Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AKTION/653: Urgent Action - Mexiko - Anschläge auf indigene Gemeinschaft


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-126/2011, AI-Index: AMR 41/025/2011, Datum: 5. Mai 2011 - gs

Mexiko
Anschläge auf indigene Gemeinschaft


durch Schüsse schwer verletzt:
Herr EUGENIO SÁNCHEZ TIANDÓN

getötet:
Herr PEDRO HUÁREZ URBINA
Herr ARMANDO HÉRNANDEZ ESTRADA

Die in Cherán im Bundesstaat Michoacan im Westen Mexikos ansässige indigene Gemeinschaft hat sich zum Schutz vor Banden der organisierten Kriminalität verbarrikadiert. Die Banden agieren in geheimem Einverständnis mit den örtlichen Behörden und der Polizei. Am 15. April wurde ein Angehöriger der Gemeinschaft angeschossen, am 27. April fielen zwei weitere Indigene einem Anschlag zum Opfer. Seit mehreren Jahren verschleppt und ermordet eine bewaffnete Bande mit Verbindungen zu dem mächtigsten Drogenkartell in Michoacan immer wieder Angehörige der indigenen Gemeinschaft der Purépucha in Cherán. Die Bande holzt auf dem Land der Indigenen illegal Bäume ab und handelt dabei in Absprache mit den örtlichen Behörden und der Polizei.

Am 15. April hielten Angehörige der Gemeinschaft in Cherán Lastwagen an, die illegal gefälltes Holz geladen hatten. Die Indigenen brachten fünf Holzfäller in ihre Gewalt. Nachdem die Gemeinschaft die örtlichen Behörden über das Geschehen informiert hatte, trafen zwei Stunden später ein Fahrzeug der örtlichen Polizei und zwei Lastwagen mit mindestens 14 schwer bewaffneten Männern in der Stadt ein. Die Männer eröffneten das Feuer auf die BewohnerInnnen und trafen dabei Eugenio Sánchez Tiandón am Kopf. Der Mann ist seitdem ohne Bewusstsein.

Die Indigenen errichteten in Reaktion auf den Zwischenfall Straßensperren und verbarrikadierten auf diese Weise den Zugang zur Stadt. Mit Unterstützung von MenschenrechtsanwältInnen nahmen SprecherInnen der Gemeinschaft mit den Behörden des Bundes und des Bundesstaates Michoacan Verhandlungen über die Sicherheit in Cherán auf. Die Gespräche dauern derzeit noch an. Am 23. April übergaben die Indigenen die fünf Holzfäller VertreterInnen der Bundesstaatsanwaltschaft (Procuraduría General de la República). Außerdem überreichten sie der Staatsanwaltschaft 140 von den BewohnerInnen der Stadt verfasste Beschwerden.

Am 27. April hinderten nach vorliegenden Meldungen Angehörige der Gemeinschaft in Cherán ein weiteres Mal Holzfäller am Betreten ihres Landes. Die Holzfäller griffen daraufhin zu ihren Waffen und töteten Pedro Huárez Urbina sowie Armando Hernández Estrada. Nach Kenntnis von Amnesty International sind keine Maßnahmen ergriffen worden, um die an den Anschlägen beteiligten Kriminellen und PolizistInnen zu verhaften und vor Gericht zu stellen. Angehörige der Purépucha berichteten vielmehr, ihren SprecherInnen seien von der Bande Vergeltungsschläge angedroht worden. Die Gemeinschaft hat bei der Bundespolizei um Schutzmaßnahmen gebeten.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die in Cherán im Bundesstaat Michoacan lebende indigene Gemeinschaft umfasst mindestens 16.000 Menschen. Vor den jüngsten Geschehnissen sind seit 2009 sieben Angehörige der Gemeinschaft ermordet und fünf weitere dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen. Verantwortlich für diese Taten sollen Mitglieder einer kriminellen Bande sein, die in geheimer Absprache mit der lokalen Polizei agieren. Obwohl Anzeigen bei den bundesstaatlichen und den mexikanischen Bundesbehörden eingegangen sind, darunter wegen illegaler Rodungen bei der Behördenstelle gegen Umweltstraftaten, sind gegen die Verantwortlichen bislang keine Maßnahmen eingeleitet worden. Somit ist die Gemeinschaft derzeit schutzlos weiteren Angriffen ausgeliefert und hat keine Hoffnung, mit rechtlichen Mitteln gegen illegale Aktivitäten von Banden vorzugehen.

