Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AKTION/968: Urgent Action - Russische Föderation - Anti-LGBTI Gesetz passiert


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-046/2012-1, AI-Index: EUR 46/008/2012, Datum: 2. März 2012 - we

Russische Föderation
St. Petersburger Parlament - Anti-LGBTI Gesetz passiert

Weitere Information zu UA-046/2012 (EUR 46/002/2012, 9. Februar 2012).


LESBEN, SCHWULE, BISEXUELLE, TRANSGENDER UND INTERSEXUELLE (LGBTI)

Ein Gesetzesentwurf, der das Recht auf freie Meinungsäußerung von LGBTIs in St. Petersburg stark einschränken würde, hat am 29. Februar die letzte Lesung bestanden. Es soll in weniger als zwei Wochen vom Gouverneur von St. Petersburg unterschrieben werden und somit in Kraft treten.

Der Gesetzesentwurf, der Geldstrafen für "öffentliche Aktivitäten zur Förderung von Sodomie, Lesbentum, Bisexualität und Transsexualität bei Minderjährigen" vorsieht, hat am 29. Februar seine letzte Lesung bestanden. Ursprünglich wurde der Gesetzesentwurf bereits im November 2011 vorgelegt. Sollte der Gouverneur von St. Petersburg den Gesetzesentwurf unterschreiben und das Gesetz somit in Kraft treten, würden LGBTI-Personen in ihrer Meinungs- und Versammlungsfreiheit stark einschränkt werden. Weiterhin hätten junge LGBTI-Menschen dann keinen Zugang mehr zu Informationen über existierende soziale Gruppen, Netzwerke zur Unterstützung und sexuelle sowie reproduktive Gesundheit. Dieser Informationsaustausch trägt jedoch grundlegend zum Schutz der Gesundheit und des Wohlbefindens von LGBTI-Personen bei. Das Gesetz würde die LGBTI-Organisation in St. Petersburg zudem stark in ihren Aktivitäten und ihrer Arbeit einschränken.

Das vorgeschlagene Gesetz verletzt die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit, Diskriminierungsfreiheit und auf Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. All dies sind Rechte, die durch internationale Menschenrechtsverträge, wie durch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die Europäische Menschenrechtskonvention, sichergestellt werden. Auch Russland hat diese Verträge unterzeichnet. Des Weiteren verstößt das Gesetz auch gegen Russlands eigene Verfassung, in der Diskriminierung verboten und das Recht auf freie Meinungsäußerung festgeschrieben ist. Die Diskriminierung von LGBTI-Personen, die in Russland bereits weit verbreitet ist, würde durch dieses Gesetz in der Rechtsordnung des Landes verankert werden und somit die Ansicht festigen, dass LGBTI-Personen nicht denselben Menschenrechtsschutz verdienen wie ihre heterosexuellen FreundInnen, Familienangehörigen und KollegInnen. So würde ein Klima der Feindseligkeit und Gewalt gegenüber lesbischen, bisexuellen, transsexuellen und intersexuellen Menschen entstehen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Sollte das Gesetz in Kraft treten, würden "öffentliche Aktivitäten zur Förderung von Sodomie, Lesbentum, Bisexualität und Transsexualität bei Minderjährigen" verboten werden. Bei Verstößen müssten Privatpersonen mit Geldbußen von 5.000 Rubel (126 Euro), Organisationen mit bis zu 50.000 Rubel (1.260 Euro) und Rechtspersonen sogar mit 250.00-500.000 Rubel (6.300-12.600 Euro) rechnen.

