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AKTION/641: Urgent Action - Russische Föderation - Tadschiken droht Auslieferung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-084/2011-1, AI-Index: EUR 46/020/2011, Datum: 28. April 2011 - pn

Russische Föderation
Tadschiken droht Auslieferung

Weitere Informationen zu UA-084/2011 (EUR 46/013/2011, 22. März 2011)


NIZOMHON JURAEV, tadschikischer Staatsbürger

Das Stadtgericht Moskau bestätigte die Entscheidung des Generalstaatsanwalts, Nizomhon Juraev nach Tadschikistan auszuliefern, obwohl dieser in der Russischen Föderation Asyl beantragt hat. Sollte Nizomhon Juraev tatsächlich nach Tadschikistan zurückgeführt werden, drohen ihm Folter und Misshandlungen. Am 12. April bestätigte das Stadtgericht Moskau die Entscheidung des Staatsanwalts der Russischen Föderation, Nizomhon Juraev nach Tadschikistan auszuliefern. Juraevs Anwalt erklärte Amnesty International gegenüber, dass der Richter schriftliche Aussagen von Mitangeklagten außer Acht ließ, die von Folterungen in Haft berichteten. Mukhamad Akhadov war am 30. September 2008 aus Russland nach Tadschikistan ausgeliefert worden. Sein Bruder schilderte vor Gericht die Folterungen, denen Akhadov bei seiner Ankunft in Duschanbe, der tadschikischen Hauptstadt, ausgesetzt war. Mukhamad Akhadov soll Nizomhon Juraev unter Folter einer Straftat beschuldigt haben.

Das Stadtgericht Moskau befand, dass die Angaben über Folter und unfaire Gerichtsverfahren in Tadschikistan gegenstandslos seien, da das Land Abkommen wie etwa den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte unterzeichnet und ratifiziert hat, die Todesstrafe abgeschafft wurde und der Generalstaatsanwalt von Tadschikistan beteuert hat, Nizomhon Juraev würde bei seiner Ankunft in Tadschikistan nicht gefoltert werden. Das Gericht merkte weiterhin an, die Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Tadschikistan, die vom UN-Ausschuss gegen Folter festgestellt wurden und auf die sich Nizomhon Juraev beruft, lägen weit in der Vergangenheit. Schon ein UN-Bericht aus dem Jahr 2006 stellte Verbesserungen fest und das Gericht kam zu dem Schluss, es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass in tadschikischen Hafteinrichtungen weiterhin Folter angewendet wird. Darüber hinaus erklärte das Gericht, dem russischen Außenministerium lägen keinerlei Informationen über Menschenrechtsverletzungen in tadschikischen Hafteinrichtungen vor.

Nizomhon Juraev hatte in Russland einen Asylantrag gestellt. Sein erster Antrag wurde abgelehnt. Die Rechtsmittel gegen die Ablehnung sind noch anhängig. Darüber hinaus hat er nun vor dem Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation Rechtsmittel gegen die Bestätigung seines Auslieferungsbescheids durch das Stadtgericht Moskau eingelegt.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Amnesty International untersucht Menschenrechtsverletzungen in Tadschikistan und setzt sich für ein Ende von Folter und Misshandlung von Gefangenen und anderen Personen durch Angehörige der Polizei, Straffreiheit für die Folterer, unmenschliche Haftbedingungen in den Gefängnissen, Einschränkungen der Meinungsfreiheit und Gewalt gegen Frauen ein. Opfer von Folter und Misshandlungen möchten in der Regel keine Anklage wegen Missbrauchs durch Angehörige der Polizei erheben, da sie sich dadurch einer erhöhten Gefahr aussetzen, zum Beispiel durch konstruierte Anklagen in Strafverfahren.

2007 wurde in Tadschikistan ein Strafverfahren gegen Nizomhon Juraev, einen ehemaligen örtlichen Parlamentarier und Geschäftsmann aus der tadschikischen Region Soghd, eröffnet. Man klagte ihn zusammen mit 33 weiteren Personen wegen Gewalttaten im Rahmen des organisierten Verbrechens sowie wegen Wirtschaftsverbrechen und unerlaubten Waffenbesitzes an. Einigen der Angeklagten legte man darüber hinaus die Tötung des ehemaligen stellvertretenden Staatsanwalts im Jahr 1999 zur Last. Als das Strafverfahren begann, hielt sich Nizomhon Juraev in Russland auf.

