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AKTION/504: Urgent Action - Iran - 2 Männer hingerichtet, 4 weitere unmittelbar von Hinrichtung bedroht


ai - URGENT ACTION
UA-102/2010-4, AI-Index: MDE 13/010/2011, Datum: 26. Januar 2011 - fp

Iran: 2 Männer hingerichtet, 4 weitere unmittelbar von Hinrichtung bedroht

Weitere Informationen zu UA-102/2010 (MDE 13/047/2010, 30. April 2010, MDE 13/056/2010, 21. Mai 2010, MDE 13/081/2010, 5. August 2010 und MDE 13/002/2011, 5. Januar 2011)


Hingerichtet: Herr JA'FAR KAZEMI und Herr MOHAMMAD ALI HAJ AGHAEI
drohende Hinrichtung:
Herr MOHSEN DANESHPOUR MOGHADDAM, Herr AHMAD DANESHPOUR MOGHADDAM, Herr ABDOLREZA GHANBARI (oder QANBARI) und Herr JAVAD LARI

Ja'far Kazemi und Mohammad Ali Haj Aghaei wurden am 24. Januar im Evin-Gefängnis in Teheran hingerichtet. Sie waren wegen "Feindschaft zu Gott" (moharebeh) zum Tode verurteilt worden, aufgrund mutmaßlicher Verbindungen zur verbotenen Oppositionsgruppe der Volksmudschaheddin (People's Mojahedin Organization of Iran - PMOI). Des Weiteren hatte man sie der "Propaganda gegen das System" für schuldig befunden. Sie wurden im Jahr 2009 festgenommen und ihre Todesurteile wurden 2010 bestätigt. Vier weiteren Männern droht unmittelbar die Hinrichtung.

Ja'far Kazemi und Mohammad Ali Haj Aghaei wurden im September 2009 während Massendemonstrationen festgenommen und gemeinsam vor Gericht gestellt. Die beiden Männer hatten Angehörige in Camp Ashraf im Irak besucht. Dort leben 3400 PMOI-UnterstützerInnen im Exil. Ja'far Kazemi war bereits zuvor im Iran wegen seiner Zugehörigkeit zur PMOI inhaftiert gewesen. Möglicherweise wurde er nach seiner Festnahme 2009 im Zuge seiner Vernehmung im Evin-Gefängnis gefoltert. Berichten zufolge hatte man Druck auf ihn ausgeübt, damit er ein "Geständnis" vor laufender Kamera abgibt, was er allerdings ablehnte. Im April 2010 wurden Ja'far Kazemi und Mohammad Ali Haj Aghaei zum Tode verurteilt.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.amnesty.org/en/news-and-updates/iran-hangs-two-activists-detained-during-2009-unrest-2011-01-24
(auf Englisch).

Ein anderer Gefangener, Ali Saremi (oder Sarami), wurde am 28. Dezember 2010 ohne Ankündigung hingerichtet. Er war im Dezember 2009 wegen "Feindschaft zu Gott" zum Tode verurteilt worden, weil er Mitglied der PMOI gewesen sein soll. Medienberichten zufolge wurde das Todesurteil von Farah Vazehan (auch bekannt als Elmira) am 19. Januar aufgehoben. Ihr Fall wurde zur erneuten Untersuchung an die Abteilung 28 des Revolutionsgerichts übergeben. Dennoch droht vier Männern weiterhin unmittelbar die Hinrichtung: Abdolreza Ghanbari (oder Qanbari), Vater und Sohn Mohsen und Ahmad Daneshpour Moghaddam sowie Javad Lari.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Der Lehrer Abdolreza Ghanbari, 42 Jahre alt, sowie Mohsen Daneshpour Moghaddam und sein Sohn Ahmad wurden nach den Demonstrationen rund um die Gedenkfeiern des Aschura-Festes Ende Dezember 2009 festgenommen. Alle drei wurden nach "Schauprozessen" im Januar und Februar 2010 zum Tode verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft Teheran gab am 15. Mai 2010 bekannt, dass das Berufungsgericht die Todesurteile gegen Abdolreza Ghanbari sowie Mohsen Daneshpour Moghaddam und seinen Sohn Ahmad bestätigt habe. Das Gericht - so die Staatsanwaltschaft - habe die Männer wegen ihrer mutmaßlichen Verbindungen zu den Volksmudschaheddin der "Feindschaft zu Gott" für schuldig erachtet. Die Todesurteile von Ja'far Kazemi und Mohammad Ali Haj Aghaei, die am 24. Januar hingerichtet wurden, und von Mohammad Ali Saremi, der am 28. Dezember 2010 hingerichtet wurde, waren ebenfalls zu diesem Zeitpunkt bestätigt worden. Im August 2010 erfuhr Amnesty International, dass Javad Lari, ein zwischen 50- und 60-jähriger Basarhändler in Teheran, ebenfalls wegen "Feindschaft zu Gott" zum Tode verurteilt wurde. Auch er wird im Evin -Gefängnis in Haft gehalten und soll dort gefoltert und zu einem "Geständnis" gezwungen worden sein.