Seit 2007 nehmen Gewaltverbrechen im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität in Mexiko immer mehr zu. Regierungsberichten zufolge sind in diesem Zeitraum mehr als 34.000 Menschen getötet worden. Kriminelle Banden, die in geheimer Absprache mit der Polizei und den Lokalbehörden operieren, verüben in zahlreichen Gemeinschaften Entführungen und andere Gewalttaten, um ihren Einflussbereich zu erweitern. Da die Mehrzahl dieser Verbrechen unaufgeklärt bleibt, entsteht ein Klima der Straflosigkeit und Unsicherheit bei den indigenen Gemeinschaften, die in den meisten Fällen nicht darauf hoffen können, dass die Sicherheitskräfte sie schützen und gegen kriminelle Banden vorgehen. Michoacan gehört zu den mexikanischen Bundesstaaten, die davon am schwersten betroffen sind.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich bitte Sie eindringlich, für den Schutz der Gemeinschaft in Cherán vor Anschlägen und Drohungen krimineller und mit den örtlichen Behörden kooperierender Banden Sorge zu tragen. Stellen Sie bitte sicher, dass die Purépucha während ihrer Proteste Zugang zu Nahrung haben und ihre Grundbedürfnisse gedeckt werden.

- Ich erwarte, dass die von bewaffneten Männern und Polizisten am 15. und 27. April auf die Gemeinschaft in Cherán verübten Anschläge unverzüglich, umfassend und von unabhängiger Seite untersucht werden. Die Ermittlungsergebnisse müssen öffentlich bekannt gegeben und die für die Anschläge Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden.

- Leiten Sie außerdem eine vollständige und unparteiische Untersuchung sämtlicher Beschwerden der Gemeinschaft in Cherán über Tötungen, Fälle des Verschwindenlassens, Drohungen und illegale Rodungen ein.


APPELLE AN

INNENMINISTER
Lic. José Francisco Blake Mora
Secretaría de Gobernación
Bucareli 99, 1er. piso
Col. Juárez, Del. Cuauhtémoc
México D.F., C.P. 06600, MEXIKO
(korrekte Anrede: Estimado Señor Secretario / Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 52) 553 003 2900,
(00 52) 553 003 2356
E-Mail: secretario@segob.gob.mx

GOUVERNEUR DES BUNDESSTAATES MICHOACAN
Mtro. Leonel Godoy Rangel
Gobernador del Estado de Michoacán
Palacio de Gobierno
1er. Patio planta Alta, Av. Madero
Poniente No. 63, Morelia C.P. 5800
Estado de Michoacán, MEXIKO
(korrekte Anrede: Estimado Gobernador/ Dear Governor/ Sehr geehrter Herr Gouverneur)
Fax: (00 52) 443 322 9073,
E-Mail: lgodoy@michoacan.gob.mx

MINISTER FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT
Lic. Genaro García Luna
Secretaría de Seguridad Pública
Constituyentes n° 947, edif. "B" planta
Col. Belén de las Flores,
México D.F., C.P. 01110, MEXIKO
Dear Minister/ Estimado Secretario/Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 52) 55 1103 6189
E-Mail: genaro.garcia@ssp.gob.mx


KOPIEN AN

ANWALTSVEREINIGUNG
Asociación Nacional de Abogados Democraticos
E-Mail: anadmexico@yahoo.com.mx
BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN MEXIKANISCHEN STAATEN
S.E. Herrn Francisco N. González Díaz
Klingelhöferstraße 3
10785 Berlin
Fax: 030-26 93 23-700
E-Mail: mail@mexale.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 16. Juni 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Call for the federal authorities to ensure that residents of Cherán are protected from attacks and threats by criminal gangs acting in collusion with local authorities and that the community has access to food and basic services during the protests;

- Call for a full, prompt and impartial investigation into the attack on Chrán by armed men and municipal police on 15 and 27 April, for the results to be made public and for those responsible to be brought to justice;

- Ensure full and impartial investigation of the complaints of killings, enforced disappearance, threats and illegal logging filed by the community members and ensure those responsible are held to account.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-126/2011, AI-Index: AMR 41/025/2011, Datum: 5. Mai 2011 - gs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2011