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AKTION/1397: Urgent Action - Malediven, 15-jährige zu Prügelstrafe verurteilt


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-055/2013, AI-Index: ASA 29/001/2013, Datum: 28. Februar 2013 - we

Malediven
15-jährige zu Prügelstrafe verurteilt



15-JÄHRIGES MÄDCHEN

Einem fünfzehnjährigen Mädchen auf den Malediven drohen Hausarrest und 100 Peitschenhiebe, nachdem es der "Unzucht" für schuldig befunden worden ist.

Ein fünfzehnjähriges Mädchen wurde von einem Jugendgericht auf den Malediven der "Unzucht" beziehungsweise des außerehelichen Geschlechtsverkehrs für schuldig befunden. Das Mädchen wurde zu acht Monaten Hausarrest und 100 Peitschenhieben verurteilt. Laut maledivischem Gesetz wird die Prügelstrafe erst nach Erreichen des 18. Lebensjahres ausgeführt, unter besonderen Umständen kann sie jedoch auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt vollstreckt werden. Das Mädchen war zunächst festgenommen worden, nachdem man im Juni 2012 die Leiche eines von ihr zur Welt gebrachten Säuglings gefunden hatte. Das tote Kind war vor ihrem Haus auf der maledivischen Insel Feydhoo begraben gewesen. Die Behörden stellten fest, dass sie von ihrem Stiefvater vergewaltigt worden war. Dieser wurde daraufhin wegen mehrerer Straftaten angeklagt, unter anderem wegen des Mordes an dem Säugling und wegen der Vergewaltigung einer Minderjährigen. Gegen die Mutter des Mädchens wurde wegen Verdeckung einer Straftat und Mordes ebenfalls Anklage erhoben. Während der Ermittlungsarbeiten stießen die Behörden auf Hinweise, die in einem separaten Fall eine Anklage gegen das Mädchen wegen "Unzucht" zuließen. Die Generalstaatsanwaltschaft erhob daraufhin am 25. November Anklage wegen "Unzucht" gegen die Fünfzehnjährige. Sie wurde am 25. Februar schuldig gesprochen und zu einer Prügelstrafe und Hausarrest verurteilt. Zwar hat sie das Recht, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen, es ist jedoch noch unklar, ob sie Gebrauch von dieser Möglichkeit machen wird.

Gemäß internationaler Menschenrechtsnormen und -standards ist "Unzucht" keine Straftat. Darüber hinaus stellt die Prügelstrafe einen Verstoß gegen das ausnahmslose Verbot von Folter und anderweitiger grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe dar. Dass der Straftatbestand der "Unzucht" und die Prügelstrafe als Bestrafung im maledivischen Gesetz enthalten sind, läuft den Verpflichtungen zuwider, die das Land im Rahmen internationaler Menschenrechtsabkommen eingegangen ist.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Aktuellen Medienberichten zufolge handelte es sich bei fast 90 Prozent der Personen, die 2011 der "Unzucht" für schuldig befunden wurden, um Frauen. 2009 drohte mindestens 180 Menschen auf den Malediven wegen "Unzucht" die Vollstreckung der Prügelstrafe. Eine achtzehnjährige Frau, die zu 100 Peitschenhieben verurteilt worden war, verlor nach Vollstreckung der Strafe das Bewusstsein. Amnesty International liegen glaubwürdige Berichte darüber vor, dass die maledivischen Behörden bereits in der Vergangenheit Mädchen der "Unzucht" angeklagt und schuldig gesprochen haben, die daraufhin mit Peitschenhieben bestraft wurden. Einige dieser Mädchen waren zuvor ebenfalls Vergewaltigungen und anderen sexuellen Übergriffen zum Opfer gefallen.