Amnesty International befürchtet, dass Nizomhon Juraev nach Tadschikistan ausgeliefert oder abgeschoben werden könnte, obwohl er in der Russischen Föderation Asyl beantragt hat. In den vergangenen Jahren hat die Russische Föderation mehrere Personen in Länder wie Tadschikistan oder Usbekistan ausgeliefert, obwohl sie rechtlich dazu verpflichtet ist, diesen Menschen Schutz zu gewähren. Amnesty International erkennt an, dass die Russische Föderation bei der Verbesserung des Schutzes von Flüchtlingen und Asylsuchenden Fortschritte macht. Die Organisation ist jedoch nicht überzeugt davon, dass die bestehenden rechtlichen Mechanismen zum Schutz von Asylsuchenden und Flüchtlingen voll umgesetzt werden. Daher ist Amnesty International besorgt, dass Nizomhon Juraev nach Tadschikistan ausgeliefert werden könnte, obwohl Russland Vertragsstaat der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie anderer internationaler Abkommen ist, in denen diese Rechte verbrieft sind. Im Jahr 2010 beschloss der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in vier Fällen, dass die Auslieferungen von Russland nach Tadschikistan nicht mit Russlands Verpflichtungen aus der Menschenrechtskonvention vereinbar waren bzw. wären; dies gelte insbesondere für Artikel 3 der Konvention (Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung). Im Fall Gaforov vs. Russland zum Beispiel hob das Gericht hervor, dass "Berichten aus sicheren Quellen zufolge in tadschikischen Hafteinrichtungen Folter systematisch und weitverbreitet angewendet wird."


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich möchte meine Sorge über die Folter zum Ausdruck bringen, die Aussagen zufolge in Tadschikistan trotz diplomatischer Versicherungen gegen Personen angewendet wurde, die Russland zuvor ausgeliefert hatte.

- Mit Nachdruck fordere ich Sie auf, Nizomhon Juraev nicht nach Tadjikistan auszuliefern.

- Ich möchte Sie höflich daran erinnern, dass Sie gemäß internationalen Menschenrechtsabkommen Personen nicht in Länder ausliefern oder abschieben dürfen, in denen ihnen Folter oder andere Misshandlungen drohen könnten.

- Bitte prüfen Sie, ob Nizomhon Juraev im Rahmen der Genfer Flüchtlingskommission als Flüchtling anerkannt werden kann, ebenso wie andere Formen internationalen Schutzes, falls ihm der Flüchtlingsstatus gemäß der Konvention nicht zusteht.


APPELLE AN

GENERALSTAATSANWALT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
Yuri Yakovlevich Chaika
Prosecutor General's Office of the Russian Federation
Bolshaia Dmitrovka, 15 A
125993 Moscow
RUSSISCHE FÖDERATION
(korrekte Anrede: Dear Prosecutor General)
Fax: (00 7) 495 987 58 41


KOPIEN AN

AUßENMINISTERIUM
Ministry of Foreign Affairs of the Russian Federation
Director of the Third department on CIS countries
M. A. Peshkov (korrekte Anrede: Dear Director)
Fax: (007 499 241 21 75)
E-mail: 3dsng@mid.ru

BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S. E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65, 10117 Berlin
Fax: 030-2299 397
E-Mail: info@Russische-Botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 9. Juni 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Express concern about allegations that Tajikistan has tortured people who were extradited from Russia, despite so-called "diplomatic assurances".

- Urge the Russian authorities not to extradite Nizomhon Juraev to Tajikistan.

- Remind the Russian authorities of their obligation under international human rights law not to deport or extradite any person to a country where they are at risk of torture and/or other ill-treatment.

- Ask the Russian authorties to consider Nizomhon Juraev's appeal for refugee status in line with the 1951 Convention relating to the Status of Refugees as well as his need for other forms of international protection if he does not qualify for refugee status.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-084/2011-1, AI-Index: EUR 46/020/2011, Datum: 28. April 2011 - pn
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2011