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AKTION/469: Urgent Action - 50.000 Menschen in Nairobi von rechtswidriger Zwangsräumung bedroht


Pressemitteilung vom 16. April 2010

Amnesty / Kenia:
50.000 Menschen in Nairobi von rechtswidriger Zwangsräumung bedroht


In Kenia droht 50.000 Menschen die Zwangsräumung. Die meisten von ihnen sind Slumbewohner, die entlang der Eisenbahnschienen in der Hauptstadt Nairobi wohnen.

Die staatliche Bahngesellschaft Kenya Railways droht den Bewohnern und Händlern entlang des Schienennetzes mit strafrechtlicher Verfolgung, wenn sie ihre Hütten nicht abreißen und wegziehen. Amnesty International befürchtet, dass die Polizisten bzw. die Personen, die die umfangreiche Zwangsräumung durchführen, exzessive Gewalt anwenden werden.

Nach internationalen Menschenrechtsabkommen, deren Vertragsstaat Kenia ist, dürfen Zwangsräumungen nur das letzte Mittel sein und erst stattfinden, wenn alle möglichen Alternativen mit den betroffenen Gemeinden erörtert und ausgeschlossen wurden. Die Regierungen sind außerdem verpflichtet, sicherzustellen, dass niemand durch eine Zwangsräumung obdachlos wird oder eine anderweitige Menschenrechtsverletzung durch sie erleidet.


Anbei die deutschsprachige Urgent Action (Eilaktion), die die Amnesty International-Zentrale in London im Rahmen der Kampagne "Mit Menschenrechten gegen Armut - Wohnen. In Würde." zu den drohenden Zwangsräumungen in Kenia initiiert hat.


URGENT ACTION

50.000 Menschen von Zwangsräumung bedroht

KENIA
UA-Nr: UA-080/2010 - AI-Index: AFR 32/004/2010
Datum: 15. April 2010 - lh


ETWA 50.000 MENSCHEN, DIE ENTLANG DER EISENBAHNLINIEN WOHNEN

Die kenianischen Behörden bereiten die Zwangsräumung von etwa 50 000 Menschen vor. Die meisten von ihnen sind Slumbewohner, die an den Eisenbahnschienen vor allem in der Hauptstadt Nairobi leben. Die Zwangsräumungen sollen den Weg für Verbesserungen des Schienennetzes ebnen, werden die Betroffenen aber in große Not bringen.

Die staatliche Bahngesellschaft Kenya Railways drohte den Bewohnern und Händlern entlang des Schienennetzes am 21. März 2010 über Zeitungen mit strafrechtlicher Verfolgung, wenn sie ihre Hütten nicht innerhalb von 30 Tagen abreißen und wegziehen. Amnesty International befürchtet bei einer so umfangreichen Zwangsräumung exzessive Gewaltanwendung durch die Polizei bzw. diejenigen, die die Räumung durchführen werden. Zudem ist mit einer Zerstörung der Wohnstätten der Slumbewohner zu rechnen ebenso wie der Stände, an denen sie Obst und andere Waren zum Verkauf anbieten.

Das Gelände von Kenya Railways erstreckt sich über eine Breite von etwa 30 Meter zu beiden Seiten des Schienennetzes. Die von der drohenden Zwangsräumung betroffenen Personen leben und arbeiten dort bereits seit Jahren. In 30 Tagen können sie unmöglich eine neue Bleibe finden. Da die Regierung weder alternative Unterkünfte noch andere Umsiedlungsmöglichkeiten angeboten hat, werden die Betroffenen vermutlich ihr Zuhause, ihren Besitz und ihr Einkommen verlieren. Auch der Zugang zu sauberem Wasser, Sanitäreinrichtungen und medizinischer Versorgung, der ohnehin nicht ausreichend ist, wird ihnen weiter erschwert werden.

Nach internationalen Menschenrechtsabkommen, deren Vertragsstaat Kenia ist, dürfen Zwangsräumungen nur das letzte Mittel darstellen und erst stattfinden, nachdem alle möglichen Alternativen mit den betroffenen Gemeinden erörtert wurden. Die Regierungen sind außerdem verpflichtet sicherzustellen, dass niemand durch eine Zwangsräumung obdachlos wird oder eine anderweitige Menschenrechtsverletzung durch sie erleidet.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Als Reaktion auf ein ähnliches Zwangsräumungsvorhaben im Jahr 2005 gab die kenianische Regierung im selben Jahr eine Studie, den "Umsiedlungs-Aktionsplan für mehr Sicherheit entlang des kenianischen Schienennetzes", in Auftrag. Sie wurde ein Jahr später veröffentlicht und zeigte, dass allein in Nairobi mehr als 50 000 Menschen auf dem staatlichen Gelände neben den Bahntrassen leben und arbeiten und Tausende weitere die Strecken als Fußwege nutzen. Die Studie betonte auch die Notwendigkeit einer geregelten Umsiedlung. Die Behörden haben diesen Vorschlag bislang weder umgesetzt noch dazu Stellung bezogen, ob sie den Empfehlungen bei den derzeit geplanten Zwangsräumungen nachkommen werden.