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte hat die Regierung der Malediven dazu aufgefordert, die Prügelstrafe abzuschaffen. Sie erklärte, dass eine solche Bestrafung "eine der unmenschlichsten und erniedrigendsten Formen der Gewalt gegen Frauen darstellt". Das Landesteam der Vereinten Nationen auf den Malediven hat ähnliche Bedenken geäußert. Die UN-Sonderberichterstatterin über die Unabhängigkeit von RichterInnen und AnwältInnen forderte die Regierung der Malediven nach ihrem letzten Besuch dazu auf, "Führungsstärke zu zeigen, um die Ausarbeitung und Einführung grundlegender Rechtsvorschriften voranzutreiben, und sicherzustellen, dass der Inhalt dieser Gesetze mit der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte im Einklang steht." Das Büro des Präsidenten der Malediven hat erklärt, dass das fünfzehnjährige Mädchen als Opfer zu betrachten sei, das von der Regierung geschützt und nicht betraft werden müsse. Ein Sprecher des Büros sagte der Presse gegenüber, dass derzeit Gesetzesänderungen in Betracht gezogen würden. Gemäß Artikel 70 (a) der Verfassung der Malediven ist die gesetzgebende Gewalt das Madschlis, also das Parlament.


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Lassen Sie das Mädchen unverzüglich und bedingungslos frei, beenden Sie ihren Hausarrest und stellen Sie sicher, dass sie nicht ausgepeitscht oder anderweitig bestraft wird.
  • Stellen Sie sicher, dass ein gerichtliches Verfahren eingeleitet wird, mit dem Ziel, den Schuldspruch wegen "Unzucht" aufzuheben.
  • Sorgen Sie dafür, dass die 15-Jährige Zugang zu ausreichenden und angemessenen Schutzmaßnahmen sowie zu Unterstützungsleistungen erhält.
  • Schaffen Sie die Prügelstrafe ab und sorgen Sie dafür, dass die Rechtsvorschriften, mit denen diese Form der Strafe ermöglicht und "Unzucht" unter Strafe gestellt wird, aus dem maledivischen Gesetz entfernt werden.

APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Dr. Mohamed Waheed
The President's Office
Boduthakurufaanu Magu
Malé 20113
MALEDIVEN
(Anrede: Dear President / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 960) 332 5500
E-Mail: über das Kontaktformular unter:
http://www.presidencymaldives.gov.mv/Index.aspx?lid=6

KOPIEN AN
AUSSENMINISTER
His Excellency Dr Abdul Samad Abdullah
Ministry of Home Affairs
Block number 77
Henveiru, Boduthakurufaanu Magu
MALEDIVEN
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 960) 332 3841
E-Mail: consular@foreign.gov.mv

GENERALSTAATSANWALT
Ahmed Muizzu
Prosecutor General's Office
Majeedhee Magu
Malé 20040
MALEDIVEN
Fax: (00 960) 300 0644
E-Mail: pgoffice@pgoffice.gov.mv

BOTSCHAFT DER REPUBLIK MALEDIVEN
I. E. Frau Iruthisham Adam
Chemin Louis Dunant 15 B (2. Stock)
1202 Genève
SCHWEIZ
Fax (00 41) 22 732 63
E-Mail: iruadam@maledivesmission.ch


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Dhivehi, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 11. April 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Release the girl immediately and unconditionally, including ending the house arrest, and ensure that she is not flogged or otherwise punished.
  • Ensure that the judicial process is initiated in order to overturn the conviction for "fornication".
  • Ensure that she has access to adequate and appropriate protective and support services.
  • End the practice of flogging as a form of punishment and act to amend Maldivian law to remove the provisions that allow flogging, as well as those that criminalise "fornication".

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Die maledivische Regierung hat die Pflicht, "angemessene Schutz- und Unterstützungsleistungen" für Opfer von Vergewaltigungen und anderen sexuellen Übergriffen zur Verfügung zu stellen. Diese Leistungen können "Rehabilitation, Unterstützung bei der Kinderbetreuung, Unterhalt, Behandlung, Beratung, Gesundheits- und Sozialleistungen, Zugang zu Einrichtungen und Programmen, sowie eine Unterstützungsstruktur" umfassen. "Außerdem sollten jegliche weiteren angemessenen Maßnahmen ergriffen werden, um die Sicherheit und die körperliche und psychologische Rehabilitation der Opfer zu fördern". Es ist nicht bekannt, ob das fünfzehnjährige Mädchen in diesem Fall solche Leistungen erhalten hat. Kinder, die einvernehmliche sexuelle Beziehungen haben oder Opfer von sexuellen Übergriffen werden, dürfen unabhängig von ihrem Alter nicht strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-055/2013, AI-Index: ASA 29/001/2013, Datum: 28. Februar 2013 - we
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2013