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EUROPA/204: "Nein zur Folter" (amnesty journal)


amnesty journal 12/2006 - Das Magazin für die Menschenrechte

"Nein zur Folter"

Von Simone Wagner


Die EU tritt für ein grundsätzliches Folterverbot ein. Um nach außen glaubwürdig zu bleiben, muss sie diese Forderungen konsequent innerhalb ihrer eigenen Grenzen achten.


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Folter in Europa? Was sich wie ein Relikt längst vergangener Zeiten anhört, ist längst wieder Thema hochbrisanter Debatten, in Deutschland ausgelöst unter anderem durch den Fall Daschner. Der ehemalige stellvertretende Polizeipräsident hatte im Oktober 2002 dem Entführer des Bankiersohns Jakob von Metzler - in der Hoffnung, das Leben des Kindes retten zu können - mit der Zufügung schwerer Schmerzen gedroht.

Auf die Diskussion, ob Folterandrohungen in solchen Fällen zulässig seien, reagierte die deutsche Sektion von amnesty international 2005 mit der Kampagne "Nein zur Folter - ja zum Rechtsstaat". Die zentrale Aussage der Kampagne lautete, dass Folter, auch nicht in Ausnahmefällen, mit dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit vereinbar ist.

Eine Forderung, die auch im Zusammenhang mit dem "War on Terror" und dem US-Gefangenenlager Guantánamo Bay hochaktuell ist. Der Handlungsrahmen der EU lässt dabei eigentlich keinen Zweifel zu. Vor fünf Jahren institutionalisierte der Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen der EU die europäische Haltung gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlungen oder Strafen. In einer Leitlinie wurde festgelegt, dass jeglicher Kontakt mit Staaten, die nicht Mitglieder der EU sind, durch ein konsequentes Eintreten zugunsten eines praktizierten Folterverbots geprägt sein muss.

Neben grundsätzlichen Forderungen, wie der nach dem Beitritt aller Staaten zur UNO-Anti-Folterkonvention, sind vor allem auch das Engagement in Einzelfällen und die Überprüfung von Haftbedingungen vor Ort ein zentrales Anliegen der EU. Wesentliches Ziel ist es zudem, der gängigen Praxis der Straflosigkeit entgegen zu treten. Auch heute bleibt Folter für die Täter in vielen Teilen der Welt ohne Konsequenzen.

Damit die EU glaubhaft gegenüber anderen Staaten auftreten kann, muss sie sicherstellen, dass sie ihre eigenen Forderungen konsequent innerhalb ihrer eigenen Grenzen achtet. Die Initiative zur Leitlinie war nicht zuletzt Resultat der Lobbyarbeit von ai im Rahmen der weltweiten Kampagne gegen Folter im Jahr 2000. Doch trotz dieses Erfolges verlor das Thema Folter auch innerhalb Europas nicht an Brisanz.

Auch die Diskussion um die Kompetenzen der zukünftigen Europäischen Agentur für Grundrechte ist ein Beleg dafür, dass gerade auf politischer Ebene Menschenrechtsverletzungen in der EU immer noch ein Tabuthema sind. ai befürwortet ein starkes Mandat für die Agentur, die auch die Sanktionskompetenz gegen menschenrechtsverletzende Staaten innerhalb der EU umfassen würde. Zwischen den Nationalstaaten besteht allerdings noch keine Einigkeit darüber, ob das Mandat auch die dritte Säule - also den Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit - umfassen soll.

Voraussichtlich wird die Agentur am 1. Januar 2007 ihre Arbeit aufnehmen. Ihr genaues Mandat wird erst im Laufe der Zeit festgelegt werden. Im Sinne der Menschenrechte bleibt zu hoffen, dass die EU nicht ihre eigenen Prinzipien aus dem Auge verliert. Nicht zuletzt aufgrund dieser intensiv geführten Debatten sieht die amnesty international die Bundesregierung in der Verantwortung, im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft einheitliche Standards für die innereuropäische Anwendung der EU-Folterleitlinie zu erarbeiten. Nur so kann auch deren Einsatz in individuellen Fällen gegenüber Drittstaaten glaubhaft sein.

Die Autorin studiert Politikwissenschaft in Kiel.


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Quelle:
amnesty journal, Dezember 2006, S. 18
Herausgeber: amnesty international
Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., 53108 Bonn
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E-Mail: info@amnesty.de
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veröffentlicht im Schattenblick am 4. Januar 2007