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ASIEN/250: Gespräch mit dem Journalisten Jahangir Alam Akash aus Bangladesch (ai journal)


amnesty journal 04/05/2010 - Das Magazin für die Menschenrechte

"Ich reagiere panisch, wenn ich schwarz gekleidete Menschen sehe"

Interview von Tatjana Schütz


Ein Gespräch mit dem Journalisten Jahangir Alam Akash. Der Bangladeschi recherchiert seit zwanzig Jahren Menschenrechtsverletzungen in seiner Heimat. Im Mai 2007 filmte er für einen unabhängigen Fernsehsender den Überfall einer militärischen Elite-Einheit auf eine Familie. Als der inzwischen geschlossene Sender den Beitrag ausstrahlte, wurde Akash festgenommen und gefoltert.


FRAGE: Im April veröffentlichen Sie ein Buch über Menschenrechtsverletzungen und Korruption in Bangladesch. Es ist Ihr fünftes innerhalb von 18 Monaten. Was ist Ihre Motivation?

JAHANGIR ALAM AKASH: Schon als 15-Jähriger begann ich zu schreiben, um die Menschenrechtssituation in meinem Land zu verbessern. Damals hatte ich die Veruntreuung von Hilfsgütern beobachtet und beschloss, etwas dagegen zu unternehmen. Journalismus ist eine wichtige Quelle für Veränderungen und Demokratie. Ich bin stolz, mit meiner Arbeit etwas für die Menschen in meinem Land zu tun. Nachdem ich wegen meiner Tätigkeit als Journalist im Gefängnis gesessen hatte, verlor ich meine Auftraggeber. Deswegen schreibe ich jetzt Bücher über die Situation in meinem Land. In meinem neuen Buch "Der Kampf für Frieden" analysiere ich die Geschichte meines Landes seit der Unabhängigkeit bis heute. Es sollte ursprünglich schon im Dezember letzten Jahres, am internationalen Tag der Menschenrechte, auf Englisch in Bangladesch erscheinen. Nach Problemen mit dem Verleger musste das Erscheinungsdatum verschoben werden. Inzwischen habe ich einen neuen Verlag gefunden und bin zuversichtlich, dass mein Buch nun wie geplant erscheinen wird.

FRAGE: Ihre Tätigkeit als Autor hat Sie fast das Leben gekostet. 2007 wurden sie von Mitgliedern einer Sondereinheit, dem "Rapid Action Battalion" (RAB), verhaftet und gefoltert.

JAHANGIR ALAM AKASH: In Bangladesch galten Notstandsgesetze und es war Sicherheitskräften erlaubt, "verdächtige" Personen ohne Angaben von Gründen zu verhaften. Eines Nachts kamen zwölf Männer in mein Haus, vollkommen schwarz gekleidet und bis an die Zähne bewaffnet. Sie legten mich in Handschellen, verbanden mir die Augen und schlugen vor den Augen meiner Familie auf mich ein. Als sie mir eine schwarze Kapuze aufsetzten, glaubte ich, meine Frau und meinen Sohn nie wiederzusehen. Ich wurde in die Zentrale des RAB gebracht. Sie hängten mich mit den Füßen an der Decke auf. 15 Stunden folterten mich zwei Mitglieder des RAB mit Elektroschocks und schlugen auf mich ein - einer der beiden ging übrigens wenige Monate später als Mitglied einer UNO-Friedensmission an die Elfenbeinküste! Ich verlor mehrere Male das Bewusstsein. Schließlich brachte man mich ins örtliche Gefängnis. Ich musste von zwei Häftlingen getragen werden, laufen konnte ich nicht mehr. Nach 28 Tagen ließ man mich auf Kaution frei. Danach tauchte ich unter und wechselte ständig meinen Wohnort.

FRAGE: Leiden Sie noch an den Folgen der Folter?

JAHANGIR ALAM AKASH: Ich spüre die Nachwirkungen noch immer - körperlich, seelisch und finanziell. Ich reagiere panisch, wenn ich schwarz gekleidete Menschen auf der Straße sehe. Manchmal habe ich tagsüber ganz plötzlich das Gefühl, kopfüber an der Decke zu hängen. Ich habe Schmerzen in der Hüfte, wenn ich zehn Minuten gegangen bin. Finanziell bin ich ruiniert. Seit zwei Jahren bekomme ich keine Aufträge mehr. Besonders schlimm sind die sozialen Folgen. Früher genoss ich in Bangladesch ein gutes Ansehen. Nach meiner Inhaftierung ließ man mich fallen. Freunde, sogar einige Mitglieder meiner Familie sind der Meinung, dass das alles nicht ohne Grund passiert sein kann. Nicht einmal Vertreter der lokalen Organisationen, für die ich aktiv war, haben zu mir gehalten. Das hat mich persönlich sehr enttäuscht. Ich habe lernen müssen, dass in meiner Heimat sogar im Journalismus und in Menschenrechtsorganisationen Korruption herrscht - auch darüber möchte ich irgendwann ein Buch schreiben. Wenn mir nicht internationale Organisationen, allen voran Amnesty International und die Asiatische Menschenrechtskommission, geholfen hätten, wäre ich jetzt tot.

