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AKTION/1317: Urgent Action - Syrien, Drohender Militärprozess


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-264/2012-1, AI-Index: MDE 24/091/2012, Datum: 18. Dezember 2012 - mr

Syrien
Drohender Militärprozess

Weitere Informationen zu UA-264/2012 (MDE 24/076/2012, 18. September 2012)



Herr BASSEL KHARTABIL, 31 Jahre alt

Bassel Khartabil wird seit seiner Festnahme am 15. März ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Er soll an ein Militärgericht übergeben worden sein, das weder das Recht auf Verteidigung noch Rechtsmittel gegen seine Urteile einräumt und dessen Verfahren im Geheimen stattfinden.

Der in Syrien geborene und aufgewachsene Palästinenser Bassel Khartabil wurde am 15. März aus nicht bekannten Gründen in Damaskus festgenommen. Angehörige der Sicherheitskräfte des militärischen Geheimdienstes in Kafr Sousseh bestätigten seiner Familie die Inhaftierung, ohne ihr jedoch weitere Informationen zu seinem Verbleib und seiner Person zu geben. Wenige Wochen nach seiner Festnahme berichtete ein freigelassener Häftling der Familie von Bassel Khartabil, dass er ebenfalls beim militärischen Geheimdienst in Kafr Sousseh festgehalten worden sei und Bassel Khartabil dort gesehen habe. Bassel Khartabil sei gefoltert oder auf andere Weise misshandelt worden.

Ein im Ausland lebender Angehöriger hat berichtet, dass Bassel Khartabil vor etwa zwei Monaten in das 'Adra-Gefängnis nordöstlich von Damaskus gebracht worden sei. Obwohl er ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten wurde, konnte er mit Mithäftlingen sprechen, die Besuch erhalten durften, und informierte auf diesem Weg seine Familie, dass er vor ein Militärgericht gestellt werden soll. Solche Gerichte bestehen aus Militärrichtern und die Angeklagten haben weder das Recht auf einen Rechtsbeistand noch können sie ZeugInnen benennen. Die Verfahren werden im Geheimen abgehalten und die Verhandlungstermine werden nicht bekannt gegeben. Urteile, die dieses Gericht verhängt, können auch nicht angefochten werden. Nach Angaben desselben Angehörigen ist Bassil Khartabil vor etwa zwei Wochen zu einer Abteilung des militärischen Geheimdienstes im Damazener Vorort Qaboun gebracht worden. Seine Gesundheit hat durch die Haftbedingungen gelitten. Der Angehörige geht davon aus, dass dieser Schritt mit Bassel Khartabils Verfahren vor einem Militärgericht zu tun haben könnte.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Seit Ausbruch der Proteste im Februar 2011 sind tausende mutmaßliche GegnerInnen der syrischen Regierung festgenommen und viele, vermutlich sogar die Mehrzahl, gefoltert und anderweitig misshandelt worden. Amnesty International liegen die Namen von mehr als 470 Menschen vor, die Berichten zufolge in dieser Zeit in Haft gestorben sind. Die Organisation hat außerdem zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen Häftlinge gefoltert oder anderweitig misshandelt wurden. Weitere Informationen zu Fällen von Folter und anderen Misshandlungen an syrischen Häftlingen finden Sie in dem englischen Bericht: "I wanted to die": Syria's torture survivors speak out, online unter:
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/016/2012/en

Die Situation hat sich inzwischen fast im gesamten Land zu einem internen bewaffneten Konflikt entwickelt. Systematische und weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen, darunter auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit und mögliche Kriegsverbrechen sind an der Tagesordnung. Zivilpersonen sind dabei die häufigsten Opfer. Amnesty International hat zahlreiche Beispiele dokumentiert, jüngst in Dokumenten wie Syria: Indiscriminate attacks terrorize and displace civilians
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/078/2012/en.

