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AKTION/1358: Urgent Action - VR China, Unmittelbar drohende Hinrichtung


ai - URGENT ACTION
UA-NR: UA-013/2013, AI-Index: ASA 17/007/2013, Datum: 24. Januar 2013 - cw

VR China
Unmittelbar drohende Hinrichtung



Frau LI YAN

Einer chinesischen Frau droht unmittelbar die Hinrichtung. Sie hatte ihren Ehemann getötet, nachdem sie monatelang häuslicher Gewalt ausgesetzt gewesen war. Alle Rechtsmittel sind ausgeschöpft. Quellen innerhalb Chinas zufolge befindet sich Li Yan derzeitig in der Haftanstalt des Bezirks Anyue in der Provinz Sichuan im Südwesten Chinas. Li Yan könnte jederzeit vor dem Beginn des chinesischen neuen Jahres Anfang Februar hingerichtet werden. Li Yans damaliger Ehemann Tan Yong hatte sie seit ihrer Hochzeit Anfang 2009 physisch wie psychisch misshandelt. Er schlug sie regelmäßig, drückte Zigaretten auf ihrem Gesicht aus und sperrte sie stundenlang bei eisiger Kälte leichtbekleidet auf dem Balkon der gemeinsamen Wohnung aus. In einem Fall schnitt er ihr einen Finger ab.

Nach einem der Übergriffe benötigte Li Yan stationäre Behandlung und wandte sich mehrere Male an die Behörden, unter anderem an die Polizei. Dennoch ging man ihren Beschwerden nicht nach. Es wurden keine Ermittlungen eingeleitet und sie erhielt keinen polizeilichen Schutz.

Ende 2010 erschlug Li Yan ihren Ehemann mit einer Schusswaffe. Das mittlere Volksgericht der Stadt Ziyang verurteilte Li Yan am 24. August 2011 wegen vorsätzlichen Mordes nach Paragraf 232 des chinesischen Strafgesetzbuches zum Tode. Sie legte Rechtsmittel gegen die Todesstrafe ein, doch das höhere Volksgericht der Provinz Sichuan bestätigte das Urteil am 20. August 2012. Trotz der Aussagen Li Yans über den Missbrauch, den sie erlitten hatte, und bestätigender Zeugenaussagen erhielt das Gericht die Todesstrafe aufrecht. Ihr letztes Rechtsmittel vor dem Obersten Volksgerichtshof in Peking wurde abgewiesen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Gewalt gegen Frauen, einschließlich häuslicher Gewalt, stellt eine Verletzung der Menschenrechte sowie eine Form der Diskriminierung gemäß dem von China ratifizierten UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau dar. China ist nach diesem Übereinkommen verpflichtet, Frauen mit gebührender Sorgfalt vor Gewalt zu schützen, alle entsprechenden Vorwürfe zu untersuchen und die mutmaßlichen Täter in einem fairen Gerichtsverfahren anzuklagen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei den Tätern um öffentliche oder nicht-öffentliche Personen, wie Li Yans Ehemann, handelt. China ist ebenfalls dazu angehalten, Wiedergutmachung zu gewährleisten. Dazu zählt auch die Entschädigung von Gewaltopfern wie Li Yan (Allgemeine Empfehlung 19, A/47/38 (1992) des Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau).

Seit Januar 2007 überprüft der Oberste Volksgerichtshof wieder alle Todesurteile. Diese Praxis war im Jahr 1982 ausgesetzt worden. Nun müssen alle Todesurteile erneut durch den Obersten Volksgerichtshof, der das Urteil bestätigen oder ein Wiederaufnahmeverfahren anordnen kann, überprüft werden.

Amnesty International befürchtet stark, dassTodesstrafenkandidatInnen in China keinen fairen Prozess erhalten. Zwischen dem Gesetz, der Praxis und den internationalen Verpflichtungen, die die chinesische Regierung zur Wahrung internationaler Standards für faire Gerichtsverfahren eingegangen ist, besteht ein großes Gefälle. Angeklagte haben nur beschränkten Zugang zu einem Rechtsbeistand und die Polizei erpresst oftmals Geständnisse durch Folter oder Misshandlungen.

