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AKTION/1248: Urgent Action - Nigeria, Unmittelbar drohende Hinrichtungen


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-317/2012, AI-Index: AFR 44/045/2012, Datum: 25. Oktober 2012 - we

Nigeria
Unmittelbar drohende Hinrichtungen



ZWEI HÄFTLINGE IM TODESTRAKT IN BENIN-STADT

Zwei Männer, die sich in Benin-Stadt im Bundesstaat Edo im Südwesten Nigerias in Haft befinden, könnten jederzeit hingerichtet werden. Der Gouverneur von Edo hat ihre Hinrichtungsbefehle Anfang Oktober unterschrieben. Gerichtsverhandlungen über einen Hinrichtungsaufschub sind noch anhängig.

Anfang Oktober hat der Gouverneur des Bundesstaates Edo die Hinrichtungsbefehle von zwei Männern unterschrieben, die sich im Gefängnis von Benin-Stadt befinden. Offensichtlich hatte ihn die Gefängnisverwaltung zuvor darüber informiert, dass die Todestraktinsassen "nicht länger kontrollierbar" seien. Es kann noch nicht veröffentlicht werden, um wen es sich bei den beiden handelt, da ihre Familienangehörigen bisher noch nicht offiziell über die unmittelbar bevorstehende Hinrichtung in Kenntnis gesetzt worden sind. Laut Osagie Obayuwana, Generalstaatsanwalt des Bundesstaates Edo und Justizkommissar, waren im Oko-Gefängnis in Benin-Stadt vor Kurzem einige Todestraktinsassen in einen Ausbruch verwickelt. Dies soll den Gouverneur dazu veranlasst haben, die beiden Hinrichtungsbefehle zu unterschreiben.

Im März 2010 strengte die nigerianische Nichtregierungsorganisation LEDAP (Legal Defence and Assistance Project) in Lagos einen Prozess zugunsten der damals 826 Insassen des Todestraktes an, zu denen auch die beiden Männer gehören, deren Hinrichtungsbefehl nun unterschrieben wurde. Daraufhin wurde vom Bundesgerichtshof zunächst eine richterliche Verfügung gegen die Hinrichtungen der 826 Personen erlassen. Diese wurde jedoch zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgehoben. Ein Rechtsmittel, das beim Berufungsgerichtshof gegen die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die richterliche Verfügung aufzuheben, eingelegt wurde, ist noch anhängig. Am 19. Oktober reichte LEDAP gegen die Hinrichtung der beiden Häftlinge erneut Klage beim Bundesgerichtshof ein, über die bisher jedoch noch nicht entschieden wurde.

Die beiden Männer wurden jeweils im Januar und im Juni 1996 des Mordes für schuldig befunden und zum Tod durch Erhängen verurteilt. Seitdem befinden sie sich im Todestrakt. Das nigerianische Strafgesetz schreibt die Todesstrafe bei einer Verurteilung wegen Mordes zwingend vor.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die letzten bekannten Hinrichtungen in Nigeria sind 2006 vollstreckt worden. Damals wurden mindestens sieben Männer, die alle im Bundesstaat Kano im Norden Nigerias zum Tode verurteilt worden waren, in Gefängnissen in Kaduna, Jos und Enugu gehängt. Die Bundesgeneralstaatsanwaltschaft und der Justizminister bestätigten im Oktober 2011, dass in Nigeria ein Hinrichtungsmoratorium gelte, die Einhaltung dieses Moratoriums jedoch "freiwillig" sei. Die Verwaltung des Gefängnisses in Benin-Stadt hat die Häftlinge und ihre Familienangehörigen nicht offiziell über die geplanten Hinrichtungen informiert, was gegen internationale Menschenrechtsstandards verstößt. Diese schreiben vor, dass zum Tode verurteilte Personen und ihre Familien mit angemessenem Vorlauf über das geplante Datum und die angesetzte Zeit einer Hinrichtung in Kenntnis gesetzt werden müssen. Die Betroffenen sollen die Möglichkeit erhalten, sich auf die bevorstehende Hinrichtung vorzubereiten. So soll die psychische Belastung für sie reduziert werden.

Der aktuelle Versuch, Hinrichtungen wieder aufzunehmen, folgt einer Ankündigung mehrerer Gouverneure aus dem Jahr 2011. Sie hatten erklärt, dass sie die Fälle aller zum Tode Verurteilten überprüfen und Hinrichtungsbefehle unterzeichnen werden, um so die Gefängnisse des Landes zu entlasten.

Ende 2011 befanden sich mindestens 920 Menschen in Nigeria im Todestrakt, darunter auch Frauen und jugendliche Straftäter. Viele der Todestraktinsassen wurden im Rahmen von ganz offensichtlich unfairen Verfahren zum Tode verurteilt. Einige waren bereits mehr als ein Jahrzehnt inhaftiert, bevor ihre Gerichtsverfahren begannen. Personen, denen Kapitalverbrechen vorgeworfen werden oder die zum Tode verurteilt wurden, erhalten in der Regel kein faires Verfahren und dürfen auch von ihrem Recht auf ein Berufungsverfahren keinen Gebrauch machen.


