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AKTION/876: Urgent Action - Vereinigte Arabische Emirate - Aktivisten in Haft


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-111/2011, AI-Index: MDE 25/001/2011, Datum: 13. April 2011 - gs

Vereinigte Arabische Emirate
Aktivisten in Haft


AHMAD MANSOOR, Blogger
FAHAD SALEM AL-SHEHHI
NASSER BIN GHAITH, Wirtschaftswissenschaftler

In den Vereinigten Arabischen Emiraten sind zwei zivilgesellschaftlich engagierte Personen und ein Wirtschaftswissenschaftler festgenommen worden, offenbar weil sie politische Reformen eingefordert hatten. Der Rechtsanwalt der Männer ist nicht über ihren Haftort informiert worden. Wahrscheinlich handelt es sich bei ihnen um gewaltlose politische Gefangene. Am 8. April wurde Ahmad Mansoor von zwei uniformierten Polizisten und mehreren zivil gekleideten Mitarbeitern der Sicherheitspolizei Amn al-Dawla in seiner Wohnung festgenommen. Ahmad Mansoor stellt Beiträge in das politische Online-Forum Hewar ein, dessen Seiten von den Behörden des Landes gesperrt worden sind. Nach seiner Festnahme wurde die Wohnung von Ahmad Mansoor durchsucht und dabei Computer, Bücher und Dokumente beschlagnahmt. Am frühen Morgen des 8. April noch vor Tagesanbruch hatten mehrere Männer Ahmad Mansoor in seiner Wohnung aufgesucht und erklärt, sie seien von der Polizei und müssten ihn zu seinem Fahrzeug befragen. Die Männer forderten Ahmad Mansoor auf, mit ihnen zu kommen. Er lehnte dies jedoch ab, weil er dahinter die Absicht vermutete, ihn zu verhaften. Berichte deuten darauf hin, dass die Behörden der Vereinigten Arabischen Emirate die Festnahme von Ahmed Mansoor mit einem Verstoß gegen das Alkoholverbot begründen. Sie geben an, in seinem Fahrzeug Whiskeyflaschen entdeckt zu haben. Der tatsächliche Auslöser für die Verhaftung von Ahmed Mansoor dürfte jedoch darin bestanden haben, dass er Forderungen nach politischen und anderweitigen Reformen im Land unterstützt hat. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind eine Föderation von sieben autonomen Emiraten, deren Herrscherfamilien keine politischen Parteien dulden und auch keine Direktwahlen zulassen.

Der 38-jährige Fahad Salem al-Shehhi wurde am 10. April gegen 19:00 Uhr im Emirat Ajman festgenommen. Auch er steht dem Online-Forum Hewar nahe. Nasser bin Ghaith, Wirtschaftswissenschaftler und Dozent an der Zweigstelle der Pariser Universität Sorbonne in Abu Dhabi, wurde ebenfalls am 10. April in Dubai verhaftet. Er hat Artikel ins Internet eingestellt mit der Forderung nach politischen Reformen in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Nach Auskunft des Rechtsanwalts der drei Männer haben die Behörden erklärt, sie in einem Haftzentrum in Dubai festzuhalten, den Nachweis hierfür blieben sie jedoch schuldig. Möglicherweise befinden sich die Männer im Gewahrsam der Sicherheitspolizei in Abu Dhabi und sind in Gefahr, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Der Rechtsanwalt sorgt sich insbesondere um Ahmed Mansoor, der offenbar Morddrohungen erhalten hat. Auch der Anwalt selbst ist, wie er Amnesty International mitgeteilt hat, über Facebook mit dem Tod bedroht worden.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Bei den Vereinigten Arabischen Emiraten handelt es sich um eine Föderation von sieben Emiraten. Jedes dieser Emirate wird von einem Emir regiert, der über uneingeschränkte Machtbefugnisse verfügt. Wahlen finden in den jeweiligen Emiraten nicht statt. Der Föderale Nationalrat mit seinen 40 Mitgliedern und Sitz in Abu Dhabi wird zur Hälfte vom Nationalen Wahlausschuss gewählt, die übrigen 20 Mitglieder vom Staatspräsidenten bestimmt. Die Amtszeit der Nationalratsmitglieder beträgt zwei Jahre. Eine ihrer wenigen Befugnisse besteht darin, Gesetze der Föderation zu prüfen und zu ergänzen. Über ein Vetorecht gegen Gesetzesinitiativen verfügen sie nicht.

