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AKTION/609: Urgent Action - Kolumbien - Menschenrechtsverteidiger getötet - weitere in Gefahr


ai - URGENT ACTION
UA-Nr.: UA-094/2011, AI-Index: AMR 23/007/2011, Datum: 30. März 2011 - ar

KOLUMBIEN
Menschenrechtsverteidiger getötet - weitere in Gefahr


Getötet:
EDER VERBEL ROCHA, Mitglied der Nichtregierungsorganisation MOVICE

Bereits 2005 getötet:
GUILLERMO VERBEL ROCHA, Bruder von Eder Verbel Rocha

In Gefahr:
ORLANDO ENRIQUE VERBEL ROCHA, Mitglied von MOVICE und der Sohn von Eder Verbel Rocha
sowie weitere Angehörige der Familie Verbel Rocha und Mitglieder von MOVICE

Am 23. März gaben zwei Paramilitärs in San Onofre im Norden Kolumbiens Schüsse auf Orlando Enrique Verbel Rocha, Eder Verbel Rocha und dessen Sohn ab. Dabei wurde Eder Verbel Rocha getötet. Amnesty International fürchtet um das Leben seiner Familienangehörigen und um die Sicherheit weiterer Mitglieder der Organisation MOVICE.

Am 23. März befanden sich Orlando Enrique Verbel Rocha, Eder Verbel Rocha und sein Sohn mit dem Motorrad auf dem Heimweg aus San Onofre im Departamento Sucre im Norden von Kolumbien, wo sie tagsüber ihre Felder bestellt hatten. Ganz in der Nähe ihres Wohnorts wurden sie von zwei Paramilitärs zunächst beschossen und dann auch mit Gewehren verprügelt und getreten. Eder Verbel Rocha wurde bei diesem Angriff tödlich verletzt. Orlando Verbel Rocha und der kleine Junge konnten fliehen und einige Soldaten der Marineinfanterie (Infantería de Marina) einschalten, die sich in der Nähe befanden. Wenige Stunden später wurden die beiden Paramilitärs, die den Angriff auf die drei Personen verübt haben sollen, festgenommen. Einer von ihnen wurde nach wenigen Stunden wieder freigelassen.

Die Angehörigen der Familie Verbel Rocha sind Mitglieder der Regionalgruppe Sucre des Verbands "Nationale Bewegung für Opfer von staatlichen Verbrechen" (Movimiento Nacional de Víctimas de Crímenes de Estado - MOVICE). In diesem Rahmen kämpfen sie seit 2006 gegen Straflosigkeit und setzen sich für die davon Betroffenen ein. Guillermo Verbel Rocha, der Bruder von Eder Verbel Rocha, wurde am 4. Januar 2005 von Paramilitärs getötet. Er hatte zuvor Verbindungen zwischen paramilitärischen Gruppen und lokalen Politiker_innen aufgezeigt. Seitdem sind immer wieder Mitglieder der Familie Verbel Rocha von Paramilitärs bedroht, vertrieben und getötet worden. Am 26. April 2009 erhielt der Motorradtaxifahrer Francisco Verbel Díaz die Nachricht, dass er 24 Stunden Zeit habe, die Region zu verlassen. Ein anderer Taxifahrer, der auf dem Motorrad von Francisco Verbel Díaz unterwegs war, wurde am selben Tag getötet. Francisco Verbel Díaz hat inzwischen die Gegend verlassen. Am 2. Mai 2009 erhielt Hermes de Jesús Verbel Rocha eine Morddrohung. Weitere Familienmitglieder sind zu verschiedenen Zeiten ebenfalls bedroht worden. Die Familie glaubt, dass sie durch die Drohungen zur Aufgabe ihres Grundbesitzes in der Gegend gebracht werden soll.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Am 18. Mai 2010 wurde Rogelio Martínez, ein führendes Mitglied der Regionalgruppe Sucre von MOVICE, erschossen. Er hatte sich zu Lebzeiten für das Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für Zivilpersonen eingesetzt, die in den vergangenen zehn Jahren Opfer von Tötungen, "Verschwindenlassen" und Vertreibungen durch paramilitärische Gruppen geworden sind. Diese Taten wurden gewöhnlich in Absprache mit den Sicherheitskräften begangen.