Farah Vazehan, die zwei Tage nach den Demonstrationen rund um das Aschura-Fest im Dezember 2009 festgenommen worden war, wurde im August 2010 wegen der "Feindschaft zu Gott" zum Tode verurteilt. Zuvor war sie wegen der Teilnahme an den Demonstrationen verurteilt worden, unter anderem wegen des Fotografierens und der Weitergabe dieser Bilder an das Ausland sowie der Unterstützung der PMOI. Einem Bericht vom 19. Januar zufolge ist sie bei schlechter Gesundheit, im November 2010 soll sie über Schmerzen in der Brust geklagt haben. Diese beiden Hinrichtungen sind Teil der aktuellen Hinrichtungswelle im Iran. Die iranischen Behörden haben seit Beginn dieses Jahres mindestens 71 Personen hinrichten lassen - mehr als 20 Personen pro Woche. Am 15. Januar wurde vermutlich der kurdische politische Gefangene Hossein Khezri hingerichtet (siehe http://www.amnesty.de/umleitung/2011/mde13/009). Drei andere Männer wurden am 24. Januar in Teheran gehängt, nachdem sie der Vergewaltigung von Männern für schuldig befunden worden waren. Tausende weitere Gefangene befinden sich derzeit im Iran in der Todeszelle.

Auch zwei Angehörigen der kurdischen Minderheit im Iran, die nur als Ayoub und Mosleh bekannt sind, droht Berichten zufolge die Hinrichtung. Sie werden beschuldigt, am Filmdreh von sexuellen Handlungen zwischen Männern sowie an den Handlungen selbst beteiligt gewesen zu sein. Amnesty International schrieb in der vergangenen Woche an die Oberste Justizautorität im Iran, bat um eine Klarstellung der rechtlichen Stellung der beiden Männer und bat eindringlich, ihre Hinrichtung zu verhindern, sollten sie zum Tode verurteilt worden sein.


EMPFOHLENE AKTIONEN: SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

Falls sie Twitter benutzen, senden Sie bitte eine Nachricht mit maximal 135 Zeichen an @khamenei_ir mit dem Tag #Iran.

- Ich bin entsetzt über die Hinrichtungen von Ja'far Kazemi und Mohammad Ali Haj Aghaei und bitte Sie eindringlich, Javad Lari, Abdolreza Ghanbari, Ahmad Daneshpour Moghaddam und Mohsen Daneshpour Moghaddam nicht hinzurichten.

- Ich erinnere Sie daran, dass die Todesstrafe laut internationalem Recht nur für "abscheulichste" Verbrechen, also "vorsätzliche Verbrechen mit Todesfolge oder anderen äußerst schweren Folgen" verhängt werden darf.

- Ich appelliere an Sie, alle Personen, die nur aufgrund von Familienverbindungen zur PMOI festgehalten werden, umgehend und bedingungslos freizulassen. Die Urteile und Strafen aller anderen Personen, die in Prozessen verurteilt wurden, die nicht internationalen Standards für faire Verfahren entsprechen, sollten dringend überprüft werden und in keinem Fall sollte die Todesstrafe verhängt werden.


