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AKTION/1338: Urgent Action - Saudi-Arabien, Rizana Nafeek hingerichtet


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-175/2007-4, AI-Index: MDE 23/003/2013, Datum: 9. Januar 2013 -cw

Saudi-Arabien
Rizana Nafeek hingerichtet



RIZANA NAFEEK, Hausangestellte

Rizana Nafeek ist am 9. Dezember in der Stadt Dawadmi
westlich der saudi-arabischen Hauptstadt Riad
hingerichtet worden.

Rizana Nafeek war im Mai 2005 unter der Anklage verhaftet worden, ein in ihrer Obhut befindliches Kind getötet zu haben. Zum Tatzeitpunkt war sie erst 17 Jahre alt. Ein Gericht in der westlich der Hauptstadt Riad gelegenen Stadt Dawadmi hatte Rizana Nafeek am 16. Juni 2007 zum Tode verurteilt. Das zuständige Kassationsgericht hielt das Urteil aufrecht und leitete es an den Obersten Richterrat zur Ratifizierung weiter. Der Rat sah jedoch zusätzlichen Klärungsbedarf und verwies das Urteil deshalb zurück an die Vorinstanz. Der Fall ging daraufhin an verschiedene Gerichte zur Beratung, bis schließlich am oder um den 25. Oktober 2010 herum der Oberste Gerichtshof von Riad das Todesurteil aufrechterhielt. Das Todesurteil wurde nun vom saudischen König ratifiziert und am Morgen des 9. Januars in Dawadmi vollstreckt. Die junge Frau hatte weder in der Untersuchungshaft noch während ihres ersten Prozesses Zugang zu anwaltlicher Beratung. Während der Verhöre hatte sie den Mord "gestanden", ihr Geständnis jedoch später mit der Begründung zurückgezogen, es sei ihr nach der Anwendung körperlicher Gewalt abgenötigt worden. Sie erklärte, der Tod des Babys sei ein Unfall gewesen. Es soll erstickt sein, als es aus einer Flasche trank. Der Mann, der ihre Aussagen vom Tamilischen ins Arabische übersetzt hatte, war möglicherweise gar nicht in der Lage, korrekt zu übersetzen. Mittlerweile lebt der Mann nicht mehr in Saudi-Arabien.

Rizana Nafeek war im Mai 2005 nach Saudi-Arabien gereist, um dort als Hausmädchen zu arbeiten. In dem von ihr mitgeführten Pass war ihr Geburtsdatum mit Februar 1982 angegeben, laut Geburtsurkunde kam sie jedoch erst im Februar 1988 zur Welt. Somit wäre sie zum Tatzeitpunkt gerade einmal 17 Jahre alt gewesen. Nach Kenntnis von Amnesty hatte man Rizana Nafeek nicht gestattet, dem Gericht bei ihrer Verhandlung 2007 ihre Geburtsurkunde oder einen anderen Nachweis ihres Alters vorzulegen. Obwohl sie in nachfolgenden Gerichtverfahren die Möglichkeit dazu hatte, scheint dies die Entscheidung der Richter, in deren Ermessen es liegt, die Volljährigkeit eines Kindes festzulegen, nicht beeinflusst zu haben

Derzeit sind keine weiteren Aktionen des Eilaktionsnetzes erforderlich. Vielen Dank allen, die mit Appellschreiben versucht haben, die Hinrichtung zu verhindern.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Saudi-Arabien ist Vertragsstaat des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, das die Hinrichtung von Menschen untersagt, die im Alter von weniger als 18 Jahren straffällig geworden sind. Doch das Land vollstreckt Hinrichtungen an minderjährigen StraftäterInnen und verstößt damit gegen das Übereinkommen.

In Saudi-Arabien werden besonders schlecht geschützte
Einzelpersonen in beunruhigender Weise systematisch
diskriminiert. Viele der in den vergangenen Jahren
hingerichteten Menschen waren ausländische
Staatsangehörige, überwiegend ArbeitsmigrantInnen aus
armen und Entwicklungsländern.
2013 wurden bisher mindestens zwei Personen, beide
ausländische Staatsangehörige, hingerichtet.

In Saudi-Arabien wird die Todesstrafe für viele Vergehen verhängt. Gerichtsverfahren entsprechen bei Weitem nicht den internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren. Den Angeklagten wird nur selten eine rechtliche Vertretung zugestanden und sie werden häufig nicht über den Stand des Verfahrens informiert. Verurteilungen auf der Basis von durch Zwang oder Täuschung erzielten Geständnissen sind zulässig. Saudi-Arabien ist Vertragsstaat der Antifolterkonvention, die die Verwendung von unter Folter oder anderer Misshandlung erlangten "Geständnissen" vor Gericht verbietet. In Artikel 15 wird ausgeführt: "Jeder Vertragsstaat trägt dafür Sorge, dass Aussagen, die nachweislich durch Folter herbeigeführt worden sind, nicht als Beweis in einem Verfahren verwendet werden, es sei denn gegen eine der Folter angeklagte Person als Beweis dafür, dass die Aussage gemacht wurde." Amnesty International hat 2008 einen Bericht über die Todesstrafe in Saudi-Arabien veröffentlicht, in dem auf die häufige Verhängung der Todesstrafe und auf die unverhältnismäßig hohe Zahl an Hinrichtungen von ausländischen Staatsangehörigen aus sogenannten Entwicklungsländern verwiesen wurde. Nähere Informationen finden Sie unter: Saudi Arabia: Affront to Justice: Death Penalty in Saudi Arabia,
http://www.amnesty.org/en/news-and-updates/report/saudi-arabia-executions-target-foreign-nationals-20081014

Seit Februar 2009 fungiert in Saudi-Arabien der Oberste Gerichtshof als letztinstanzliches Berufungsgericht. Dies ist Teil der neuen Gerichtsordnung, die mit dem Justizgesetz im Jahre 2007 eingeführt wurde. Die Berufungsgerichte haben seitdem das Kassationsgericht, das bis dahin für Berufungen zuständig war, ersetzt. Der Oberste Gerichtsrat besteht weiterhin. Er ist unter anderem für die Überwachung und die Organisation der Justiz zuständig. Dazu gehören auch die Ernennung, Beförderung und Bestrafung von Richtern. Weitere Informationen zur saudi-arabischen Rechtsreform finden Sie im oben bereits genannten Bericht unter: Saudi Arabia: Affront to Justice: Death Penalty in Saudi Arabia.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-175/2007-4, AI-Index: MDE 23/003/2013, Datum: 9. Januar 2013 -cw
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2013