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AKTION/520: Urgent Action - Iran - Vier Gewerkschafter weiterhin in Haft


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-130/2010-2, AI-Index: MDE 13/013/2011, Datum: 4. Februar 2011 - jf

IRAN
Vier Gewerkschafter weiterhin in Haft

Weitere Informationen zu UA-130/2010 (MDE 13/063/2010, 14. Juni 2010 und MDE 13/109/2010, 10. Dezember 2010)


freigelassen:
MORTEZA KOMSARI
ALI AKBAR NAZARI

in Haft
GHOLAMREZA GHOLAMHOSSEINI
REZA SHAHABI
MANSOUR OSSANLU
EBRAHIM MADDADI

Morteza Komsari und Ali Akbar Nazari, führende Mitglieder einer unabhängigen, von den Behörden nicht anerkannten iranischen Gewerkschaft, wurden Ende Dezember 2010 aus der Haft entlassen. Vier weitere Mitglieder befinden sich derzeit noch in Haft. Morteza Komzari und Ali Akbar Nazari wurden am 29. Dezember 2010 nach fast zwei Monaten gegen Kaution aus der Haft entlassen. Ihnen droht jedoch nach wie vor ein Gerichtsverfahren.

Berichten zufolge befindet sich Gholamreza Gholamhosseini, ein weiteres Mitglied der Gewerkschaft, das zum Zeitpunkt der Freilassung von Morteza Komsari und Ali Akbar Nazari festgenommen wurde, immer noch ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren in Haft. Am 19. Dezember beendete Reza Shahabi, der am 12. Juni 2010 festgenommene Schatzmeister der Gewerkschaft des Buslinienverkehrs im Großraum Teheran (Sherkat-e Vahed) den Hungerstreik, in den er zwei Wochen zuvor aus Protest gegen seine andauernde Haft getreten war. Nach sieben Tagen war er aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes in ein Krankenhaus gebracht worden. Eine für den 26. Dezember angesetzte Gerichtsverhandlung wurde vertagt, da dem Anwalt des Gewerkschafters nicht ausreichend Zeit für die Akteneinsicht gewährt worden war.

Amnesty International geht davon aus, dass die beiden Männer gewaltlose politische Gefangene sind, die nur aufgrund ihrer friedlichen gewerkschaftlichen Aktivitäten festgehalten werden. In diesem Fall sollten sie umgehend und bedingungslos freigelassen werden. Zwei weitere Mitglieder des Gewerkschaftsvorstands, der Vorsitzende Mansour Ossanlu und der stellvertretende Vorsitzende Ebrahim Maddadi verbüßen derzeit eine Haftstrafe. Amnesty International fordert ihre sofortige und bedingungslose Freilassung, da sie gewaltlose politische Gefangene sind.

Iran ist Vertragsstaat des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte. Darin ist in Artikel 22 (1) ausgeführt: "Jedermann hat das Recht, sich frei mit anderen zusammenzuschließen sowie zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu bilden und ihnen beizutreten." In Artikel 8 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dessen Vertragsstaat Iran ebenfalls ist, heißt es: "Die Vertragsstaaten verpflichten sich, folgende Rechte zu gewährleisten: a) das Recht eines jeden, zur Förderung und zum Schutz seiner wirtschaftlichen und sozialen Interessen Gewerkschaften zu bilden oder einer Gewerkschaft eigener Wahl allein nach Maßgabe ihrer Vorschriften beizutreten."


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die Gewerkschaft der MitarbeiterInnen des Buslinienverkehrs im Großraum Teheran wurde nach der islamischen Revolution 1979 verboten. 2004 nahmen ArbeiterInnen die gewerkschaftlichen Aktivitäten wieder auf, obwohl man sie nicht offiziell anerkannte. Am 22. Dezember 2005 verhaftete die Polizei zwölf GewerkschaftsführerInnen in ihren Privatwohnungen, darunter auch Mansour Ossanlu; vier von ihnen ließ sie kurz darauf wieder frei. Weitere GewerkschafterInnen wurden am 25. Dezember 2005 festgenommen, nachdem sie in einen Streik getreten waren, um die Freilassung ihrer KollegInnen zu fordern. Hunderte weitere Personen wurden während eines erneuten Streiks im Januar 2006 festgenommen (siehe auch UA-008/2006 und UA-026/2006).

In jüngster Zeit wurden weitere GewerkschafterInnen festgenommen oder schikaniert, darunter Mitglieder der Gewerkschaft der Haft Tapeh Sugar Cane Company (HTSCC), die ebenfalls nicht von den Behörden anerkannt wird. Reza Rakhshan, der Vorsitzende der Gewerkschaft, trat am 3. Januar 2011 eine Haftstrafe von sechs Monaten an, die ein Berufungsgericht wegen des "Verbreitens von Lügen" gegen ihn verhängt hatte. Zuvor war er von einem anderen Gericht von der Anklage freigesprochen worden, die anscheinend mit einem von ihm verfassten Artikel in Zusammenhang steht. Der Artikel trug die Überschrift "Wir sind eine Familie". Reza Rakhshan verurteilte darin die Festnahmen und Schikanierungen seiner KollegInnen. Am 18. November 2010 verurteilte das Berufungsgericht Ahvaz drei Mitglieder der Gewerkschaft HTSCC zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten. Behrouz Nikoufard, Alireza Sa'eedi und Behrouz Molazadeh wurden Berichten zufolge der "Beleidigung des Religionsführers" schuldig befunden; bislang soll aber keiner von ihnen seine Haftstrafe bisher angetreten haben.


