Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AKTION/990: Urgent Action - Kolumbien - Familie erneut durch Paramilitärs bedroht


ai - URGENT ACTION
UA-Nr.: UA-018/2012-1, AI-Index: AMR 23/014/2012, Datum: 19. März 2012 - we

Kolumbien
Familie erneut durch Paramilitärs bedroht

Weitere Informationen zu UA-018/2012 ( AMR 23/003/2012, 20. Januar 2012)


HERNANDO JOSÉ VERBEL OCÓN

Ein Angehöriger einer Familie, die bereits mehrfach zum Ziel von Angriffen durch Paramilitärs im Norden Kolumbiens geworden ist, hat einen Mordanschlag überlebt. Er und seine Verwandten befinden sich in Lebensgefahr.

Am 11. März fuhr Hernando José Verbel Ocón mit seinem Motorrad vom zentralen Platz der Stadt San Onofre im Departamento Sucre zu einem Fußballplatz in der Stadt. Zwei Männer näherten sich ihm, als er das Fußballfeld erreicht hatte. Einer der Männer setzte sich auf das Motorrad hinter Hernando José Verbel Ocón und richtete eine Waffe auf ihn. Der zweite Mann wurde von AugenzeugInnen als ein Anwohner identifiziert, der zurzeit bei der Marineinfanterie Kolumbiens (Infantería de Marina) dient. Er sagte Hernando José Verbel Ocón, dass er den bewaffneten Mann dahin bringen solle, wohin dieser es befahl. Als sie die Grenze einer örtlichen Farm erreicht hatten, befahl der bewaffnete Mann Hernando José Verbel Ocón, vom Motorrad abzusteigen. Er sagte: "Stell den Motor ab und steig ab. Ich werde dich erschießen" (apaga y bájate que te voy a explotar) und setzte Hernando José Verbel Ocón die Waffe an die Kehle. In diesem Moment versuchte ein vorbeikommendes Paar, den Schützen aufzuhalten: "Was hast du vor? Beruhige dich. Beruhige dich und erschieß ihn nicht" (que vas a hacer, cálmate, cálmate no lo explotes). Der Mann mit der Waffe rannte daraufhin davon. Hernando José Verbel Ocón meldete diesen Mordversuch dem polizeilichen Geheimdienst (Servicio de Investigaciones Judiciales e Inteligencia - SIJIN).

Am 23. März 2011 wurde Eder Verbel Rocha, der Vater von Hernando José Verbel Ocón, von Paramilitärs getötet. Im Januar 2012 erhielt der Bruder von Eder Verbel Rocha, Orlando Enrique Verbel Rocha, der Zeuge der Tötung geworden war, Morddrohungen. Die Angehörigen der Familie Verbel Rocha kämpfen gegen Straflosigkeit und Menschenrechtsverletzungen, die von Paramilitärs im Departamento Sucre begangen werden. Sie sind Mitglieder der Regionalgruppe Sucre des Verbands "Nationale Bewegung für Opfer von staatlichen Verbrechen" (Movimiento Nacional de Víctimas de Crímenes de Estado - MOVICE). Die Familie erhält zudem immer wieder Drohungen, mit denen sie offensichtlich zur Aufgabe ihres Grundbesitzes in der Gegend gebracht werden soll.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Am 23. März 2011 waren die Brüder Orlando Enrique Verbel Rocha und Eder Verbel Rocha sowie dessen Sohn mit dem Motorrad auf dem Heimweg aus San Onofre gewesen, wo sie tagsüber ihre Felder bestellt hatten. Ganz in der Nähe ihres Wohnorts schossen zwei Paramilitärs zunächst auf sie und schlugen sie dann mit Gewehren und traten sie. Eder Verbel Rocha wurde bei diesem Angriff tödlich verletzt. Orlando Enrique Verbel Rocha und der kleine Junge konnten fliehen und einige Soldaten der Marineinfanterie (Infantería de Marina) einschalten, die sich in der Nähe befanden. Daraufhin wurden die beiden Paramilitärs, die den Angriff auf die drei Personen verübt haben sollen, festgenommen. Sie befinden sich derzeit in Untersuchungshaft. Weitere Untersuchungen darüber, wer die Tötungen angeordnet hat, blieben ohne Ergebnis.

Am 16. Januar 2012 fuhr die Adoptivtochter von Eder Verbel Rocha Fahrrad in einem Park in San Onofre. Ein Mann näherte sich ihr, sagte, dass die Schuldigen am Tod ihres Vaters nie gefunden werden würden und sprach eine Morddrohung gegen Orlando Enrique Verbel Rocha aus.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fürchte um die Sicherheit von Hernando José Verbel Ocón und seiner Familie sowie um die der übrigen Mitglieder von MOVICE. Sorgen Sie bitte dafür, dass in Übereinstimmung mit den Wünschen der Betroffenen umgehend wirksame Schutzmaßnahmen ergriffen werden.

- Ich fordere Sie dringend auf, eine umfassende und unparteiische Untersuchung des Mordanschlags auf Hernando José Verbel Ocón einzuleiten. Auch die früheren Angriffe auf die Familie Verbel Rocha müssen untersucht werden. Veröffentlichen Sie bitte die Ergebnisse dieser Untersuchung und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.

