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AKTION/967: Urgent Action - Kolumbien - Menschenrechtsorganisationen bedroht


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-072/2012, AI-Index: AMR 23/012/2012, Datum: 1. März 2012 - gs

Kolumbien
Menschenrechtsorganisationen bedroht


MENSCHENRECHTSORGANISATIONEN
MENSCHENRECHTSVERTEIDIGERINNEN
GEWERKSCHAFTERINNEN

Mehrere in Kolumbien aktive Menschenrechtsorganisationen und MenschenrechtsverteidigerInnen sind von Paramilitärs bedroht und der Zugehörigkeit zur Guerrilla beschuldigt worden. Einige dieser Organisationen, darunter NGOs, die sich für die Rechte von Frauen einsetzen, wurden aufgefordert, Bogotá zu verlassen. Andere NGOs wurden zu militärischen Zielen erklärt.

Am 28. Februar gingen bei mehreren in Kolumbien tätigen NGOs Morddrohungen ein. Sie enthielten die Namen von in Bogotá aktiven MenschenrechtsverteidigerInnen und Frauenrechtsorganisationen wie auch von NGOs, die sich für die Wiederherstellung von Landrechten engagieren, welche infolge der in Kolumbien begangenen Menschenrechtsverstöße widerrechtlich entzogen worden waren.

Paramilitärs der Gruppe Black Eagles Capital Bloc erklärten, die NGOs würden "die Vertriebenen einer Gehirnwäsche unterziehen und sich wie Menschenrechtsverteidiger aufführen". Die NGOs wurden aufgefordert, "in der Frage der Wiederherstellung von Landrechten keinen weiteren Ärger zu machen, da wir jeden, der nicht aufhört, sich damit zu befassen, töten werden, so viel Schutz er auch erfährt. Wir geben Euch 30 Tage Zeit, um die Stadt zu verlassen." Die Drohungen trafen eine Woche vor einer landesweiten Demonstration ein, zu der die Nationale Bewegung für Opfer von staatlichen Verbrechen (Movimiento Nacional de Victimas de Crimenes de Estado - MOVICE) aufgerufen hatte. MOVICE ist eine der NGOs, bei denen Morddrohungen eingegangen sind. Mit der Demonstration sollen die vollständige Wiederherstellung von Landrechten eingefordert und den Rechten der Opfer von Menschenrechtsverstößen Nachdruck verliehen werden.

Einen Tag zuvor hatte ein Kurier der in Bogotá ansässigen Anwaltskanzlei José Alvear Restrepo (Colectivo de Abogados José Alvear Restrepo - CCAJAR) eine Morddrohung zugestellt. In dieser Drohung hatte die paramilitärische Gruppierung Los Rastrojos Urban Commands drei landesweit tätige NGOs sowie GewerkschafterInnen und NGOs aus den Departamentos Antioquia, Tolima und Valle del Cauca zu militärischen Zielen erklärt. In der Drohung war ausdrücklich auf geheimdienstliche Aktivitäten gegen die Organisationen hingewiesen worden. Es war die Rede von "Observation, Unterwanderung und Informationsbeschaffung von PolitikerInnen, Menschenrechtsorganisationen, GewerkschafterInnen und Vertriebenen".

Die Kanzlei CCAJAR, das Solidaritätskomitee für politische Gefangene (Comité de Solidaridad con los Presos Politicos - CSPP) und MOVICE waren vom damaligen zivilen Sicherheitsdienst (Departamente Administrativo de Seguridad - DAS) bedroht und ohne gesetzliche Grundlage überwacht worden. Der DAS ist seit langem für seine Zusammenarbeit mit paramilitärischen Gruppen berüchtigt.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Zu den am 28. Februar von der Gruppe Black Eagles Capital Bloc mit dem Tod bedrohten AktivistInnen zählen MitarbeiterInnen der NGOs Casa de la Mujer, Ruta Pacifica de las Mujeres, Fundación Nacional Defensora de los Derechos Humanos de la Mujer (FUNDAFEM), Corporación Sisma Mujer, Asociación Afro Mujeres por la Paz (AFROMUPAZ), Corporación Nuevo Arco Iris, Consultoría para los Derechos Humanos y el Desplazamiento (CODHES) und MOVICE. In der Drohung werden zudem zwölf Frauen und drei Männer namentlich erwähnt, von denen sich die meisten als MenschenrechtsverteidigerInnen einsetzen.