Als Vertragsstaat des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist die kenianische Regierung verpflichtet, das Recht auf angemessene Unterbringung anzuerkennen, zu schützen und seine Verwirklichung zu gewährleisten. Dies beinhaltet das Verbot von rechtswidrigen Zwangsräumungen, die auch im Widerspruch zu Art. 17 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte stehen. Danach hat jedermann Anspruch auf rechtlichen Schutz vor willkürlichen oder widerrechtlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie und seine Wohnung. Kenia ist Vertragsstaat dieses Pakts. Nach Ansicht der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker verstoßen rechtswidrige Zwangsräumungen auch gegen die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker, zu deren Vertragsstaaten Kenia ebenfalls gehört.

Die kenianische Regierung hat sich gegenüber verschiedenen internationalen Institutionen verpflichtet, Richtlinien für Zwangsräumungen einzuführen, die Sicherheitsvorkehrungen und eine angemessene Durchführung gewährleisten. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte empfahl Kenia 2008, den Schutz vor rechtswidrigen Zwangsräumungen in die Verfassung aufzunehmen. 2009 rief er dazu auf, rechtliche Grundlagen für Umsiedlungen zu schaffen, die internationalen Standards entsprechen. Im kenianischen Ministerium für Landfragen wurde bereits ein Arbeitsausschuss eingerichtet, der entsprechende Rahmenbedingungen entwickelt. Da es aber noch keine derartigen Richtlinien gibt, werden regelmäßig in großem Umfang informelle Siedlungen zwangsgeräumt, wobei es immer wieder zu Verstößen gegen internationale Menschenrechtsstandards kommt.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE

Fordern sie die Behörden auf sicherzustellen, dass Kenia Umsiedlungsrichtlinien verabschiedet und anwendet, die internationalen Menschenrechtsstandards entsprechen, bevor die geplanten Räumungen entlang des Bahngeländes fortgeführt werden.
Dringen Sie darauf, dass die Behörden eine echte Konsultation der betroffenen Gemeinden in die Wege leiten, um sie umfassend in alle Fragen des geplanten Projekts zur Verbesserung des Schienennetzes einzubeziehen.
Dringen Sie bei den Behörden darauf, in Zusammenarbeit mit den betroffenen Gemeinden alle in Betracht kommenden Alternativen zu einer Umsiedlung zu ermitteln, prozessuale und rechtliche Sicherheitsvorkehrungen zu treffen sowie einen umfassenden Plan für die Umsiedlung und Entschädigung der Betroffenen zu entwickeln.


APPELLE AN GESCHÄFTSFÜHRER VON KENYA RAILWAYS

Mr Nduva Muli
Managing Director
Kenya Railways Corporation
PO Box 30121 - 00100
Nairobi, KENIA
(korrekte Anrede: Dear Mr. Muli)

Fax: (00 254) 20 340049
oder (00 254) 20 221456
E-Mail: contact@krc.co.ke


ASSISTENT DES VERKEHRSMINISTERS

Hon. John Mwau
Assistant Minister of Transport
Ministry of Transport
Transcom House, Ngong Road
PO Box 52692
Nairobi, KENIA
(korrekte Anrede: Dear Assistant Minister)

Fax: (00 254) 202730330
E-Mail: ps@transport.go.ke


KOPIEN AN DIE BOTSCHAFT DER REPUBLIK KENIA

S.E. Herrn Mutuma Kathurima
Markgrafenstraße 63
10969 Berlin
Fax: 030 - 25 92 66 50
E-Mail: office@embassy-of-kenya.de oder
office@kenyaembassyberlin.de


BOTSCHAFT DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND IN KENIA

I.E. Frau Margit Hellwig-Boette
113 Riverside Drive
P.O. Box 30180
00100 Nairobi, KENIA
Fax: (00254)-(0)20-42 62 129

(Bitten Sie die Botschafterin, die betreffende Region zu besichtigen, bevor die Zwangsräumungen durchgeführt werden und bei der kenianischen Regierung auf das Problem aufmerksam zu machen.)

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach 27. Mai 2010 keine Appelle mehr zu verschicken.


*


PLEASE WRITE IMMEDIATELY:

Calling on the authorities to ensure that Kenya adopts and implements guidelines on evictions that conform with international human rights standards, before proceeding any further with the proposed evictions for the railway reserve;
Urging them to ensure that there is genuine consultation with affected communities on all aspects of the project to upgrade the railway system;
Urging them to identify in consultation with affected communities, all feasible alternatives to eviction, put in place procedural and legal safeguards and develop a comprehensive relocation and compensation plan for the affected communities.

*


Quelle:
ai-Pressemitteilung vom 16. April 2010
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Postfach 28 01 08, 10411 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2010