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AKTION/988: Urgent Action - Iran - Menschenrechsverteidiger zu fünf Jahren Haft verurteilt


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-347/2009-11, AI-Index: MDE 13/016/2012, Datum: 19. März 2012 - we

Iran
Menschenrechsverteidiger zu fünf Jahren Haft verurteilt

Weitere Informationen zu UA-347/2009 (MDE 13/132/2009, 22. Dezember 2009; MDE 13/017/2010, 5. Februar 2010; MDE 13/023/2010, 19. Februar 2010; MDE 13/035/2010, 18. März 2010; MDE 13/057/2010, 21. Mai 2010; MDE 13/086/2010, 23. August 2010; MDE 13/088/2010, 14. September 2010; MDE 13/090/2010, 22. September 2010; MDE 13/022/2011, 28. Februar 2011; MDE 13/076/2011, 23. August 2011; MDE 13/087/2011, 30. September 2011)


Herr KOUHYAR GOUDARZI, Menschenrechtsverteidiger
Frau PARVIN MOKHTARE, Mutter von Kouhyar Goudarzi

Kouhyar Goudarzi, Mitglied der iranischen Menschenrechtsorganisation "Committee for Human Rights Reporters" (CHRR), ist am 7. März zu fünf Jahren Haft in einem Gefängnis in Zabol, im Osten des Iran, verurteilt worden. Die Mutter des gewaltlosen politischen Gefangenen, Parvin Mokhtare, wurde am 18. März aus der Haft entlassen.

Am 7. März informierte man Kouhyar Goudarzi darüber, dass er zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt worden ist, die er in Zabol, einer Stadt in der Provinz Sistan und Belutschistan im Osten des Iran ableisten soll. Am 2. Januar war er vor der 26. Kammer des Revolutionsgerichts in Teheran erschienen, seine Verhandlung wurde jedoch auf seinen Antrag hin vertagt, da sein Rechtsbeistand nicht anwesend war. Während einer darauffolgenden Verhandlung vor demselben Gericht, klagte man Kouhyar Goudarzi der "Verbreitung von Propaganda gegen das System" und der "Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit" an. Das Gericht hielt daran fest, dass Kouhyar Goudarzi in Verbindung zu der iranischen Gruppierung der Volksmudschaheddin (People's Mojahedeen Organization of Iran - PMOI), einer verbotenen Oppositionsgruppe mit Sitz im Irak, stehe. Weiterhin behauptete das Gericht, Kouhyar Goudarzi sei bereits zuvor einmal wegen der "Versammlung vor dem Büro der Vereinten Nationen und der Forderung, die PMOI nicht länger als terroristische Organisation zu betrachten" festgenommen worden. Die CHRR bestritt dies jedoch und gab an, dass Kouhyar Goudarzi nie wegen einer dieser Gründe festgenommen worden war.

Am 18. März 2012 wurde Parvin Mokhtare, die Mutter von Kouhyar Goudarzi, aus dem Kerman-Gefängnis im Süd-Osten der Provinz Kerman entlassen, nachdem das zuständige Berufungsgericht die gegen sie erlassene 23-monatige Haftstrafe ausgesetzt hatte. Sie war am 1. August 2011, einen Tag nach der Festnahme ihres Sohnes, festgenommen worden und musste sich am 6. September 2011 wegen der "Verbreitung von Propaganda gegen das System" und wegen "Aktivitäten gegen die Staatssicherheit" vor dem Revolutionsgericht in Kerman verantworten. Dem Vernehmen nach wurde nur deshalb Anklage gegen sie erhoben, weil sie sich für die Befreiung ihres Sohnes eingesetzt hatte. Im Dezember 2011 wurde sie zu 23 Monaten Haft verurteilt, ohne zuvor Zugang zu einem Rechtsbeistand gehabt zu haben. SicherheitsbeamtInnen hatten ihr erklärt, es bestünde "keine Notwendigkeit für einen Rechtsbeistand oder eine Verteidigung". Mitte März 2012 musste sie sich dann zudem wegen der "Beleidigung des obersten Religionsführers" und der "Beleidigung von Märtyrern" vor einem weiteren Gericht in Kerman verantworten. Man sprach sie im ersten Anklagepunkt frei, verurteilte sie jedoch wegen der "Beleidigung von Märtyrern" zu der Zahlung eines Bußgeldes.