In den vergangenen Jahren wurde Ingrid Vergara, ebenfalls ein führendes Mitglied der Regionalgruppe Sucre von MOVICE, mehrmals bedroht und angegriffen. Am 3. Dezember 2010 drangen bewaffnete Männer in ihre Wohnung ein und drohten ihrer Familie. Am 12. Oktober 2010 entging Ingrid Vergara nur knapp einem Mordversuch auf dem Majagual-Platz in Sincelejo. Am 26. Oktober 2009 erhielt Ingrid Vergaras Tochter Cendy Torres eine Morddrohung, die ihrer Mutter galt. Am 2. April 2008 drohten unbekannte Männer damit, Cendy Torres als Vergeltung für die Menschenrechtsarbeit ihrer Mutter umzubringen.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fürchte um die Sicherheit von Orlando Enrique Verbel Rocha und seiner Familie sowie um die der Mitglieder von MOVICE. Sorgen Sie bitte dafür, dass in Übereinstimmung mit den Wünschen der Betroffenen umgehend wirksame Schutzmaßnahmen ergriffen werden.

- Ich fordere Sie dringend auf, eine umfassende und unparteiische Untersuchung der Tötung von Eder Verbel Rocha einzuleiten. Auch die früheren Angriffe auf die Familie Verbel Rocha, darunter die Tötung von Guillermo Verbel Rocha, müssen untersucht werden. Veröffentlichen Sie bitte die Ergebnisse dieser Untersuchung und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.

- Ich appelliere an Sie, umgehend Schritte zur Auflösung paramilitärischer Gruppen einzuleiten, entsprechend den von der kolumbianischen Regierung eingegangenen Verpflichtungen und den Empfehlungen der UN und anderer zwischenstaatlicher Organisationen.


APPELLE AN

PRÄSIDENT
Sr. Presidente
Juan Manuel Santos
Presidente de la República
Palacio de Nariño, Carrera 8
No. 7-26, Bogotá, KOLUMBIEN
(korrekte Anrede: Dear President Santos/Excmo. Sr. Presidente Santos)
Fax: (00 57) 1 596 0631

INNEN- UND JUSTIZMINISTER
Sr. Germán Vargas Lleras
Ministerio del Interior y de Justicia,
Carrera 9a. No. 14-10, Bogotá, KOLUMBIEN
(korrekte Anrede: Dear Minister Vargas/Estimado Sr. Ministro Vargas)
Fax: (00 57) 1 599 8961


KOPIEN AN

MENSCHENRECHTSORGANISATION MOVICE
Humanidad Vigente
Carrera 28
No. 47A-84
Bogotá
KOLUMBIEN

BOTSCHAFT DER REPUBLIK KOLUMBIEN
I. E. Frau Dr. Maria Dora Victoriana Mejía Marulanda
Kurfürstenstr. 84
10787 Berlin
Fax: 030-2639 6125
E-Mail: info@botschaft-kolumbien.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 11. Mai 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Express concern for the safety of Orlando Enrique Verbel Rocha and other members of his family and MOVICE and urge the authorities to guarantee their safety in strict accordance with their wishes.

- Call on the authorities to order a full and impartial investigation into the killing of Eder Verbel Rocha and previous attacks on the Verbel Rocha family including the killing of Guillermo Verbel Rocha, publish the results and bring those responsible to justice.

- Urge the authorities to take immediate action to dismantle paramilitary groups, in line with stated government commitments and recommendations made by the UN and other intergovernmental organizations.


WEITERE HINTERGRUNDINFORMATIONEN

MOVICE ist ein Zusammenschluss von vielen verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen und setzt sich für Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen in Kolumbiens anhaltendem bewaffneten Konflikt ein. Die Mitglieder von MOVICE haben bereits viele Fälle von Tötungen und Verschwindenlassen dokumentiert und aufgedeckt, die auf das Konto von Sicherheitskräften und paramilitärischen Gruppen im Departamento Sucre gingen.

Kolumbianische Menschenrechtsverteidiger_innen, die sich dafür einsetzen, dass Grundbesitz zurückgegeben wird, der während des Konflikts hauptsächlich von paramilitärischen Gruppen rechtswidrig vereinnahmt wurde, sind in den vergangenen Jahren wiederholt bedroht und getötet worden. Die meisten solcher Anschläge werden paramilitärischen Gruppen zugeschrieben. Allerdings nehmen auch Guerillagruppen Menschenrechtsverteidiger_innen und andere sozial engagierte Aktivist_innen ins Visier, wenn sie durch sie ihre Interessen bedroht sehen.

Die paramilitärischen Gruppierungen in Kolumbien sind angeblich im Rahmen des von der Regierung finanzierten Demobilisierungsprozesses, der im Jahr 2003 begann, aufgelöst worden. Diese Gruppen operieren aber nach wie vor und begehen weiterhin schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen an Menschenrechtsverteidiger_innen und anderen Zivilpersonen. Manchmal geschieht dies sogar in geheimer Absprache mit den Sicherheitskräften oder mit deren Einverständnis.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr.: UA-094/2011, AI-Index: AMR 23/007/2011, Datum: 30. März 2011 - ar
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2011