APPELLE AN

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street - End of Shahid Keshvar Doust Street
Tehran, IRAN (korrekte Anrede: Your Excellency)
E-Mail: Über die Website: http://www.leader.ir/langs/de/index.php?p=letter

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
Office of the Head of the Judiciary
Pasteur St., Vali Asr Ave., south of Serah-e Jomhouri
Tehran, 1316814737, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
E-Mail: info@dadiran.ir oder bia.judi@yahoo.com


KOPIEN AN

LEITER DER STAATLICHEN MENSCHENRECHTSBEHÖRDE
Mohammad Javad Larijani
High Council for Human Rights
c/o Office of the Head of the Judiciary
Pasteur St, Vali Asr Ave., south of Serah-e Jomhouri
Tehran 1316814737, IRAN
E-Mail: info@humanrights-iran.ir
(Betreff: FAO Mohammad Javad Larijani)

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 16. Februar 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Deploring the executions of Ja'far Kazemi and Mohammad Haj Aghaei, and urging the Iranian authorities not to execute, Abdolreza Ghanbari (or Qanbari),Ahmad and Mohsen Daneshpour Moghaddam, and Javad Lari.

- Reminding the Iranian authorities that under international law, the death penalty can only be carried out for "the most serious crimes", which must be "intentional crimes with lethal or other extremely grave consequences."

- Urging that any person held solely on account of their family links to the PMOI should be released immediately and unconditionally. Any others sentenced after unfair trials should have their convictions and sentences reviewed as a matter of urgency, and none should face the death penalty.


Der Sohn von Ali Saremi, der am 28. Dezember 2010 mit 63 Jahren hingerichtet wurde, ist Mitglied der PMOI und lebt in Camp Ashraf im Irak, wo sein Vater ihn besuchte. Bei seiner Rückkehr wurde Ali Saremi festgenommen und zu einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilt, im Mai 2007 wurde er freigelassen. Er hatte wegen seiner politischen Aktivitäten sowohl vor als auch nach der Islamischen Revolution von 1979 im Iran bereits 20 Jahre in Haft verbracht. Im September 2007 wurde er festgenommen, nachdem er bei einer Gedenkfeier eine Rede gehalten hatte, in der an die summarischen Hinrichtungen in iranischen Gefängnissen im Jahr 1988 erinnert wurde, bei denen tausende Menschen getötet worden waren. Im Mai 2010 berichtete er Amnesty International aus dem Gefängnis: "Mein Verfahren fand im Oktober 2008 vor der Abteilung 15 des Revolutionsgerichts aufgrund der Anklage 'Feindschaft zu Gott' wegen der Mitgliedschaft bei der PMOI statt. Ich dementierte dies erneut und verteidigte mich, da sie keinerlei Beweise gegen mich hatten, um die Anklage zu belegen. Im Dezember 2009 wurde ich zum Tode verurteilt und legte über meinen Anwalt Rechtsmittel ein. Ich erfuhr nur durch die Pressekonferenz der Teheraner Staatsanwaltschaft [am 15. Mai] von der Bestätigung des Urteils. Obwohl ich einen Anwalt habe, erkennen sie ihn nicht an. Sie teilen ihm weder Informationen über das Verfahren mit noch benachrichtigen sie ihn über den Verlauf."

Der Anwalt von Ali Saremi hat öffentlich ausgesagt, dass ihm nie das Hinrichtungsurteil ausgehändigt wurde und er nach dem ersten Verfahren nie Informationen über den Fall seines Mandanten erhalten habe, auch nicht über mögliche Rechtsmittel. Man hatte ihn zudem nicht 48 Stunden zuvor über die Hinrichtung informiert, wie im iranischen Recht vorgeschrieben.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-102/2010-4, AI-Index: MDE 13/010/2011, Datum: 26. Januar 2011 - fp
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2011