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AKTION/1560: Erfolge - Juni/Juli 2013 (amnesty journal)


amnesty journal 06/07/2013 - Das Magazin für die Menschenrechte

Erfolge

- DR Kongo: Kongos "Terminator" in Den Haag
- Europäische Union: 70.000 Unterschriften gegen Abschottungspolitik der EU
- Saudi-Arabien: Nach 91 Tagen wieder in Freiheit
- Jemen: Hinrichtung aufgeschoben
- Malediven: Peitschenhiebe nicht vollstreckt
- Kuba: Journalist nach Hungerstreik entlassen
- USA: Gericht stoppt Exekution




Kongos "Terminator" in Den Haag

DR KONGO - Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat einen Geburtsfehler: Das Gericht, das weltweit Kriegsverbrechen und Völkermord ahnden soll, verfügt über keine eigene Polizei, um Verdächtige festzunehmen. Doch nun hat sich ein Gesuchter erstmals selbst gestellt: Die Diplomaten der US-Botschaft in Ruanda staunten nicht schlecht, als Mitte März der Rebellenführer Bosco Ntaganda das Botschaftsgelände betrat und darum bat, an den Internationalen Strafgerichtshof überstellt zu werden. Das Gericht hatte 2006 einen Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher ausgestellt. Nun sitzt Ntaganda, der in der Demokratischen Republik Kongo unter dem Kampfnamen "Terminator" Angst und Schrecken verbreitete, in einer Arrestzelle in Den Haag.

"Dies ist eine großartige Nachricht für die Bürger des Kongo, die unter Bosco Ntagandas Verbrechen lange zu leiden hatten", sagte Fatou Bensouda, die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs. Der 40-jährige Ntaganda erschien Ende März erstmals zur Anhörung vor Gericht, Ende September soll das Vorverfahren beginnen. Die Anklage wirft dem aus Ruanda stammenden Tutsi unter anderem vor, während des Bürgerkrieges im Kongo vor zehn Jahren Kindersoldaten rekrutiert, Morde und Massenvergewaltigungen befohlen und junge Mädchen sexuell versklavt zu haben.

Amnesty hatte lange dafür gekämpft, dass Ntaganda nach Den Haag überstellt wird. Dass er sich nun freiwillig gestellt hat, lässt vermuten, dass er um sein Leben fürchten musste. Nach Machtkämpfen innerhalb der von ihm gegründeten Rebellengruppe M23 war Ntaganda aus dem Osten Kongos ins benachbarte Ruanda geflohen. Ein Prozess in Den Haag erschien ihm vermutlich als das geringere Übel.


70.000 Unterschriften gegen Abschottungspolitik der EU

EUROPÄISCHE UNION: Amnesty International hat europaweit mehr als 70.000 Unterschriften gesammelt, um einen besseren Flüchtlingsschutz an den Außengrenzen der EU einzufordern. "S.O.S Europa" heißt die Petition, die Amnesty am 24. April Martin Schulz, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, übergeben hat. Die Petition fordert das Parlament auf, dafür Sorge zu tragen, dass in der europäischen Flüchtlingspolitik die Menschenrechte eingehalten werden. "Das EU-Parlament darf den Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen der Union nicht untätig zusehen", sagte Amnesty-Asylexpertin Franziska Vilmar. "Die EU-Staaten setzen darauf, den Weg in die EU zu versperren, anstatt gemeinsam für einen wirksamen Flüchtlingsschutz zu sorgen. Die EU macht sich so mitschuldig am Tod verzweifelter Menschen, die beim Versuch sterben, über das Mittelmeer nach Europa zu kommen." Jedes Jahr begeben sich mehrere tausend Menschen in seeuntüchtigen Booten auf eine gefährliche Reise, in der Hoffnung, Europas Festland zu erreichen. Viele von ihnen kommen nie an: Sie verdursten, ertrinken oder werden von patrouillierenden Schiffen aufgegriffen, die sie dorthin zurückbringen, von wo sie aufgebrochen sind.


EINSATZ MIT ERFOLG

Weltweit beteiligen sich Tausende Menschen mit Appellschreiben an den "Urgent Actions", den "Briefen gegen das Vergessen" und an Unterschriftenaktionen von Amnesty International. Dass dieser Einsatz drohende Menschenrechtsverletzungen verhindert und Menschen in Not hilft, zeigen diese Beispiele.

