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AKTION/943: Reaktionen und Erfolge - amnesty journal Februar/März 2012


amnesty journal 02/03/2012 - Das Magazin für die Menschenrechte

Reaktionen und Erfolge

- USA - Mumia Abu-Jamal wird nicht hingerichtet
- Chimes Of Freedom" würdigt Arbeit von amnesty
- Aserbaidschan - "Sie können uns nicht zerstören"
- Côte D'Ivoire - Gbagbo nach Den Haag überstellt
- Iran - Iranische Ärzte danken amnesty
- Sudan - Strafverfahren eingestellt
- Mexiko - Mexiko stellt sich Verantwortung
- Côte D'Ivoire - Giftmüllskandal: Urteil gegen Trafigura bestätigt




Mumia Abu-Jamal wird nicht hingerichtet

Gegen ihn wurde vor fast 30 Jahren wegen Mordes die Todesstrafe verhängt. Im Dezember 2011 wurde das Todesurteil von Mumia Abu-Jamal in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt.

Selten hat ein Todeskandidat so viel Aufsehen erregt. Der Journalist war 1982 wegen Mordes an dem Polizisten Daniel Faulkner zum Tode verurteilt worden. Ende Dezember 2011 hat die Staatsanwaltschaft im US-Bundesstaat Pennsylvania nun sein Todesurteil in eine lebenslange Haftstrafe ohne Bewährung umgewandelt. Im Laufe der Jahrzehnte wurde der heute 57-Jährige zur Kult- und Symbolfigur im Kampf gegen die Todesstrafe: Weltweit erklärten sich Bürgerrechtsgruppen, Politiker und Prominente mit ihm solidarisch und verlangten seine Freilassung. Die Schuldfrage ist jedoch bis heute nicht geklärt.

Sicher ist, dass der Prozess nicht den internationalen Standards für ein faires Verfahren entsprach. Zeugen wurden unter Druck gesetzt und widerriefen ihre zuvor gemachten Aussagen später vor Gericht. Der Pflichtverteidiger des Journalisten bezeichnete sich selbst als "unvorbereitet". Dazu kam eine extreme Politisierung des Prozesses. Abu-Jamal wurde während seines Verfahrens immer wieder mit der militanten "Black Panther"-Bewegung in Verbindung gebracht, der er früher angehört hatte. Er selbst hat stets seine Unschuld beteuert. Seit der Wiedereinführung der Todesstrafe 1976 wurden in den USA mehr als 1.200 Menschen hingerichtet. Nach Angaben des "Death Penalty Information Center" saßen im April 2011 3.222 Personen im Todestrakt.


"Chimes Of Freedom" würdigt Arbeit von amnesty

Die weltweit größte Menschenrechtsorganisation Amnesty International ist 50 Jahre alt, das Debütalbum von Bob Dylan wird es am 19. März 2012. Anlässlich dieses doppelten Jubiläums haben mehr als 80 Künstler das musikalische Erbe von Bob Dylan für einen guten Zweck neu interpretiert. Insgesamt 76 Songs finden sich auf dem Album "Chimes of Freedom" (Glocken der Freiheit), das ab Anfang Februar im Handel erhältlich ist. Der Erlös aus dem Verkauf der CDs geht an Amnesty International. Die musikalische Bandbreite reicht von Rock bis Hip Hop, von Country bis Blues: Beteiligt sind Musiker wie Mark Knopfler, Patti Smith, Kris Kristofferson, Joan Baez, Queens of the Stoneage oder Maroon 5. Ein Großteil der Songs wurde exklusiv für "Chimes of Freedom" aufgenommen und wird zum ersten Mal veröffentlicht. "Wir sind stolz, dass wir mit Amnesty dieses bemerkenswerte Projekt auf die Beine stellen konnten", sagten Jeff Ayeroff und Julie Yannatta, die die Produktion des Albums koordinierten. Es sei eine "starke Fusion" zwischen der Musikgemeinde, deren Respekt für die Menschenrechtsarbeit von Amnesty und Bob Dylans musikalischem Schaffen. Amnesty arbeitet schon seit vielen Jahren mit Musikern zusammen, um die Arbeit der Organisation bekannter zu machen: Die traditionelle Konzertreihe "The Secret Policeman's Ball", der Sampler "Make some Noise" aus dem Jahr 2007 oder die erfolgreiche 360°-Tour der irischen Band U2 sind nUr einige Beispiele.


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"Sie können uns nicht zerstören"

von Ralf Rebmann


Weil er zu Protesten gegen die aserbaidschanische Regierung aufrief, wurde Jabbar Savalan zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Im Dezember 2011 kam der Blogger und Aktivist überraschend frei. Amnesty hatte sich ihm Rahmen des Briefmarathons für ihn eingesetzt.