FRAGE: Sie sagen, dass Mitglieder des RAB hunderte Menschen ermordet haben. Sie werden nicht zur Verantwortung gezogen?

JAHANGIR ALAM AKASH: Das Gesetz verbietet außergerichtliche Tötungen eindeutig. Der Oberste Gerichtshof verhandelt in diesem Zusammenhang sogar Fälle, aber die Mitglieder des RAB kümmern sich nicht um Gesetze. Gegründet wurde die Einheit offiziell zur Terrorismusbekämpfung. Aber schon die vorige Regierung nutze das RAB vor allem zur Durchsetzung der eigenen Interessen. Seit Gründung töteten die Mitglieder der Spezialeinheit sicher 1.600 Menschen. Offiziell heißt es dann, sie seien bei einem Schusswechsel gestorben. Die Medien veröffentlichen nur die Erklärungen des RAB.

FRAGE: Im vergangenen Jahr machte Bangladesch in deutschen Medien Schlagzeilen. Von einer Meuterei der Grenzschützer war die Rede, Massengräber wurden gefunden.

JAHANGIR ALAM AKASH: Was genau passierte oder wer die Täter waren, ist immer noch unklar. Ich hatte gehofft, dass die Ereignisse untersucht würden - aber das ist bis heute nicht geschehen. In den Wochen danach wurden 5.000 Menschen unter dem Verdacht der Beteiligung verhaftet. 48 von ihnen starben unter ungeklärten Umständen in Haft. Auch über diese Todesfälle wissen wir nichts Genaues. Offiziell wurde zum Beispiel behauptet, Inhaftierte hätten Herzprobleme gehabt, aber ich glaube nicht an diese Erklärungen. In Bangladesch gibt es keine Menschenrechte. Wir haben keine richtige Demokratie, die Justiz ist korrupt und die Parteien haben keine demokratische Praxis. Es wurden 5.000 Menschen verhaftet - die sollen alle etwas mit der Meuterei zu tun gehabt haben? Daran glaube ich nicht.

FRAGE: Seit gut einem Jahr hat Bangladesch eine neue Premierministerin. Hat sie wie versprochen die Menschenrechtslage verbessern können?

JAHANGIR ALAM AKASH: Das kommt auf den Standpunkt an. Sheikh Hasina Wajed, die ja bereits zum zweiten Mal Premierministerin von Bangladesch ist, wurde im letzten Jahr vom UNO-Generalsekretär für ihre erfolgreiche Menschenrechtspolitik gelobt. Doch bei ihrem Amtsantritt versprach sie zum Beispiel, etwas gegen die außergerichtlichen Tötungen zu unternehmen. Ich sehe in diesem Punkt keine Verbesserung. Täglich werden Personen exekutiert und Menschenrechtsverteidiger oder Journalisten gefoltert, ohne dass die Regierung etwas dagegen unternimmt.

FRAGE: Während eines Besuches von europäischen Menschenrechtsbeauftragten Ende 2009 kündigte Hasina harte Strafen für Menschenrechtsverletzungen an. Hat sie Wort gehalten?

JAHANGIR ALAM AKASH: Sie sagt immer gerade das, was die jeweiligen Regierungsvertreter hören wollen. Diese Aussage machte sich gut vor Europäern. Vor der amerikanischen Presse sagte sie kurz zuvor, sie würde Terrorverdächtige gnadenlos verfolgen - was in der Praxis mit Menschenrechtsverletzungen einhergeht. Es kommt auf dasselbe heraus, die Regierung macht was sie will. Erst am 28. Januar wurden fünf Menschen hingerichtet, denen man vorwarf, den Staatsgründer und Vater von Hasina vor 35 Jahren ermordet zu haben. Bangladesch hat die Todesstrafe noch nicht abgeschafft und die Regierung unternimmt auch keine Schritte in diese Richtung. Ich hoffe trotzdem, dass der Besuch der Delegation etwas verändern wird. Es gibt Möglichkeiten, Druck auszuüben.


Jahangir Alam Akash
Der Journalist kam im Sommer 2009 als Stipendiat der Stiftung für Politisch Verfolgte mit seiner Familie nach Hamburg. Die Bangladesch-Ländergruppe der deutschen Sektion von Amnesty International hatte sich für das Stipendium eingesetzt.


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Quelle:
amnesty journal, April/Mai 2010, S. 54-55
Herausgeber: amnesty international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2010