Das Prüfverfahren des Obersten Volksgerichtshofs ist nicht transparent, und zum Tode verurteilte Häftlinge haben keine Möglichkeit auf ein Begnadigungsverfahren, wenn sie alle Rechtsmittel ausgeschöpft haben. Artikel 6, Absatz 4 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR), den die VR China zwar gezeichnet, aber nicht ratifiziert hat, gewährt jeder zum Tode verurteilten Person das Recht, die Begnadigung bzw. Umwandlung des Todesurteils zu beantragen.

Auf mindestens 55 Straftaten steht in China die Todesstrafe. Obwohl die Regierung 2011 die Zahl der Delikte, die mit der Todesstrafe geahndet werden können, um 13 reduziert hat, kann sie nach wie vor auch bei nicht-gewalttätigen Straftaten wie Korruption oder Drogendelikten verhängt werden. Die chinesischen Behörden geben an, dass die Anzahl der Hinrichtungen seit der Wiedereinführung der Überprüfung von Todesurteilen durch den Obersten Volksgerichtshof gesunken sei, legen allerdings nach wie vor keine Statistiken hierzu vor, da diese als Staatsgeheimnis gelten. RechtswissenschaftlerInnen und JustizbeamtInnen schätzen den Rückgang der Hinrichtungen seit 2007 auf etwa 10 bis 15 Prozent jährlich. Solange die Vollstreckung der Todesstrafe in China eine geheime Angelegenheit ist, kann weder eine genaue Analyse durchgeführt noch eine Aussage darüber getroffen werden, ob die Anzahl der Hinrichtungen tatsächlich zurückgegangen ist. Amnesty International schätzt, dass China jährlich Tausende Personen, mehr als alle anderen Länder zusammengenommen, hinrichten lässt.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich, das Todesurteil gegen Li Yan nicht zu vollstrecken.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass Li Yan Zugang zu ihrer Familie erhält.
  • Ich appelliere an Sie, den Nationalen Volkskongress aufzufordern, Chinas Verpflichtungen aus internationalen Menschenrechtsabkommen nachzukommen und ein rechtliches Verfahren für Gnadengesuche einzuführen.
  • Außerdem fordere ich Sie auf, alle Vorwürfe der häuslichen Gewalt ernst zu nehmen und zielgerichtete Untersuchungen durchzuführen. Liegt ausreichend zulässiges Beweismaterial vor, stellen Sie bitte die mutmaßlichen Täter in einem fairen Verfahren vor Gericht.

APPELLE AN

PRÄSIDENT DES OBERSTEN VOLKSGERICHTSHOFES
WANG Shengjun Yuanzhang
Zuigao Renmin Fayuan
27 Dongjiaomin Xiang, Bejingshi 100745
VOLKSREPUBLIK CHINA
(Anrede: Dear President / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 86) 10 6529 2345

VORSITZENDER DES STÄNDIGEN AUSSCHUSSES DES NATIONALEN VOLKSKONGRESSES
WU Bangguo Weiyuanzhang
Quanguo Renda Changwu Weiyuanhui, Bangongting
23 Xijiaominxiang, Xichengqu
Beijingshi 100805
VOLKSREPUBLIK CHINA
(Anrede: Dear Chairman / Sehr geehrter Herr Vorsitzender)
E-Mail: tgxx@npc.gov.cn (bitte Brief als Anhang schicken)


KOPIEN AN

PRÄSIDENT DER VR CHINA
HU Jintao Guojia Zhuxi
The State Council General Office
2 Fuyoujie, Xichengqu
Beijingshi 100017
VOLKSREPUBLIK CHINA
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 86) 10 6307 0900

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
S. E. Herrn Mingde Shi
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: botschaftchina@yahoo.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Chinesisch, Englisch oder auf Deutsch.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the Chinese authorities not to implement Li Yan's death sentence.
  • Calling on them to ensure that Li Yan has access to her family.
  • Urging the National People's Congress to introduce a legal procedure for requesting clemency in line with China's obligations under international human rights law.
  • Urging the Chinese authorities to take all allegations of domestic violence seriously, conduct effective investigations and, where there is sufficient admissible evidence, and prosecute suspects in fair trials.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-NR: UA-013/2013, AI-Index: ASA 17/007/2013, Datum: 24. Januar 2013 - cw
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2013