am 18. April aus dem Evin-Gefängnis entlassen, nachdem er eine dreieinhalbjährige Haftstrafe wegen vermeintlicher Handlungen "gegen die Staatssicherheit" abgeleistet hatte.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die Gewerkschaft der MitarbeiterInnen des Buslinienverkehrs im Großraum Teheran (Sherkat-e Vahed) wurde nach der islamischen Revolution 1979 verboten. 2004 nahmen ArbeiterInnen die gewerkschaftlichen Aktivitäten wieder auf, obwohl man sie nicht offiziell anerkannte. Am 22. Dezember 2005 verhaftete die Polizei zwölf führende GewerkschafterInnen in ihren Privatwohnungen. Vier von ihnen ließ sie kurz darauf wieder frei. Weitere GewerkschafterInnen wurden am 25. Dezember 2005 festgenommen, nachdem sie in einen Streik getreten waren, um die Freilassung ihrer KollegInnen zu fordern. Hunderte weitere Personen wurden während eines erneuten Streiks im Januar 2006 festgenommen (siehe auch UA-008/2006 und UA-026/2006).

Die Festnahme von Reza Shahabi erfolgte im Juni 2010. Drei Tage zuvor war bereits Saeed Torabian, Sprecher der Gewerkschaft Sherkat-e Vahed, verhaftet worden. Nach mehreren Wochen Haft ohne Kontakt zur Außenwelt konnte sich Reza Shahabi schließlich mit seiner Familie in Verbindung setzen und sie darüber informieren, dass er im Evin-Gefängnis in Teheran festgehalten wird. Im September 2010, nachdem die Behörden mitgeteilt hatten, Reza Shahabi könne gegen Kaution freikommen, zahlte seine Familie die geforderte Summe von 600 Millionen Rial (umgerechnet rund 37.000 Euro). Daraufhin verlangten die Behörden jedoch abermals umgerechnet 77.000 Euro. Aus Protest gegen die Fortdauer seiner Haft trat Reza Shahabi am 4. Dezember 2010 in den Hungerstreik. Sieben Tage später musste er wegen seines angegriffenen Gesundheitszustands in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Am 19. Dezember 2010 beendete Reza Shahabi schließlich seinen Hungerstreik. Am 22. November 2011 trat Reza Shahabi erneut in den Hungerstreik und beendete diesen erst nach 30 Tagen, aufgrund eines Krankenhausaufenthalts und auf Bitte seiner UnterstützerInnen und GewerkschaftskollegInnen.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie auf, Reza Shahabi unverzüglich und bedingungslos freizulassen, da er allein aufgrund seiner friedlichen Gewerkschaftsaktivitäten in Haft gehalten wird. Geben Sie bitte zudem den Aufenthaltsort und den rechtlichen Status von Zabihollah Bagheri bekannt.

- Ich möchte Sie bitten, Zabihollah Bagheri unverzüglich Zugang zu seinen Familienangehörigen und seinem Rechtsbeistand zu gewähren.

- Stellen Sie bitte sicher, dass weder Reza Shahabi noch Zabihollah Bagheri gefoltert oder anderweitig misshandelt wird und dass beide die erforderliche medizinische Versorgung erhalten.


APPELLE AN

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street - End of Shahid
Keshvar Doust Street
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info_leader@leader.ir
Twitter: "#Iran leader @khamenei_ir: Release all trade
unionists held solely for peaceful TU activities"

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
[c/o] Public Relations Office, Number 4
2‍ ‍Azizi Street intersection
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: bia.judi@yahoo.com
(Betreff: FAO Ayatollah Sadegh Larijani)


KOPIEN AN

LEITER DER STAATLICHEN MENSCHENRECHTSBEHÖRDE
Mohammad Javad Larijani
High Council for Human Rights
[c/o] Office of the Head of the Judiciary
Pasteur St., Vali Asr Ave
South of Serah-e Jomhouri
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Dear Sir / Sehr geehrter Herr Larijani)
E-Mail: info@humanrights-iran.ir
(Betreff: FAO Mohammad Javad Larijani)

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de oder
info@iranbotschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 20. Juni 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Calling on the Iranian authorities to immediately and unconditionally release Reza Shahabi as he is held solely for his peaceful trade union activities and to clarify Zabihollah Bagheri's whereabouts and current legal status.