EMPFOHLENE AKTIONEN: SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich begrüße die Freilassung von Morteza Komsari und Ali Akbar Nazari, fordere Sie aber gleichzeitig dazu auf, sämtliche Anklagepunkte die aufgrund der friedlichen gewerkschaftlichen Aktivitäten der vorgenannten Personen gegen diese erhoben wurden, fallen zu lassen.

- Ich fordere Sie höflich auf, Reza Shahabi, Gholamreza Gholamhosseini, Mansour Ossanlu und Ebrahim Maddadi umgehend und bedingungslos aus der Haft zu entlassen, sollten sie, wie es scheint, nur aufgrund ihrer friedlichen Gewerkschaftsaktivitäten festgehalten werden, oder klagen Sie die Männer erkennbar strafbarer Handlungen an und stellen Sie die vier in Übereinstimmung mit internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren vor Gericht.

- Stellen Sie bitte sicher, dass die Gefangenen vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt werden und gewähren Sie ihnen umgehend Zugang zu ihren Familien, zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl und zu angemessener medizinischer Versorgung.

- Ich möchte Sie bitten, Ihren Verpflichtungen nachzukommen und das Recht auf die Bildung von unabhängigen Gewerkschaften und den Zutritt zu diesen anzuerkennen.


APPELLE AN

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
c/o Public relations Office, Number 4, 2 Azizi Street
Vali Asr Ave., above Pasteur Street intersection
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
E-Mail: Über die Website: http://www.bia-judiciary.ir/tabid/62/Default.aspx
(1. Kästchen mit Sternchen: Vorname; 2. Kästchen mit Sternchen: Familienname; Drittes Kästchen mit Sternchen:
Ihre E-Mail-Addresse)

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT VON TEHERAN
Ali Reza Avaei
Karimkhan Zand Avenue
Sana'i Avenue, Corner of Alley 17, No. 152
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Dear Mr Avaei)
E-Mail: avaei@Dadgostary-tehran.ir


KOPIEN AN

LEITER DER STAATLICHEN MENSCHENRECHTSBEHÖRDE
Mohammad Javad Larijani
Howzeh Riassat-e Ghoveh Ghazaiyeh
Pasteur St, Vali Asr Ave., south of Serah-e Jomhuri, Tehran 1316814737, IRAN
E-Mail: info@humanrights-iran.ir
(Betreff: FAO Mohammad Javad Larijani)

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort.
Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 18. März 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Welcoming the release of Morteza Komsari and Ali Akbar Nazari but urging the Iranian authorities to drop any charges against them relating solely to their peaceful trade union activities;

- Urging the authorities to release the other detained members of the same union (naming them) if, as appears, they are held solely for their peaceful trade union activities, or else to bring them to trial promptly and fairly on recognizable criminal charges;

- Calling on the authorities to ensure that those held are protected from torture or other ill-treatment,and are granted immediate access to their families, to lawyers of their choice, and to adequate medical care;

- Urging the authorities to uphold their obligations to allow the right to form and join independent trade unions.


Reza Shahabi wurde im Juni 2010 festgenommen, nachdem drei Tage zuvor bereits die Festnahme des Gewerkschaftssprechers Saeed Torabian erfolgt war. Nach mehreren Wochen Haft ohne Kontakt zur Außenwelt trat er schließlich mit seiner Familie in Verbindung und teilte ihnen seine Inhaftierung im Evin-Gefängnis in Teheran mit. Nachdem die iranischen Behörden im September 2010 die Freilassung Reza Shahabis gegen Kaution bewilligten und die Familie des Gewerkschafters die geforderte Summe von 600 Millionen Rial (etwa 37.000 Euro) gestellt hatte, forderten die Behörden eine weitere Kaution von etwa 74.000 Euro ein. Um gegen seine andauernde Haft zu protestieren trat Reza Shahabi am 4. Dezember 2010 in einen Hungerstreik. Nach sieben Tagen wurde er aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes in ein Krankenhaus gebracht. Bedingt durch seinen fortwährend schlechten Gesundheitszustand beendete Reza Shahabi seinen Hungerstreik am 19. Dezember 2010. Berichten zufolge soll Reza Shahabi immer noch in der Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses in Teheran festgehalten werden, die dem iranischen Geheimdienstministerium untersteht. Zwei Mitglieder des Gewerkschaftsvorstands, der Vorsitzende Mansour Ossanlu und der Stellvertretende Vorsitzende Ebrahim Maddadi, verbüßen zurzeit aufgrund ihrer friedlichen gewerkschaftlichen Aktivitäten Gefängnisstrafen. Amnesty International fordert ihre sofortige und bedingungslose Freilassung, da sie gewaltlose politische Gefangene sind. Mansour Ossanlu verbüßt eine Haftstrafe von fünf Jahren im Gefängnis Reja'i Shahr in der Stadt Karaj nahe Teheran. Die Haftbedingungen dort sind sehr schlecht. Er wurde im August 2010 wegen neuer Anklagepunkte vor Gericht gestellt und zusätzlich zu seiner Haftstrafe von fünf Jahren zu einem weiteren Jahr Gefängnis verurteilt. Ebrahim Maddadi befindet sich seit Dezember 2008 im Evin-Gefängnis. Er verbüßt dort eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren, zu der er im Jahr 2007 verurteilt wurde. Saeed Torabian und Reza Shahabi wurden nach den Streiks im Jahr 2005 ohne Lohnfortzahlung für etwa vier Jahre von der Arbeit suspendiert. Nachdem das Verwaltungsgericht ihren Fall untersucht hatte, stellte man sie wieder ein. Dieses Gericht ist berechtigt, Beschwerden gegen Regierungsangestellte nachzugehen.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-130/2010-2, AI-Index: MDE 13/013/2011, Datum: 4. Februar 2011 - jf
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Februar 2011