Nach 91 Tagen wieder in Freiheit

SAUDI-ARABIEN - 91 Tage lang fehlte von ihm jede Spur: Der Informatiker Khalid al-Natour, der in Saudi-Arabien ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft saß, kam am 7. April frei. Der jordanische Staatsbürger war mit vier seiner Kollegen am 6. Januar zu einer Geschäftsreise nach Saudi-Arabien aufgebrochen. Doch schon am Flughafen in Riad nahmen ihn Sicherheitskräfte fest. 25 Tage musste er in Einzelhaft verbringen, erst nach einem Monat gewährte man ihm Hofgang. Während seiner Zeit im Gefängnis wurde ihm ein Rechtsbeistand verwehrt. Die Behörden erhoben weder Anklage gegen ihn, noch begründeten sie seine Inhaftierung. Al-Natour gehört der Bewegung "Herak" an, die sich in Jordanien für Reformen einsetzt. Im September 2011 war er schon einmal nahe des saudischen Konsulats in jordanischen Hauptstadt Amman festgenommen worden, als er gegen den Einfluss von Saudi-Arabien in Bahrain demonstrierte.


Hinrichtung aufgeschoben

JEMEN - Er erwartete seinen Tod, nun darf er wieder hoffen: Der junge Jemenit Muhammad al-Qassem sollte am 5. Mai hingerichtet werden, doch am Tag zuvor stoppten die Behörden die Vollstreckung des Todesurteils. Der Grund: Es ist noch immer umstritten, ob al-Qassem zum Tatzeitpunkt volljährig war. Das jemenitische Gesetz verbietet es, Straftäter zu exekutieren, die zum Zeitpunkt der Tat jünger als 18 Jahre alt waren. Doch das Alter eines Delinquenten ist nicht immer leicht zu ermitteln, denn in vielen Regionen des Jemen stellen die Behörden keine Geburtsurkunden aus. Bereits im Februar 2013 hatte der jemenitische Präsident dem zum Tode Verurteilten al-Qassem einen Hinrichtungsaufschub gewährt - vier Tage vor der damals angesetzten Vollstreckung. Sein Fall und weitere Fälle von Todeskandidaten, deren Alter umstritten ist, sollen nun von einem medizinischen Ausschuss untersucht werden.


Peitschenhiebe nicht vollstreckt

MALEDIVEN - Es war ein drakonisches Urteil: Eine 15-Jährige wurde im Februar auf den Malediven zu 100 Peitschenhieben und acht Monaten Hausarrest verurteilt, weil sie vorehelichen Sex hatte. Nun hat sich die Regierung der Malediven verpflichtet, das Mädchen vor der Vollstreckung der Strafe zu schützen. Die Regierung stand in dem Fall unter starkem Druck, da das Schicksal des Teenagers international hohe Wellen schlug. Der Stiefvater soll das Mädchen über Jahre vergewaltigt haben. Während die Behörden den Missbrauchsfall im vergangenen Jahr untersuchten, stießen sie darauf, dass das Mädchen auch mit einem anderen Mann sexuellen Kontakt hatte. Im Februar verurteilte ein Jugendgericht die 15-Jährige wegen "Unzucht". Daraufhin erhielt das Mädchen weltweit Solidaritätsbekundungen, auch Amnesty setzte sich für die junge Frau ein.


Journalist nach Hungerstreik entlassen

KUBA - Er war sieben Monate im Gefängnis, ohne dass man gegen ihn Anklage erhoben hatte. Nun ist er wieder frei: Der kubanische Journalist Calixto Ramón Martínez Arias wurde am 9. April aus der Haft entlassen. Er war zuvor zwei Mal in den Hungerstreik getreten, um gegen seine Inhaftierung zu protestieren - zuletzt am 8. März: Martínez Arias nahm 22 Tage keine Nahrung zu sich, bis ihm die kubanischen Behörden schließlich zusagten, dass er auf freien Fuß komme. Amnesty International betrachtete ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen. Nach seiner Entlassung bedankte sich Calixto Ramón Martínez Arias bei allen Amnesty-Aktivisten, die sich für ihn eingesetzt hatten. Martínez Arias geht davon aus, dass der internationale Druck seine Freilassung bewirkt hat.


Gericht stoppt Exekution

USA - Er sollte per Giftinjektion sterben, doch fünf Stunden, bevor das Todesurteil vollstreckt werden sollte, hat der Oberste Gerichtshof des US-Bundesstaates Mississippi die Hinrichtung von Willie Manning am 7. Mai gestoppt. Der 44-jährige Manning befindet sich seit mehr als 18 Jahren im Todestrakt. Er war 1994 aufgrund von Indizien zum Tode verurteilt worden, weil er 1992 ein Studentenpaar getötet haben soll. Er hat stets seine Unschuld beteuert. Mannings Anwälte haben den Aufschub der Hinrichtung beantragt, nachdem das FBI und das Justizministerium Fehler bei den Ermittlungen eingeräumt hatten und neue Untersuchungen für zulässig hielten.

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Quelle:
amnesty journal, Juni/Juli 2013, S. 7 + 9
Herausgeber: amnesty international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. August 2013