- Calling for Zabihollah Bagheri to be allowed immediate access to his family and lawyer.

- Urging the Iranian authorities to protect Reza Shahabi and Zabihollah Bagheri from torture or other ill-treatment and to provide them with all necessary medical care.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Saeed Torabian und Reza Shahabi wurden nach den Streiks im Jahr 2005 ohne Lohnfortzahlung für etwa vier Jahre von der Arbeit suspendiert. Nachdem das zuständige Verwaltungsgericht ihren Fall untersucht hatte, stellte man sie wieder ein. Dieses Gericht ist berechtigt, Beschwerden gegen Regierungsangestellte nachzugehen.

In jüngster Zeit wurden weitere GewerkschafterInnen festgenommen oder schikaniert, darunter Mitglieder der Gewerkschaft der Haft Tapeh Sugar Cane Company (HTSCC), die ebenfalls nicht von den Behörden anerkannt wird. Ende Mai oder Anfang Juni 2011 wurde Reza Rakhshan, Vorsitzender der Gewerkschaft, nach sechs Monaten in Haft aus dem Fajr-Gefängnis in der Stadt Dezful im Osten des Iran entlassen. Ali Nejati, ehemaliger Vorsitzender der Gewerkschaft HTSCC, wurde am 12. November 2011 festgenommen und in das Gefängnis in Dezful gebracht, um dort eine einjährige Haftstrafe wegen seiner friedlichen gewerkschaftlichen Aktivitäten abzuleisten. Nachdem er sich aufgrund eines Herzinfarktes einer Herzoperation unterziehen musste, befand er sich in einem so schlechten gesundheitlichen Zustand, dass er am 7. März 2012 einen zehntägigen medizinisch begründeten Hafturlaub antrat. Amnesty International ist nicht bekannt, ob er sich jetzt wieder im Gefängnis befindet. Die Frau von Ali Nejati, Shahnaz Nejati, die ebenfalls Mitglied des Vorstandes der HTSCC ist, wurde am 27.‍ ‍November 2011 von Angehörigen des Geheimministeriums festgenommen, als diese ihr Haus in der Stadt Shush, in der Provinz Chuzestan, durchsuchten. Die Gründe für ihre Festnahme sind Amnesty International nicht bekannt.

Rasoul Bodaghi, Mitglied der Lehrergewerkschaft Teachers' Trade Association, die dem Verband Education International angeschlossen ist, wurde im September 2009 festgenommen. Man verurteilte den Mann, der bereits seit 20 Jahren als Lehrer gearbeitet hatte, zu sechs Jahren Haft wegen "Propaganda gegen das System" und "Gefährdung der nationalen Sicherheit". Im Januar 2011 bestätigte ein Berufungsgericht sein Urteil und untersagte ihm zudem für fünf Jahre sich zivilgesellschaftlich zu engagieren. Berichten zufolge wurde er im Mai 2010 brutal von zwei PolizeibeamtInnen geschlagen.

In mehreren iranischen Städten erhielten die Gewerkschafter 2012 keine Genehmigungen für das Abhalten von öffentlichen Maikundgebungen. In Teheran hielten die Gewerkschafter eine Veranstaltung in einer Turnhalle ab. In Sanandaj, in der nordwestlichen Provinz Kurdistan, versammelten sich am 1. Mai Hunderte Arbeiter und Arbeiterinnen und sangen "Wir sind Arbeiter, wir sind hungrig". Sicherheitskräfte lösten die Versammlung kurz nach Beginn der Kundgebung auf. In Zivil gekleidete BeamtInnen nahmen mindestens acht Personen fest, deren Aufenthaltsorte am 7. Mai noch immer unbekannt waren.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-130/2010-4, AI-Index: MDE13/027/2012, Datum: 9. Mai 2012 - we
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2012