Danke an alle, die Appelle geschickt haben. Amnesty International wird sich weiterhin für die sofortige und bedingungslose Freilassung von Kouhyar Goudarzi einsetzen und auch die Situation anderer CHRR-Mitglieder beobachten. Weitere Aktionen des Eilaktionsnetzes sind derzeit nicht erforderlich.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die iranische Menschenrechtsorganisation "Committee for Human Rights Reporters" (CHRR) setzt sich seit ihrer Gründung im Jahr 2006 gegen sämtliche Formen von Menschenrechtsverletzungen an Frauen, Kindern, Gefangenen, ArbeitnehmerInnen und anderen Personengruppen ein. Die iranischen Behörden haben die Organisation verboten und gehen seit den umstrittenen Präsidentschaftswahlen vom Juni 2009 mit heftiger Schikane und strafrechtlicher Verfolgung gegen ihre Mitglieder vor. Kouhyar Goudarzi, ein Mitglied der CHRR, war im Dezember 2010 nach Ablauf einer unter anderem wegen "Propaganda gegen das System" verhängten einjährigen Freiheitsstrafe aus der Haft entlassen worden. Mit dem Urteil hatte das Prozessgericht die Rechte von Kouhyar Goudarzi auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit missachtet. Von dem Menschenrechtsaktivisten eingelegte Rechtsmittel waren im Oktober 2010 abgewiesen worden. Kouhyar Goudarzi war am 31. Juli 2011, vermutlich von Angehörigen des Geheimdienstes, festgenommen worden. Erst drei Monate nach seiner Festnahme konnten seine Familie und sein Rechtsbeistand den Haftort von Kouhyar Goudarzi in Erfahrung zu bringen und erhielten eine offizielle Bestätigung seiner Festnahme.

Nach seiner Festnahme wurde Kouhyar Goudarzi Berichten zufolge zunächst in Trakt 240 des Evin-Gefängnisses in Teheran gebracht, bevor man ihn dann in Trakt 209 verlegte. Dort hielt man ihn bis Ende 2011 in Einzelhaft. Kouhyar Goudarzi soll während seiner Zeit in Einzelhaft für 17 Tage in den Hungerstreik getreten sein, um so gegen die Festnahme seiner Mutter und den steigenden Druck auf ihn zu protestieren. Er beendete den Hungerstreik jedoch, als sich sein Gesundheitszustand stark verschlechterte. Nach fast vier Monaten Einzelhaft setzte man ihn am 30. November 2011 darüber in Kenntnis, dass man ihn der "Verbreitung von Propaganda gegen das System im Rahmen eines Interviews mit der Wochenzeitschrift Der Spiegel" und der "Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit als Mitglied der Menschenrechtsorganisation Committee for Human Rights Reporters" anklagte.

Mehreren anderen CHRR-Mitgliedern droht ebenfalls die Inhaftierung, einige haben aus Sorge um ihre Sicherheit den Iran verlassen. Am 9. Januar 2011 bestätigte die zuständige Berufungsinstanz die gegen die Journalistin und Menschenrechtsverteidigerin Shiva Nazar Ahari verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren. Eine weitere wegen "Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit" ergangene zweijährige Haftstrafe wurde hingegen aufgehoben. Derzeit befindet sich Shiva Nazar Ahari in Freiheit, muss aber jederzeit damit rechnen, dass man sie zum Antritt der vierjährigen Gefängnisstrafe auffordern wird. Auch Saeed Ha'eri ist zu einer im Berufungsverfahren bestätigten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Navid Khanjani, Mitglied sowohl der CHRR als auch der Vereinigung gegen Diskriminierung im Bildungswesen (Association to Oppose Discrimination in Education - AODE), wurde am 31. Januar 2011 zu zwölf Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Sein Urteil wurde am 10. August 2011 durch die 54. Kammer des Revolutionsgerichts in Teheran bestätigt. Sein Rechtsbeistand wurde erst 14 Tage später über die Bestätigung des Urteils informiert. Navid Khanjani wurde bisher noch nicht inhaftiert und wartet auf eine Aufforderung zum Antreten seiner Strafe.

Die Festnahme von Navid Khanjani erfolgte am 2. März 2010 in der in Zentraliran gelegenen Stadt Esfahan. Am 20. Dezember 2010 fand vor der 26. Kammer des Revolutionsgerichts in Teheran ein unfairer Prozess gegen den Menschenrechtsverteidiger statt. Dem Vernehmen nach verurteilte das Gericht Navid Khanjani wegen seines Engagements für die AODE zu zehn Jahren und wegen seiner Mitarbeit bei der CHRR zu fünf Jahren Freiheitsentzug. Darüber hinaus sollen wegen "Schürens von Unruhe im öffentlichen Bewusstsein" und "Propaganda gegen das System" weitere drei Jahre Haft gegen Navid Khanjani verhängt worden sein. Nachdem das Gericht angeblich "islamische Gnade" hatte walten lassen, setzte es eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren fest.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-347/2009-11, AI-Index: MDE 13/016/2012, Datum: 19. März 2012 - we
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2012