Es ist kurz vor Mitternacht, als Jabbar Savalan über die Türschwelle tritt und seiner Mutter und seinen Brüdern in die Arme fällt. Der 20-Jährige wirkt sichtlich erleichtert: Elf Monate saß er im Gefängnis, am 26. Dezember 2011 wurde er im Rahmen einer Generalamnestie entlassen. "Es fühlt sich gut an, wieder bei meinen Freunden zu sein", sagte er kurz nach seiner Entlassung zu einem Vertreter von Amnesty. Er wünsche sich, dass auch die anderen politischen Gefangenen freikämen. 16 sitzen weiterhin in Haft. Amnesty fordert auch deren Entlassung.

Der Fall des Bloggers und Aktivisten war Teil des Briefmarathons von Amnesty International im Dezember 2011. Innerhalb von zwei Wochen wurden über eine Million Appellbriefe verfasst, Jabbar Savalan selbst erhielt über 5.500 allein aus Deutschland. Er bedankte sich bei allen Unterstützern für ihren Einsatz. Amnesty sei ein "Symbol für Menschenrechte und Freiheit", nicht nur in Aserbaidschan, sondern weltweit.

Jabbar Savalan war am 5. Februar 2011 festgenommen worden, weil man bei ihm angeblich 0,74 Gramm Marihuana gefunden hatte. Savalan selbst, seine Familie und auch seine Freunde beteuerten stets, dass er nie Drogen konsumiert habe. Auch ein Bluttest nach seiner Inhaftierung lieferte keine Anhaltspunkte dafür. Auf Grundlage eines Geständnisses, das Jabbar Savalan unter Androhung von Gewalt machte, wurde er zu einer Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt.

Vermutlich hat sein politisches Engagement die Aufmerksamkeit der Behörden erregt. Savalan ist Mitglied der Oppositionspartei Azerbaijan Popular Front's Party (APFP) und nahm öfter an regierungskritischen Demonstrationen teil. Anfang Januar 2011 verbreitete er auf Facebook einen Artikel aus einer türkischen Zeitung, in dem der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew als korrupt und als "Zocker" beschrieben wurde.

Inspiriert von den Umbrüchen in der arabischen Welt rief Savalan am 4. Februar 2011 zu friedlichen Protesten gegen die Regierung auf. Einen Tag später wurde er verhaftet. Nach Savalans Festnahme kam es im März und April in der Hauptstadt Baku zu größeren Protesten. Hunderte Demonstranten wurden vorübergehend inhaftiert, viele berichteten später über Misshandlungen. Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew vertritt seit seinem Amtsantritt 2003 einen autoritären Regierungsstil. Auf der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation "Reporter ohne Grenzen" belegt das Land Platz 152 von 178.

Jabbar Savalan sagte gegenüber Amnesty, dass seine Festnahme ihn nur darin bestärkt habe, sich weiter für grundlegende Freiheiten einzusetzen. "Wir werden weder Inhaftierungen noch andere Strafen fürchten. Sie können uns einsperren, aber sie können uns nicht zerstören. Das Recht auf Meinungsfreiheit gilt für uns, so wie es auch für andere gilt."

Am 26. Mai 2012 findet das Finale des Eurovision Song Contest in der Hauptstadt Baku statt. Aserbaidschanische Aktivisten wollen diese Möglichkeit nutzen, um auf Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land aufmerksam zu machen. Amnesty wird sie dabei unterstützen.


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Einsatz mit Erfolg

Weltweit beteiligen sich Tausende Menschen mit Appellschreiben an den "Urgent Actions", den "Briefen gegen das Vergessen" und an Unterschriftenaktionen von Amnesty International. Dass dieser Einsatz drohende Menschenrechtsverletzungen verhindert und Menschen in Not hilft, zeigen diese Beispiele.


Gbagbo nach Den Haag überstellt

Côte D'Ivoire - Der ehemalige ivorische Präsident Laurent Gbagbo muss sich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten. Die Anklage umfasst Morde, Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt, Verfolgung und andere unmenschliche Handlungen, die zwischen dem 16. Dezember 2010 und dem 12.April 2011 begangen wurden. Amnesty sieht darin einen ersten wichtigen Schritt, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die in Côte 'dIvoire verübt wurden, aufzuklären. Nach den Präsidentschaftswahlen vom 28. November 2010 kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des Wahlsiegers Alassane Ouattara und Anhängern von Laurent Gbagbo, der sich weigerte, sein Amt abzugeben. Tausende Menschen wurden getötet, Hunderttausende mussten fliehen. Amnesty fordert, dass auch Verbrechen, die während der neunjährigen Amtszeit Laurent Gbagbos von 2002 bis 2011 begangen wurden, untersucht werden.