In der zweiten Drohung, die am 29. Februar eingegangen war, werden die CCAJAR, das CSPP, MOVICE, die beiden im Departamento Antioquia ansässigen Organisationen Corporación Ayuda Humanitaria und Asociación de desplazados de Antioquia O.P.D (ASODOP), sowie die kolumbianische Human Rights Foundation aus dem Departamento Tolima und die Association Grupos Juveniles Libertad aus dem Departamento Valle del Cauca zu militärischen Zielen erklärt. Auch drei GewerkschafterInnen und drei PolitikerInnen wurden bedroht. In den zurückliegenden Jahren haben Paramilitärs des Weiteren FrauenrechtlerInnen sowie Menschen bedroht, die sich für die Wiederherstellung von Landrechten engagieren. Am 19. Juni 2011 gingen bei zehn überwiegend für die Rechte von Frauen tätigen NGOs und 18 Einzelpersonen Drohungen ein, deren Wortlaut fast mit der aktuellen Drohung der Gruppe Black Eagles Capital Bloc identisch war. Es hieß in der damaligen Drohung, die Adressaten, so viel Schutz ihnen auch zuteil würde, hätten eine Frist von 20 Tagen, um die Stadt zu verlassen.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie auf, eine vollständige und unparteiische Untersuchung der Morddrohungen vom 28. und 29. Februar einzuleiten, die Ergebnisse zu veröffentlichen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.

- Ich möchte Sie außerdem daran erinnern, dass Kolumbien Vertragsstaat der UN-Erklärung zum Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen aus dem Jahr 1998 ist und Sie somit die Pflicht haben, MenschenrechtlerInnen zu schützen.

- Ich erwarte, dass paramilitärische Gruppen unverzüglich aufgelöst werden und die Sicherheitskräfte ihre Verbindungen zu solchen Gruppen abbrechen. Zu einem solchen Schritt, den UN-Gremien und andere zwischenstaatliche Organisationen angemahnt haben, hat sich die Regierung erklärtermaßen verpflichtet.


APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Señor Juan Manuel Santos
Presidente de la República
Palacio de Nariño, Carrera 8. No. 7-26, Bogotá
KOLUMBIEN
(korrekte Anrede: Dear President Santos / Excmo. Sr. Presidente Santos / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 57) 1 596 0631

INNENMINISTER Señor Germán Vargas Lleras
Ministerio del Interior, Carrera 9a. No. 14-10, Bogotá
KOLUMBIEN
(korrekte Anrede: Dear Minister Vargas / Estimado Sr. Ministro Vargas / Sehr geehrter Herr Minister)

LANDWIRTSCHAFTSMINISTER
Señor Juan Camilo Restrepo
Ministerio de Agricoltura y Desarrollo Rural, Avenida Jiménez No. 7-65, Bogotá
KOLUMBIEN
(korrekte Anrede: Dear Minister Restrepo / Estimado Sr. Ministro Restrepo / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 57) 1 286 2649


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER REPUBLIK KOLUMBIEN
S. E. Herrn Juan Mayr Maldonado
Kurfürstenstr. 84
10787 Berlin
Fax: 030-2639 6125
E-Mail: info@botschaft-kolumbien.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 12. April 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urge the Colombian authorities to order full and impartial investigations into the death threats against the organisations and individuals named; to publish the results and bring those responsible to justice.

- Remind the Colombian authorities to fulfil their obligations regarding the protections of human rights defenders as specified in the 1998 UN Declaration on Human Rights Defenders, to which Colombia is a state party.

- Urge the authorities to take immediate action to dismantle paramilitary groups and break their links with the security forces, in line with stated government commitments and recommendations made by the UN and other intergovernmental organizations.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

AktivistInnen, die sich für Gerechtigkeit zugunsten der Opfer von Menschenrechtsverletzungen und für die Rückgabe von Land einsetzen, sind in besonderem Maße in Gefahr, bedroht und getötet zu werden. Das Land hatten sich im Laufe des Konflikts überwiegend paramilitärische Gruppen angeeignet, die oft mit den Streitkräften gemeinsame Sache machten. Die überwiegende Zahl der Anschläge wird paramilitärischen Gruppen zugerechnet. Aber auch Guerillagruppen haben Anschläge auf MenschenrechtsverteidigerInnen und andere in der Gesellschaft aktive Personen verübt, von denen sie sich in ihren Interessen bedroht fühlten.

Die kolumbianische Regierung versichert, es seien alle Paramilitärs im Zuge eines 2003 von ihr eingeleiteten Programms demobilisiert worden. Gleichwohl sind paramilitärsche Gruppen nach wie vor aktiv und für schwere Menschenrechtsverstöße gegen MenschenrechtsverteidigerInnen und andere Zivilpersonen verantwortlich. Teilweise agieren die Paramilitärs in Absprache oder zumindest mit Duldung der staatlichen Sicherheitskräfte.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-072/2012, AI-Index: AMR 23/012/2012, Datum: 1. März 2012 - gs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2012