- Ich appelliere an Sie, umgehend Schritte zur Auflösung paramilitärischer Gruppen und zur Kappung ihrer Verbindungen mit den Sicherheitskräften einzuleiten, entsprechend den von der kolumbianischen Regierung eingegangenen Verpflichtungen und den Empfehlungen der UN und anderer zwischenstaatlicher Organisationen.


APPELLE AN

PRÄSIDENT
Sr. Juan Manuel Santos
Presidente de la República de Colombia
Palacio de Nariño, Carrera 8
No. 7-26, Bogotá, KOLUMBIEN
(korrekte Anrede: Dear President Santos/
Excmo. Sr. Presidente Santos/Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 57) 1 596 0631

LEITER DES SCHUTZPROGRAMMS DES INNENMINISTERIUMS
Sr. Andrés Villamizar
Unidad Nacional de Protección
Ministerio del Interior
Carrera 9a. No. 14-10, Bogotá, KOLUMBIEN
(korrekte Anrede: Dear Mr Villamizar/Estimado Sr. Villamizar/Sehr geehrter Herr Villamizar)
E-Mail: andres.villamizar@mininterior.gov.co


KOPIEN AN

NGO MOVICE
Movimiento Nacional de Víctimas de Crímenes de Estado
Calle 38
No. 28A-30
Barrio Bogotá
Sincelejo, KOLUMBIEN

BOTSCHAFT DER REPUBLIK KOLUMBIEN
S.E. Herrn Juan Mayr Maldonado
Kurfürstenstr. 84
10787 Berlin
Fax: 030-2639 6125
E-Mail: info@botschaft-kolumbien.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 30. April 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Express concern for the safety of Hernando José Verbel Ocón, his family, and other members of MOVICE, and urge the authorities to guarantee their safety in strict accordance with their wishes.

- Call on the authorities to order a full and impartial investigation into the attack against Hernando José Verbel Ocón and previous killings and attacks on the Verbel Rocha family, publish the results and bring those responsible to justice.

- Urge the authorities to take immediate action to dismantle paramilitary groups and break their links with the security forces, in line with stated government commitments and recommendations made by the UN and other intergovernmental organizations.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

MOVICE ist ein Zusammenschluss von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen und setzt sich für Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen in Kolumbiens lang anhaltendem bewaffneten Konflikt ein. Die Mitglieder von MOVICE haben bereits viele Fälle von Tötungen und Verschwindenlassen im Departamento Sucre dokumentiert und aufgedeckt, die auf das Konto von Sicherheitskräften und paramilitärischen Gruppen gingen. Am 6. März organisierte MOVICE Protestmärsche, mit denen insbesondere die Umsetzung eines wirksamen und umfassenden Prozesses für die Rückgabe des Landes gefordert wurde, das von allen am Konflikt beteiligten Parteien gewaltsam vereinnahmt worden war - von Paramilitärs, Sicherheitskräften und Guerillagruppen.

Die Familie Verbel Rocha nahm zusammen mit anderen MOVICE-Mitgliedern aus Sucre an den Protestmärschen teil. Zu den weiteren Teilnehmern gehörten auch Kleinbauern der La Europa-Farm aus der Stadt Ovejas im Departamento Sucre. 1994 wurden 12 Kleinbauern getötet und 80 von der La Europa-Farm vertrieben. Die Regionalgruppe von MOVICE in Sucre setzt sich für die Rückgabe der La Europa-Farm ein. Einige Kleinbauern sind seitdem auf die Farm zurückgekehrt und ihre Häuser sind bereits mehrfach der Brandstiftung zum Opfer gefallen. Berichten zufolge wurden die Häuser erst am 16. März erneut niedergebrannt. MenschenrechtsverteidigerInnen, die sich für die Gerechtigkeit im Falle von Menschenrechtsverletzungen und dafür einsetzen, dass Grundbesitz zurückgegeben wird, der während des Konflikts hauptsächlich von paramilitärischen Gruppen rechtswidrig vereinnahmt wurde, sind in den vergangenen Jahren wiederholt bedroht und getötet worden. Die meisten solcher Anschläge werden paramilitärischen Gruppen zugeschrieben. Allerdings nehmen auch Guerillagruppen MenschenrechtsverteidigerInnen und andere sozial engagierte AktivistInnen ins Visier, wenn sie durch sie ihre Interessen bedroht sehen.

Die paramilitärischen Gruppierungen in Kolumbien sind angeblich im Rahmen des von der Regierung finanzierten Demobilisierungsprozesses, der im Jahr 2003 begann, aufgelöst worden. Diese Gruppen operieren aber nach wie vor und begehen weiterhin schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen an MenschenrechtsverteidigerInnen und anderen Zivilpersonen. Manchmal geschieht dies sogar in geheimer Absprache mit den Sicherheitskräften oder mit deren Einverständnis.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr.: UA-018/2012-1, AI-Index: AMR 23/014/2012, Datum: 19. März 2012 - we
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Postfach - 53108 Bonn
Heerstr. 178, 53111 Bonn
Telefon:+ 49 228 98373-0, Fax: +49 228 630036
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2012