Am 9. März wandten sich mehr als 130 politische und BürgerrechtsaktivInnen der Vereinigten Arabischen Emirate mit einer Petition an den Staatspräsidenten, in der sie ihn aufriefen, allgemeine und direkte Wahlen einzuführen und dem gewählten Gremium gesetzgeberische Befugnisse zu übertragen. Ahmed Mansoor hatte die Initiative offen und vehement unterstützt und sich in einer Vielzahl von Interviews mit den Medien für einen solchen Weg ausgesprochen. In einer Erklärung vom 9. April gab die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bekannt, dass Ahmed Mansour dem Beratungsausschuss der Organisation für den Nahen Osten und Nordafrika angehört. In der Erklärung heißt es weiter, dass Human Rights Watch "auf einer Pressekonferenz vom 26. Januar in Dubai den Einsatz von Ahmed Mansour für die Förderung der Menschenrechte in den Emiraten gewürdigt und anerkannt hat"
(siehe http://www.hrw.org/en/news.hrw.org/en/news/2011/04/09/uae-government-detains-human-rights- defender?print).


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE

- Ich bringe meine Sorge über die Festnahme von Ahmad Mansoor, Fahad Salem al-Shehhi und Nasser bin Gaith zum Ausdruck und fordere Sie auf, die Gründe für ihre Festnahme sowie ihren derzeitigen rechtlichen Status bekannt zu geben.

- Ich erwarte, dass Ahmad Mansoor und die beiden anderen Männer umgehend freigelassen werden, da es sich bei ihnen allem Anschein nach um gewaltlose politische Gefangene handelt, die sich nur deshalb in Haft befinden, weil sie ihren Überzeugungen in friedlicher Weise Ausdruck verliehen haben.

- Ich fordere Sie auf den Aufenthaltsort der drei Männer unverzüglich mitzuteilen, sie vor Folter und Misshandlung zu schützen und sicherzustellen, dass sie Zugang zu einem Rechtsbeistand und ihren Familien erhalten sowie medizinisch angemessen versorgt werden.

- Ich verlange, dass in Übereinstimmung mit internationalen Standards zum Schutz der Menschenrechte Einschränkungen der Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit aufgehoben werden.


APPELLE AN

STELLVERTRETERNDER STAATSCHEF UND MINISTERPRÄSIDENT
Shaikh Mohammad bin Rashid Al-Maktoum
Co-Chair of the Higher National Security Councilr
Office of the Prime Minister
POB 2838
Dubai
VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 971) 4353 1974
E-Mail: über http://www.uaepm.ae/en/communicate/index.html
(1.*= Name; 2.* = Alter;3.*= Staatsangehörigkeit;4.* = Arbeitsplatz;
5.*= E-Mail; 6t.*= Grund des Schreibens - wählen Sie "Suggestion";
7.*= Betreff; 8th*= Text)

INNENMINISTER
Lt-General Sheikh Saif bin Zayed Al-Nahyan
Minister of Interior, Human Rights Directorate
POB 398, Abu Dhabi
VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 971) 4398 1119


KOPIEN AN

AUSSENMINISTER
Sheikh Abdullah bin Zayed Al Nahya
POB 1
Abu Dhabi
VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 971) 2 4447766

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN ARABISCHEN EMIRATE
S.E. Herrn Mohammed Ahmed Almahmoud
Hiroshimastraße 18-20
10785 Berlin
Fax: 030-5165 1900