Das Gesetz beinhaltet außerdem das Verbot Minderjährigen gegenüber für Pädophilie zu werben. Berichten zufolge stellte der Verfasser des Gesetzesentwurfs, das Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung von St. Petersburg, Vitaly Milonov, während der Lesung Homosexualität mit Pädophilie und Drogenmissbrauch gleich. Vitaly Milonov, der ein Mitglied der Regierungspartei "Einiges Russland" ist, soll Gegner des Gesetzes beschuldigt haben, sich nicht für das Wohlergehen von Kindern zu interessieren. Folglich schafft das Gesetz eine Verbindung zwischen sexuellem Missbrauch von Kindern und einvernehmlichen, privaten sexuellen Handlungen und dem Ausdruck der Geschlechtsidentität. Dass es eine solche Verbindung nicht gibt, steht außer Frage. Im Rahmen internationaler Menschenrechtsstandards ist es Staaten erlaubt, den Umgang mit sexuellen Aktivitäten, die Rechte Dritter verletzen, selbst zu beschließen. Weder einvernehmliche, private gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen noch die Geschlechtsidentität und deren Ausdruck können jedoch dieser Kategorie zugeordnet werden.

Bei öffentlichen Anhörungen zu dem Gesetzesentwurf am 24. Februar, wurde ein Dokument mit dem Titel "Statistiken zur Homosexualität" verteilt, dass Kapitel zu Themen wie "Homosexuelle verbreiten Infektionen", "Homosexuelle führen ein anormales Leben" und "Homosexuelle begehen viele Straftaten" enthielt. Einige RednerInnen forderten eine Zwangsbehandlung oder die Isolation von LGBTI-Personen. Während und nach der ersten Lesung des Gesetzesentwurfs am 16. November 2011 hatten zuvor mehrere Mitglieder der Gesetzgebenden Versammlung von St. Petersburg ein Verbot der Webseiten von LGBTI-Organisationen verlangt und gefordert, dass sowohl der Gebrauch des Wortes "Regenbogen" als auch Abbildungen von Regenbögen durch das geplante Gesetz als Propaganda für Homosexualität eingestuft werden. Ähnliche Gesetze wurden in den russischen Regionen Rjasan und Archangelsk und Kostroma verabschiedet und Berichten zufolge in Moskau und Nowosibirsk beantragt. Es besteht die Gefahr, dass weitere Regionen folgen werden.

In St. Petersburg gibt es eine aktive und dynamische LGBTI-Gemeinschaft. Sollte dieser Gesetzesentwurf verabschiedet werden, würden die Aktivitäten und die Arbeit der LGBTI-Organisationen und Personen stark beschnitten werden. Wenn die Verabschiedung in St. Petersburg verhindert werden kann, wäre dies für andere regionale und nationale Behörden ein Zeichen, solche Gesetzesentwürfe gar nicht erst vorzulegen.

Während der zweiten Lesung am 8. Februar wurden fünf AktivistInnen, die vor dem Stadtparlament protestiert hatten, festgenommen und sieben Stunden lang festgehalten. Sie wurden in der Folge wegen Rechtsverstößen bei Demonstrationen und öffentlichen Versammlungen angeklagt.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich bitte Sie eindringlich, das Gesetz nicht zu unterschreiben und damit zu verhindern, dass es in Kraft tritt.


APPELLE AN

GOVERNEUR VON ST. PETERSBURG
Georgy Poltavchenko
Smolny, St. Petersburg, 191060
RUSSISCHE FÖDERATION
(korrekte Anrede: Dear Governor / Sehr geehrter Herr Gouverneur)
Fax: (00 7) 812 576 7827
E-Mail: oseevskiy@vg.gov.spb.ru (Betreff: For the attention of the Governor, Georgy Poltavchenko / Zu Händen des Gouverneurs Georgy Poltavchenko


KOPIEN AN

OMBUDSPERSON FÜR MENSCHENRECHTE VON ST. PETERSBURG
Shcherbakov per. 1-3
191002 St. Petersburg
RUSSISCHE FÖDERATION
Fax: (00 7) 812 572 7306
E-Mail: mail@ombudsmanspb.ru
BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S.E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65
10117 Berlin
Fax: 030-2299 397
E-Mail: info@Russische-Botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 16. April 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Calling on the Governor of St Petersburg not to sign the Bill into law.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-046/2012-1, AI-Index: EUR 46/008/2012, Datum: 2. März 2012 - we
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Postfach - 53108 Bonn
Heerstr. 178, 53111 Bonn
Telefon:+ 49 228 98373-0, Fax: +49 228 630036
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2012