Iranische Ärzte danken amnesty

Iran - Weil die Brüder Arash und Kamiar Alaei 2008 angeblich mit einer "feindlichen Regierung kooperiert" hatten, wurden sie zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Zuvor hatten die beiden Ärzte an einer internationalen Konferenz zum Thema HIV und AIDS teilgenommen. Kamiar Alaei wurde nach zweieinhalb Jahren Haft entlassen, sein Bruder kam erst am 27.August 2011 frei. "Dass wir heute frei und in Sicherheit sind, ist das Ergebnis eurer Unterstützung", schrieben die Brüder in einem Brief an Amnesty. Die Organisation hatte sie als gewaltlose politische Gefangene anerkannt. Heute leben Arash und Kamiar Alaei in den USA. Sie möchten sich ebenfalls für andere politische Gefangene im Iran einsetzen. "Um die Güte zurückzugeben, die wir von euch bekommen haben, ist dies das Mindeste, was wir tun können", heißt es weiter. "Wir möchten uns von ganzem Herzen dafür bedanken, dass ihr für unsere Freiheit gekämpft habt."


Strafverfahren eingestellt

Sudan - Der sudanesische Justizminister hat am 13. Dezember die Strafverfahren gegen den aus Darfur stammenden Menschenrechtler Abdelrahman Adam Abdelrahman und den Journalisten Jaafar Alsabki Ibrahim einstellen lassen. Abdelrahman Adam ist stellvertretender Direktor des Netzwerks "Human Rights and Advocacy Network for Democracy" (HAND), ein Zusammenschluss verschiedener in Darfur tätiger Organisationen. Er war von Oktober 2010 bis Dezember 2011 inhaftiert und soll in der Haft gefoltert worden sein. Jaafar Alsabki Ibrahim arbeitet in Darfur für die unabhängige Tageszeitung "Al Sahafa". Er war von November 2010 bis August 2011 in Haft. Die Festnahmen der Männer waren Teil einer Verhaftungswelle, die sich gegen Journalisten und Menschenrechtler mit Verbindungen zu einem in den Niederlanden registrierten Radiosender richteten.


Mexiko stellt sich Verantwortung

Mexiko - "Der mexikanische Staat erkennt die internationale Verantwortung für die Menschenrechtsverletzungen im Fall Valentina Rosendo Cantú an", lautete die Entschuldigung, die Mexikos Innenminister am 15. Dezember 2011 während einer öffentlichen Veranstaltung verlas. Hintergrund ist ein Urteil des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofs vom 1. Oktober 2010, in dem festgestellt wurde, dass mutmaßlich von Militärangehörigen verübte Verbrechen vor Zivilgerichten verhandelt werden müssen. Valentina Rosendo Cantú war 17 Jahre alt, als sie 2002 von Soldaten vergewaltigt wurde. Trotz Drohungen erstattete sie Anzeige und suchte später Unterstützung beim Menschenrechtszentrum "Tlachinollan". Die Entschuldigung ist ein wichtiger Teilerfolg für Cantú. Die Verantwortlichen wurden noch nicht ermittelt. "Der Kampf ist nicht zu Ende", sagte Cantú, "Diese Nachricht geht an alle Frauen: Kämpft weiter und gebt nicht auf, beendet die Kette der Straflosigkeit."


Giftmüllskandal: Urteil gegen Trafigura bestätigt

Côte D'Ivoire - Ein niederländisches Berufungsgericht hat das Urteil gegen Trafigura bestätigt. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass das niederländische Rohstoffunternehmen 2006 illegal Giftmüll in der ivorischen Hauptstadt Abidjan entsorgt hat. Über 100.000 Menschen klagten deswegen über gesundheitliche Probleme, 15 Personen starben. "Für Trafigura, das wiederholt jegliches Fehlverhalten von sich gewiesen hat, ist das ein vernichtendes Urteil", sagte Benedetta Lacey, Expertin für Unternehmensverantwortung bei Amnesty. Staaten müssten nun sicherstellen, dass multinationale Konzerne, die durch illegale Handlungen Menschenrechtsverletzungen begehen, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen würden.


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Quelle:
amnesty journal, Februar/März 2012, S. 7-9
Herausgeber: amnesty international
Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., 53108 Bonn
Telefon: 0228/98 37 30, E-Mail: info@amnesty.de
Redaktionsanschrift: Amnesty International, Redaktion amnesty journal,
Postfach 58 01 61, 10411 Berlin, E-Mail: ai-journal@amnesty.de,
Internet: www.amnesty.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2012