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 26. Mai 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Expressing concern about the arrest and detention of Ahmad Mansoor, Fahad Salem al-Shehhi and Nasser bin Ghaith, all known peaceful advocates of political reform, and asking to be informed of the reasons for their arrest and their current legal status;

- Calling for the three detainees to be released immediately and unconditionally if, as it appears, they are prisoners of conscience who are being held solely on account of their peaceful expression of their conscientiously held beliefs;

- Urging the authorities to immediately disclose their whereabouts, to ensure that they are protected from torture and other ill-treatment and have access to a lawyer, their families and any medical treatment they might require;

- Calling on the authorities to remove restrictions on the exercise of the right to freedom of expression, association and assembly, in line with international human rights law and standards.


Weitere Hintergrundinformationen

Die in Abu Dhabi erscheinende Tageszeitung The National zitierte in ihrer Ausgabe vom 11. April einen Polizisten aus Dubai, der angab, Ahmed Mansoor sei im Zusammenhang mit einem "Strafverfahren" auf Weisung des Generalstaatsanwalts in Haft genommen worden. Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt. Amnesty International vermutet, dass diese Auskunft nur einen Vorwand darstellt, um die Inhaftierung des Menschenrechtsverteidigers zu rechtfertigen.

Ahmed Mansoor ist ebenso wie sein Rechtsanwalt Abdelhamid al-Kumaiti über Facebook mit dem Tod bedroht worden. Nach Angaben von Human Rights Watch lautete eine dieser Drohungen, die am 5. April bei dem Rechtsanwalt einging, wie folgt: "Ahmed Mansoor, du bist ein toter Mann. Ich werde in jedem Haus nach Dir suchen, das schöre ich. Ich schwöre bei Gott, dass ich Dich in Stücke schneiden werde... Sollte nicht ich Dich niedermetzeln, werden meine Cousins Dich einen Kopf kürzer machen, Du Köter."

Nach vorliegenden Meldungen waren Ahmed Mansoor und Fahad al-Shehhi in einem in den Emiraten verbotenen politischen Online-Forum mit dem Namen Hewar aktiv. Nasser bin Ghaith ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Fakultät der französischen Universität Sorbonne in Abu Dhabi.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten werden aus politischen Gründen festgenommene Personen gewöhnlich ohne Kontakt zur Außenwelt an nicht bekannt gegebenen Orten in Haft gehalten. Von der Sicherheitspolizei Amn al-Dawla festgenommene Menschen verbleiben nach vorliegenden Meldungen oft in Einzelhaft. Bislang ist nur wenigen politischen Gefangenen ein kurzes Telefongespräch mit ihren Familien gestattet worden.

Politische Parteien sucht man in den Vereinigten Arabischen Emiraten vergeblich. Die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit sind erheblich einschränkt, abweichende politische Meinungen werden nicht toleriert. Internetseiten mussten auf Druck der Behörden ihr Erscheinen einstellen, die Betreiber wurden unter der Anklage der Beleidigung strafrechtlich verfolgt. Zahlreiche Berichte dokumentieren Folterungen an politischen Gefangenen in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Zu den Foltermethoden zählen Schlafentzug, das Aufhängen an den Hand- oder Fußgelenken mit anschließenden Schlägen auf die Fußsohlen und Elektroschocks an verschiedenen Körperteilen.

Der UN-Menschenrechtsausschuss hat ausdrücklich festgestellt, dass routinemäßig und über lange Zeiträume hinweg angeordnete Einzelhaft mit der Verpflichtung der Staaten unvereinbar ist, sicherzustellen, dass Gefangene menschlich und unter Wahrung ihrer Würde behandelt werden (Allgemeine Bemerkung 21/44 vom 6. April 1992)


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-111/2011, AI-Index: MDE 25/001/2011, Datum: 13. April 2011 - gs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2011