Andere Organisationen, wie die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission der UN zur Situation in der Arabischen Republik Syrien, sind zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Die Mehrzahl der von Amnesty International dokumentierten Menschenrechtsverletzungen wurde von den Streitkräften und Milizen der als Shabiha bekannten regierungstreuen Gruppierungen begangen. Doch auch bewaffnete Oppositionskräfte sollen sich Menschenrechtsverstößen schuldig gemacht haben. So sollen sie u. a. gefangengenommene Angehörige der Armee und der Shabiha ebenso wie die Entführung und Tötung von Menschen, die vermeintlich oder tatsächlich die Regierung und ihre Sicherheitskräfte unterstützen oder die Geiselnahme von Zivilpersonen um Gefangenenaustausche versucht haben. Amnesty International verurteilt diese Menschenrechtsverstöße scharf und hat die Führungsebene sämtlicher in Syrien operierender bewaffneter Oppositionsgruppen dazu aufgerufen, derartige Handlungen in einer öffentlichen Bekanntmachung zu verbieten und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit oppositionelle Gruppen keine Menschenrechtsverstöße mehr begehen.

Amnesty International ruft weiterhin dazu auf, die Situation in Syrien der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterbreiten, ein internationales Waffenembargo gegen das Land zu verhängen und die Vermögenswerte von Präsident al-Assad und seinen engsten Vertrauten einzufrieren. An Staaten, die Waffenlieferungen an die bewaffnete syrische Opposition erwägen, richtet Amnesty International den eindringlichen Appell, mit geeigneten Mechanismen sicherzustellen, dass mit den gelieferten Waffen keine Menschenrechtsverletzungen und/oder Kriegsverbrechen begangen werden. Eine weitere Forderung von Amnesty International betrifft die Entsendung einer mit den notwendigen Ressourcen ausgestatteten internationalen Menschenrechtsbeobachtermission nach Syrien, um dort die Menschenrechtslage effektiv zu überwachen und alle Menschenrechtsverstöße zu ermitteln und öffentlich zu machen.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie höflich auf, den Aufenthaltsort von Bassel Khartabil bekannt zu geben und zu gewährleisten, dass er weder gefoltert noch in anderer Weise misshandelt wird. Veranlassen Sie bitte, dass er unverzüglich sowohl zu seiner Familie als auch einem Rechtsbeistand seiner Wahl Kontakt aufnehmen darf. Stellen Sie bitte zudem sicher, dass er die notwendige medizinische Versorgung erhält.
  • Ich möchte Sie dringend bitten, den rechtlichen Status von Bassel Khartabil zu klären und ihn entweder unverzüglich einer international als Straftat anerkannten Handlung anzuklagen und in Übereinstimmung mit den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren vor Gericht zu stellen, oder ihn andernfalls umgehend freizulassen.

APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
Nur Faxappelle möglich.
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 332 3410
VERTEIDIGUNGSMINISTER
His Excellency 'Imad al-Fraij
Nur Faxappelle möglich.
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 223 7842 oder
(00 963) 11 666 2460

AUSSENMINISTER
Walid al-Mu'allim
Nur Faxappelle möglich.
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 214 6253


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
Frau Abir Jarf
Geschäftsträgerin a. i., Gesandte - Botschaftsrätin
Rauchstr. 25, 10787 Berlin
Fax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de
press@syrianembassy.de
secretary@syrianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 29. Januar 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the Syrian authorities to reveal the whereabouts of Bassel Khartabil and ensure that he is protected from torture or other ill-treatment, is given immediate access to his family and lawyer and any medical care he may require.
  • Asking for clarification of Bassil Khartabil's legal status, and calling on the authorities to release him if he is not to be charged with an internationally recognizable criminal offence, and tried according to international fair trial standards.

*

Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-264/2012-1, AI-Index: MDE 24/091/2012, Datum: 18. Dezember 2012 - mr
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Kampagnen und Kommunikation
Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Dezember 2012