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, die Hinrichtungen der beiden Männer sofort mithilfe jeglicher verfügbaren gerichtlichen oder sonstigen Maßnahmen zu verhindern.
  • Ich bitte Sie eindringlich, die laufenden Verhandlungen vor dem Berufungsgericht und dem Bundesgerichtshof zu respektieren und keine Hinrichtungen durchzuführen, solange diese Verfahren noch anhängig sind.
  • Bitte verhängen Sie sofort ein Hinrichtungsmoratorium im Bundesstaat Edo, mit dem Ziel, die Todesstrafe vollständig abzuschaffen. Wandeln Sie bitte alle bereits verhängten Todesurteile in Haftstrafen um.
  • Ich fordere Sie zudem auf, das von der nigerianischen Regierung verhängte Moratorium für die Vollstreckung der Todesstrafe zu respektieren.

APPELLE AN

GOUVERNEUR DES BUNDESSTAATES EDO
Adams Aliyu Oshiomhole
Office of the Governor
Government House Complex, Denis Osadebe Avenue
Benn City, Edo State, PMB 1081, NIGERIA
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: governor@edostate.gov.ng
Facebook: https://www.facebook.com/#!/fansofoshiomhole?fref=ts

GENERALSTAATSANWALT UND JUSTIZKOMMISSAR
Osagie Obayuwana, SAN
Ministry of Justice
Edo State Government House
Benin City, Edo State, NIGERIA
(Anrede: Dear Hon. Commissioner / Sehr geehrter Herr Obayuwana)
E-Mail: o.obayuwana@edostate.gov.ng


KOPIEN AN

GENERALDIREKTOR
Nigeria Prisons Service
Zakari Ohinoyi Ibrahim
Bill Clinton Drive, Airport Road, Abuja
NIGERIA
(Anrede: Dear Comptroller General / Sehr geehrter Herr Generaldirektor)
E-Mail: nfo@prisons.gov.ng

BOTSCHAFT DER BUNDESREPUBLIK NIGERIA
S. E. Herrn Abdu Usman Abubakar
Neue Jakobstraße 4
10179 Berlin
Fax: 030-2123 0164
E-Mail: info@nigeriaembassygermany.org


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 6. Dezember 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the Edo state government and Nigeria's prison service to urgently stop the executions, by whatever judicial or other means available.
  • Calling on them to respect the ongoing proceedings in the Court of Appeal and the Federal High Court, and not to carry out any executions while these proceedings are pending.
  • Urging the Governor to immediately impose a moratorium on executions in his state, with a view to abolishing the death penalty, and to commute all death sentences to terms of imprisonment.
  • Urging the Governor to respect the federal moratorium on the death penalty established by the Nigerian government.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Die Verletzung der Rechtsansprüche beginnt oftmals schon bei der Festnahme. Anstelle einer umfassenden und unparteiischen Untersuchung der Straftat setzt die Polizei häufig Folter oder andere Misshandlungen ein, um "Geständnisse" zu erzwingen. Die Großzahl der Häftlinge, die sich derzeit im Todestrakt befinden, wurde auf Grundlage solcher rechtswidrig erzwungenen "Geständnisse" zum Tode verurteilt. Die meisten Insassen des Todestraktes mussten zwischen fünf und zehn Jahren auf den Abschluss ihres Verfahrens warten. Einigen wurde ihr Recht auf einen Rechtsbeistand verwehrt. Das nigerianische Strafjustizsystem ist so unstrukturiert, dass zum Tode Verurteilte zum Teil keine Rechtsmittel einlegen konnten, weil ihre Verfahrensakte verloren gegangen ist, oder weil sie keinen Rechtsbeistand hatten, der sie bei ihrem Kampf um ihr Leben vertrat. Sowohl in Westafrika insgesamt als auch in der Region um Nigeria findet eine Entwicklung in Richtung Abschaffung der Todesstrafe statt. Die Hinrichtungen in Nigeria würden dieser Entwicklung zuwiderlaufen. Seit dem Jahr 2000 haben Cote d'Ivoire, Senegal, Togo, Burundi, Gabun und Ruanda die Todesstrafe für alle Straftaten abgeschafft. Auch die Regierung von Ghana nahm dieses Jahr die Empfehlung eines Komitees zur Überprüfung der Verfassung an, die Todesstrafe nicht in die neue Verfassung aufzunehmen. Benin ratifizierte 2012 als 75. Staat weltweilt und als zehntes afrikanisches Land das Zweite Fakultativprotokoll zu dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe (Second Optional Protocol to the International Covenant on Civil and Political Rights aiming at the abolition of the death penalty - ICCPR-OP2), welches auf die Abschaffung der Todesstrafe abzielt. Im September unterzeichnete auch Madagaskar das Fakultativprotokoll.

Die Arbeitsgruppe über die Todesstrafe aus dem Jahr 2004 und die vom Präsidenten eingesetzte Kommission für die Reform der Justizverwaltung aus dem Jahr 2007 haben betont, dass das Strafjustizsystem in Nigeria nicht in der Lage ist, faire Verfahren zu garantieren, und ein Hinrichtungsmoratorium gefordert. 2008 verabschiedete die Afrikanische Kommission für Menschen- und Völkerrechte ihre zweite Resolution zur Todesstrafe. Darin fordert sie die Vertragsstaaten der afrikanischen Charta für Menschen- und Völkerrechte dazu auf, ein "Moratorium für die Vollstreckung der Todesstrafe zu erlassen mit dem Ziel, die Todesstrafe abzuschaffen" und das ICCPR-OP2 zu ratifizieren. Auch Nigeria gehört zu den Vertragsstaaten der Charta.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-317/2012, AI-Index: AFR 44/045/2012, Datum: 25. Oktober 2012 - we
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2012